Anders als die Finanzkrise 2008/2009 trifft die Corona-Krise Menschen in atypischen Erwerbsformen wie Solo-Selbstständigkeit und Minijobs besonders hart. Sie arbeiten nicht nur überproportional häufig in krisengebeutelten Wirtschaftszweigen wie der Gastronomie oder der Kultur- und Freizeitbranche. Sie sind im Regelfall auch deutlich schlechter sozial abgesichert als regulär Beschäftigte.

Die Covid-19-Pandemie hat eine Wirtschaftskrise ausgelöst, die das Ausmaß der Finanzkrise 2008/2009 insbesondere dadurch bei Weitem übertrifft, weil die Erholung länger dauert. Viele Unternehmen sind nach wie vor in ihrer Existenz bedroht. Etliche staatliche Unterstützungsmaßnahmen wurden verlängert oder kamen neu hinzu, um die Folgen der Krise zu mildern.

Die Krise trifft jedoch nicht alle Unternehmen und Beschäftigte gleich hart. So sind bestimmte Gruppen von Erwerbstätigen wie Solo-Selbstständige stärker betroffen als andere. Sie profitieren insbesondere mit der staatlichen Überbrückungshilfe III von Unterstützungsprogrammen der Bundesregierung. Diese sieht Fixkostenzuschüsse oder eine einmalige Betriebskostenpauschale („Neustarthilfe“) von bis zu 5.000 Euro vor. Doch auch andere Erwerbsformen leiden überproportional stark. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn diese Erwerbsformen gehäuft in Wirtschaftszweigen zu finden sind, die von den Auswirkungen der der Covid-19-Pandemie besonders gebeutelt werden.

Im Folgenden wird zwischen sogenannten Standard- oder Normalerwerbsformen und atypischen Erwerbsformen unterschieden. In die erste Kategorie fallen unbefristete abhängig Beschäftigte in Vollzeittätigkeit, sofern sie nicht in der Zeitarbeitsbranche tätig sind, und selbstständige Arbeitgeber. Zu den atypischen Erwerbsformen zählen üblicherweise alle Abweichungen davon, etwa Teilzeitbeschäftigung, geringfügige Beschäftigung (Minijobs), befristete Beschäftigung, Leiharbeit und Solo-Selbstständige. Diese Erwerbsformen sind häufig mit höheren Beschäftigungsrisiken und/oder geringeren Einkommen verbunden.

Atypische Erwerbsformen sind sehr ungleich auf die einzelnen Wirtschaftszweige verteilt

Atypische Erwerbsformen verteilen sich sehr ungleich auf die einzelnen Wirtschaftszweige (siehe Abbildung 1). Die hier verwendeten Daten stützen sich auf den Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes, bei dem anders als in den Daten der Bundesagentur für Arbeit auch Selbstständige und Beamte enthalten sind. Die Leiharbeit kann dagegen im Folgenden nicht separat ausgewiesen werden: Sie wird im Rahmen der wirtschaftlichen Dienstleistungen erfasst, und die Einsatzbranchen des Leiharbeitspersonals werden in dieser personenbezogenen Datenquelle nicht erhoben (zur Abgrenzung der Erwerbsformen siehe Infokasten „Daten und Methoden“).

Grundsätzlich finden sich atypische Beschäftigungsverhältnisse häufiger in den Dienstleistungssektoren. Der Anteil der atypisch Beschäftigten reicht von etwas mehr als 10 Prozent im Bergbau (B) bis zu 90 Prozent im Bereich der privaten Haushalte (T).

Auch einzelne atypische Erwerbsformen variieren teils deutlich in den Wirtschaftszweigen. Die Landwirtschaft, das Grundstücks- und Wohnungswesen, die freiberuflichen Dienstleistungen sowie Kunst, Unterhaltung und Erholung sind stark von Solo-Selbstständigen geprägt.

In den Bereichen Erziehung und Unterricht sowie Gesundheits- und Sozialwesen sind wiederum Teilzeitbeschäftigte besonders stark vertreten. Sie machen dort jeweils etwa ein Drittel aller Beschäftigten aus. Geringfügig Beschäftigte schließlich sind überproportional häufig im Gastgewerbe und im Bereich der privaten Haushalte zu finden.

Die Abbildung zeigt die Verteilung von Erwerbsformen nach Branchen für das Jahr 2019. Atypische Erwerbsformen verteilen sich sehr ungleich auf die einzelnen Wirtschaftszweige. Ihr Anteil reicht von etwas mehr als 10 Prozent im Bergbau bis zu 90 Prozent im Bereich der privaten Haushalte. Auch einzelne atypische Erwerbsformen variieren teils deutlich in den Wirtschaftszweigen. Die Landwirtschaft, das Grundstücks- und Wohnungswesen, die freiberuflichen Dienstleistungen sowie Kunst, Unterhaltung und Erholung sind stark von Solo-Selbständigen geprägt. In den Bereichen Erziehung und Unterricht sowie Gesundheits- und Sozialwesen sind wiederum Teilzeitbeschäftigte besonders stark vertreten. Sie machen dort jeweils etwa ein Drittel aller Beschäftigten aus. Geringfügig Beschäftigte schließlich sind überproportional häufig im Gastgewerbe und im Bereich der privaten Haushalte zu finden. Quelle: Mikrozensus des Statistischen Bundesamts (Sonderauswertungen für das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung), eigene Berechnungen. © IAB

In der Corona-Krise sind atypische Erwerbsformen überproportional stark betroffen

Wenn Krisen bestimmte Sektoren stärker treffen als andere, wirkt sich dies besonders auf diejenigen Erwerbsformen aus, die in den krisengebeutelten Branchen besonders stark vertreten sind. In der oft auch als „Große Rezession“ bezeichneten schweren Finanzkrise 2008/2009 waren atypische Erwerbsformen, abgesehen von der Leiharbeit, nicht wesentlich stärker von Beschäftigungsverlusten betroffen als andere Erwerbsformen (lesen Sie hierzu auch den Artikel von Ulrich Walwei in den WSI-Mitteilungen). Damals sank die Beschäftigung vor allem im Verarbeitenden Gewerbe – und auch das eher vorübergehend. Demgegenüber stieg die Zahl der Erwerbstätigen in denjenigen Dienstleistungsbereichen nahezu unvermindert an, in denen atypische Erwerbsformen besonders häufig verbreitet sind.

Ganz anders in der Corona-Krise: Hier mussten Gaststätten, Hotels, Tourismus-, Kultur- und Sporteinrichtungen ganz oder teilweise schließen. Auch Wirtschaftsmessen konnten nicht mehr stattfinden. Inwieweit die dort Beschäftigten davon betroffen sind und welche Folgen sich für sie daraus ergeben, hängt von vielen Faktoren ab.

Neben der jeweiligen Branche und deren Betroffenheit von der Krise spielen weitere Faktoren für die Sicherheit der dortigen Arbeitsplätze eine bedeutende Rolle: Welche Kündigungsschutzregeln gelten im konkreten Fall? Welche Bedeutung haben Tarifverträge und betriebliche Mitbestimmung? Wie stark wird Kurzarbeit genutzt?

Ein weiterer Faktor für die Krisenbetroffenheit ist die Höhe der vormals erzielten Einkommen und die damit verbundene soziale Absicherung. Dabei macht es einen erheblichen Unterschied, ob die Betroffenen arbeitslosenversichert sind oder nicht. Der individuelle Haushaltskontext und die Regelungen der Grundsicherung spielen ebenfalls eine wichtige Rolle.

Die verschiedenen Erwerbsformen unterscheiden sich somit nicht nur mit Blick auf die Arbeitsplatzsicherheit, sondern auch im Hinblick auf die soziale Absicherung:

  • Unbefristete Beschäftigungsverhältnisse in oder nahe an der Vollzeit (oft auch als „Normalarbeitsverhältnisse“ bezeichnet) unterliegen jenseits von Kleinbetrieben dem Kündigungsschutz. Nach einer gewissen Beschäftigungsdauer erwerben die Beschäftigten einen Anspruch auf Arbeitslosengeld, der auch zum Bezug von Kurzarbeitergeld berechtigt.
  • Sozialversicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse ähneln hinsichtlich der Beschäftigungssicherheit und der sozialen Absicherung in vielfacher Hinsicht den Normalarbeitsverhältnissen. Allerdings fällt die Bemessungsgrundlage für das Arbeitslosen- und Kurzarbeitergeld je nach individuellem Umfang der Arbeitszeit geringer aus. Die Gefahr, dass die Betroffenen ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten können, weil die gezahlten Leistungen dafür nicht mehr ausreichen, ist hier im Schnitt deutlich größer. Allerdings hängt dies im konkreten Fall von der Haushaltssituation ab.
  • Beschäftigte mit Minijobs erwerben anders als sozialversicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigte keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld und können damit auch kein Kurzarbeitergeld beziehen. Zwar gilt der Kündigungsschutz auch für Minijobber, er wird aber angesichts des eher kleinen Beschäftigungsumfangs seltener eingefordert.
  • Die Arbeitsverträge in der Zeitarbeitsbranche unterliegen wegen der oft nur kurzen Vertragsdauer in vielen Fällen nicht dem Kündigungsschutz. Während die Zeitarbeitsbranche in der aktuellen Krise Kurzarbeit nutzen kann, besteht für Beschäftigte in der Zeitarbeitsbranche, die arbeitslos werden, aufgrund ihrer häufig nur kurzen Beschäftigungsdauer oft kein oder nur ein zeitlich sehr begrenzter Anspruch auf Arbeitslosengeld.
  • Bei befristet Beschäftigten hängt das Niveau der sozialen Absicherung, insbesondere durch die Arbeitslosenversicherung, von der vorherigen Beschäftigungsbiografie ab. Das Arbeitsplatzrisiko ist naturgemäß deutlich höher als bei unbefristet Beschäftigten, denn sie laufen gerade in Krisenzeiten Gefahr, dass ihr Arbeitsvertrag nicht verlängert wird.
  • (Solo-)Selbstständige tragen in Krisenzeiten insgesamt die größten Risiken, insbesondere, wenn ihnen wie im Lockdown massiv Einnahmen wegbrechen. Arbeitsrechtliche Regelungen sind für sie nicht anwendbar, eine Absicherung gegenüber Einkommensausfällen besteht in vielen Fällen nicht (lesen Sie dazu auch den IAB-Kurzbericht 11/2020). Sie haben zudem keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Falls sie über keine Rücklagen verfügen und nicht durch ein anderes Haushaltsmitglied mitversorgt werden können, sind sie letztlich auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen – soweit unter Berücksichtigung des erleichterten Zugangs im Rahmen der Pandemie ein Anspruch besteht.

Die Covid-19-Pandemie trifft die einzelnen Wirtschaftszweige sehr unterschiedlich

Um abschätzen zu können, wie stark atypisch Beschäftigte potenziell von der Krise betroffen sind, wird nachfolgend näherungsweise dargestellt, wie stark unterschiedliche Branchen unter der Krise leiden und wie groß dort jeweils der Anteil der atypisch Beschäftigten ist.

Ein probater Indikator für die Krisenbetroffenheit einer Branche ist der Umfang des von den Betrieben beantragten Kurzarbeitergeldes. Diese von der Bundesagentur für Arbeit geleistete Lohnersatzzahlung dient den Betrieben als Liquiditätshilfe und als Möglichkeit, ihre Belegschaft in wirtschaftlich schlechten Zeiten zu halten. Bereits in den Monaten März und April 2020 gingen etwa dreimal so viele Kurzarbeitsanzeigen ein als während der Finanzkrise 2009. Dabei wurde über alle Branchen hinweg mehr Kurzarbeit angemeldet als in der damaligen Finanzkrise.

Noch stärker als das Verarbeitende Gewerbe oder die exportorientierte Industrie ist diesmal das Gastgewerbe betroffen, das durch erzwungene Schließungen enorme Umsatzausfälle verzeichnet. Auch andere Dienstleistungsbranchen meldeten in der Corona-Krise erstmals in großem Stil Kurzarbeit an.

Die Eindämmungsmaßnahmen im November und Dezember 2020 gingen ebenfalls mit einer steigenden Zahl an Kurzarbeitsanzeigen einher. Das Niveau von März bis Mai 2020 wurde allerdings nicht erreicht. Erneut lagen das Gastgewerbe sowie die Bereiche Kunst, Unterhaltung und Erholung bei den Meldungen mit weitem Abstand an der Spitze. Das Verarbeitende Gewerbe, das im Frühjahr 2020 aufgrund unterbrochener Absatzkanäle und Lieferketten massive Produktionseinbußen zu verkraften hatte, muss inzwischen nur noch vereinzelt auf Kurzarbeit zurückgreifen (lesen Sie dazu auch einen im Mai 2020 publizierten Beitrag von Britta Gehrke und Enzo Weber im IAB-Forum).

Wie stark Wirtschaft und Arbeitsmarkt von der Covid-19-Krise in Mitleidenschaft gezogen werden, zeigt sich neben der angezeigten Kurzarbeit auch an den Zugängen in die Arbeitslosigkeit. Im April 2020 hatten sich über 100.000 Personen mehr aus der Beschäftigung heraus arbeitslos gemeldet als im gleichen Vorjahresmonat. Im Mai waren es immerhin noch fast 50.000 Personen mehr.

Hier zeichnet sich erneut eine deutlich ungünstigere Entwicklung als in der Finanzkrise 2008/2009 ab. Die Auswertungen von Britta Gehrke und Enzo Weber aus dem Jahr 2020 für den ersten Lockdown zeigen zudem, dass sich die Zugänge in Arbeitslosigkeit vorwiegend auf das Gastgewerbe konzentrierten. Hinweise darauf, welche Wirtschaftszweige in besonderer Weise betroffen sind, liefert außerdem die IAB-Betriebsbefragung „Betriebe in der Covid-19-Krise“. Für den Zeitraum des ersten Lockdowns bis Mai 2020 ebenso wie in den aktuellen Wellen bis April 2021 liegt das Gastgewerbe nach eigener Wahrnehmung in der Betroffenheit von der Krise weit vorne.

Die potenzielle Krisenbetroffenheit atypischer Erwerbsformen variiert von Branche zu Branche

Auf Basis der bisher skizzierten Entwicklungen zu Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit, die Aufschluss über die Krisenbetroffenheit der verschiedenen Wirtschaftszweige geben, und der Darstellung der Erwerbsformenstruktur in den einzelnen Branchen wird nachfolgend der erste Lockdown von März bis Juni 2020 als Referenzzeitraum für die potenzielle Krisenbetroffenheit der atypischen Erwerbsformen herangezogen.

Für den ersten Lockdown sind bereits belastbare Daten verfügbar, in welchem Umfang Kurzarbeit tatsächlich in Anspruch genommen wurde. Daher beziehen sich die folgenden Ausführungen auf diesen Zeitraum.

In Abbildung 2 werden die Anteile von atypischen Beschäftigungsverhältnissen (ohne Solo-Selbstständige und Zeitarbeit) und die realisierte konjunkturelle Kurzarbeit für einzelne Wirtschaftszweige dargestellt. Hier geht es also allein darum aufzuzeigen, in welchen Branchen atypisch Beschäftigte schwerpunktmäßig tätig sind, und wie stark einzelne Branchen im ersten Halbjahr 2020 von der Corona-Krise betroffen waren. Über die tatsächliche Entwicklung dieser Beschäftigungsformen ist damit noch nichts ausgesagt.

Das Streudiagramm zeigt die Anteile von Personen in Kurzarbeit und abhängig atypisch Beschäftigten nach Branchen im Jahr 2019. Es gliedert sich in vier Quadranten. In Quadrant I befindet sich die größte Zahl an Wirtschaftszweigen. Sie weisen sowohl einen geringen Anteil an Kurzarbeitenden als auch einen geringen Anteil an atypischer Beschäftigung auf. Beispiele sind Bergbau und Energieversorgung. In Quadrant II geht eine hohe Krisenbetroffenheit mit einem geringen Anteil an atypisch Beschäftigten einher. Dort befinden sich zwei Wirtschaftszweige: das Verarbeitende Gewerbe sowie Verkehr und Lagerei. In Quadrant III sind Wirtschaftszweige mit wenig Kurzarbeit, aber einem hohen Anteil an atypischer Beschäftigung verortet. Beispiels sind Erziehung und Unterricht sowie „Gesundheits- und Sozialwesen angesiedelt. In Quadrant IV sind Branchen mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil an Personen in Kurzarbeit und zugleich einem hohen Anteil an atypischer abhängiger Beschäftigung versammelt. Hier finden sich an der Spitze das Gastgewerbe und der Bereich Kunst/Unterhaltung/Erholung. Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Mikrozensus des Statistischen Bundesamts (Sonderauswertungen für das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung), eigene Berechnungen. © IAB

Insgesamt können auf dieser Basis vier Felder der Betroffenheit unterschieden werden:

  • Quadrant I: Hier befindet sich die größte Zahl an Wirtschaftszweigen. Sie weisen sowohl einen geringen Anteil an Kurzarbeitenden als auch einen geringen Anteil an atypischer Beschäftigung auf. Die unterproportionale Anzahl atypisch Beschäftigter in diesen Wirtschaftszweigen ist potenziell gering von der Krise betroffen. Hierzu zählen mit Ausnahme des Verarbeitenden Gewerbes alle Branchen des sekundären Sektors. Sie sind durch geringe Kurzarbeitsanzeigen und hohe Anteile an unbefristeter Vollzeitbeschäftigung gekennzeichnet. Der Bergbau (B), die Energieversorgung (D) und der Bereich Wasserversorgung/Abwasser/Abfall (E) verzeichnen die geringsten Anteile in der Kombination beider Aspekte.
  • Quadrant II: Hier geht eine hohe Krisenbetroffenheit – ablesbar an der überproportional hohen Zahl an Personen, für die Kurzarbeit angemeldet wurde – mit einem geringen Anteil an atypisch Beschäftigten einher. In diesem Quadranten befinden sich zwei Wirtschaftszweige: das Verarbeitende Gewerbe (C) sowie Verkehr und Lagerei (H). Parallel zur Wirtschaftskrise 2008/2009, die durch globale Nachfrageausfälle eine enorme Auswirkung auf die Exportindustrie hatte, war das Verarbeitende Gewerbe im ersten Halbjahr 2020 in beträchtlichem Ausmaß von Zulieferschwierigkeiten und globalen Nachfrageausfällen im Zuge der weltweiten Corona-Krise betroffen (lesen Sie hierzu auch den Beitrag von Britta Gehrke und Enzo Weber im IAB-Forum). An dieser Stelle sei allerdings darauf hingewiesen, dass in dieser Branche die Leiharbeit eine bedeutende Rolle spielt (nicht in der Abbildung). Sie ging insbesondere im Zuge des ersten Lockdowns stark zurück.
  • Quadrant III: Die hier verorteten Wirtschaftszweige weisen nur wenig Kurzarbeit, aber einen hohen Anteil an atypischer Beschäftigung auf. Damit kann man diesen Quadranten, zumindest für die Covid-19-Pandemie, als krisenrobust einschätzen. Denn hier sind unter anderem die systemrelevanten Bereiche „Erziehung und Unterricht“ (P) sowie „Gesundheits- und Sozialwesen“ (Q) angesiedelt. Deren hoher Anteil an atypischer Beschäftigung ist vorwiegend durch hohe Teilzeitquoten bedingt. Eine Krisenbetroffenheit ist in diesen Quadranten vor allem in den besonderen Belastungssituationen für die Beschäftigten zu sehen, weniger in bedrohten Jobs. Für den Bereich „Erziehung und Unterricht“ ist allerdings zu beachten, dass die dort stark eingesetzten freien Mitarbeiter und Honorarkräfte durch die Eindämmungsmaßnahmen mangels sozialer Absicherung zum Teil unter massiven Einkommensverlusten leiden.
  • Quadrant IV: Hier sind Branchen mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil an Personen in Kurzarbeit und zugleich einem hohen Anteil an atypischer abhängiger Beschäftigung versammelt. Gerade für Beschäftigte in diesen Branchen dürfte die Corona-Krise potenziell die größten Auswirkungen auf die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes haben. Hier findet sich an der Spitze das Gastgewerbe (I) und der Bereich Kunst/Unterhaltung/Erholung (R), die aufgrund der Eindämmungsmaßnahmen und Schließungen am stärksten durch die Pandemie beeinträchtigt werden. Abbildung 2 zeigt zudem, dass diese zwei Wirtschaftszweige neben der höchsten realisierten Kurzarbeit auch die höchsten Anteile an atypischer Beschäftigung aufweisen (zusammen mit den Sonstigen Dienstleistenden [S]). In beiden Fällen ist der Anteil an geringfügiger Beschäftigung sehr hoch. Beim Gastgewerbe macht allein die geringfügige Beschäftigung gut ein Viertel aller Beschäftigten aus. Weitere Branchen in diesem Quadranten sind der Handel (G), die „Sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen“ (N), die auch die Zeitarbeitsagenturen, Reisebüros oder Messeveranstalter beinhalten, „Sonstige Dienstleister“ (S), die beispielsweise Friseur- und Kosmetiksalons umfassen, sowie „Freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen“ (M). Gerade beim Handel kommen zwei problematische Faktoren zusammen: Der Anteil der Minijobs ist hoch. Zugleich war und ist der Handel sehr stark von den Lockdowns betroffen.

Fazit

Wirtschaftskrisen wirken asymmetrisch, denn sie belasten die jeweiligen Wirtschaftssektoren und die dort Beschäftigten in unterschiedlicher Weise. Daher sind auch die verschiedenen Erwerbsformen, die ja nicht gleichmäßig über Branchen hinweg verteilt sind, unterschiedlich stark betroffen. Während frühere Krisen eher die Produktion und damit vorwiegend unbefristete Vollzeit-Beschäftigungsverhältnisse und die Leiharbeit betrafen, schlägt die Corona-Krise mit Vehemenz bei den eher teilzeitaffinen und durch mehr Selbstständigkeit geprägten Dienstleistungsbereichen zu.

In der aktuellen Krise sind insbesondere diejenigen Beschäftigungsverhältnisse besonders unter Druck geraten, die mit einer eher schwachen Einkommenssicherung verbunden sind. Dies betrifft zum einen Minijobs, die in den von der Krise massiv betroffenen Bereichen wie der Gastronomie oder der Unterhaltungsbranche stark verbreitet sind. Dabei sind insbesondere Studierenden sowie Rentnerinnen und Rentnern mit geringen Altersbezügen wichtige Einnahmequellen verloren gegangen (lesen Sie dazu auch einen Beitrag von Silke Anger, Annette Trahms und Christian Westermeier im IAB-Forum). Durch die fehlende Arbeitslosenversicherung verlieren Mehrfachbeschäftigte und Paarhaushalte, in denen eine Person einen Minijob ausübt, beim Wegfall dieser Tätigkeit ihren gesamten Zusatzverdienst.

Hart getroffen werden außerdem Solo-Selbstständige, etwa im Kultur- und Veranstaltungsbereich, die in aller Regel weder Kurzarbeit noch Lohnersatzleistungen in Anspruch nehmen können. Sie sind daher bei massiven Einnahmeausfällen und ohne andere Einkünfte von anderen Haushaltsmitgliedern unmittelbar auf die Grundsicherung angewiesen, sofern sie nicht über ausreichende Rücklagen verfügen.

Darüber hinaus ist offen, wie es mit einigen der genannten Branchen nach der Krise weitergehen wird. Denn die Corona-Krise hat den Strukturwandel beschleunigt und damit bestimmte Wirtschaftsbereiche womöglich auf Dauer geschwächt. Gerade der zunehmende Online-Handel und der Aufwuchs bei den virtuellen Veranstaltungen könnte sich nachteilig auf die Beschäftigungsstrukturen etwa im Einzelhandel oder in der Hotellerie auswirken.

Die genannten Entwicklungen werfen schließlich Fragen nach der weiteren Ausgestaltung und sozialen Absicherung der verschiedenen Erwerbsformen auf. Bei möglichen Reformen ist allerdings zu beachten, dass neue Regulierungen zwar den Schutz von bereits Beschäftigten stärken, aber in Krisenzeiten und nachfolgenden Erholungsphasen den ohnehin schweren Zugang zum Arbeitsmarkt tendenziell schwächen können.

 

Erläuterungen zu den Erwerbsformen

  • Unbefristete Beschäftigte ≥ 31h: Unbefristete Beschäftigung mit einer Wochenarbeitszeit von 31 Stunden oder mehr
  • Teilzeitbeschäftigte < 32h: Teilzeitbeschäftigung mit weniger als 32 Stunden in der Woche ohne geringfügig Beschäftigte, aber mit befristet Beschäftigten und Leiharbeitsbeschäftigten in Teilzeit
  • Vollzeitnahe befristet Beschäftigte: Befristete Beschäftigungen mit einer Wochenarbeitszeit von 31 Stunden oder mehr
  • Geringfügig Beschäftigte: Ausschließlich geringfügig Beschäftigte
  • Personen in Sondererwerbsformen: Auszubildende, Wehr- und Zivildienstleistende, mithelfende Familienangehörige sowie Personen ohne Angabe zur Arbeitszeit und/oder zur Fristigkeit des Arbeitsvertrages
  • Beschäftigte in der Leiharbeit können nicht nach Wirtschaftsabschnitten identifiziert werden.

Daten und Methoden

Die Verteilung der Erwerbstätigen auf die Erwerbsformen nach Wirtschaftsabschnitten stammt aus einer Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes für das IAB auf Basis des Mikrozensus 2019.

Zur Bestimmung der Krisenbetroffenheit einzelner Wirtschaftsabschnitte wurden zum einen die endgültigen Daten zu Kurzarbeitenden und zum anderen die Zugänge in Arbeitslosigkeit aus Beschäftigung nach Wirtschaftsabschnitten über März bis Juni 2020 kumuliert und deren Anteil an der Anzahl an sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten (Stand: Februar 2020) errechnet. Diese Daten stammen aus der Arbeitsmarktberichterstattung der Bundesagentur für Arbeit. Aufgrund der unterschiedlichen Abgrenzung des Betriebsbegriffs in diesen Statistiken können sich leichte Unschärfen ergeben, die aber vor allem bei tieferer regionaler sowie wirtschaftsfachlicher Gliederung zutage treten.

Quellen

Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2020a): Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte und Personen in Anzeigen zur konjunkturellen Kurzarbeit nach Wirtschaftsabschnitten (Sonderauswertung für das IAB)

Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2020b): Zugang in Arbeitslosigkeit aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung am 1. Arbeitsmarkt nach Wirtschaftsabschnitten (Sonderauswertung für das IAB)

Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2021a): Angezeigte Kurzarbeit (§96 SGB III) – wirtschaftsfachliche Gliederung (Monatszahlen). Nürnberg.

Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2021b): Realisierte Kurzarbeit. Nürnberg.

Literatur

Anger, Silke; Trahms, Annette; Westermeier, Christian (2020):  Die Erwerbstätigkeit von Rentnerinnen und Rentnern zwischen Wunsch und Wirklichkeit. In: IAB-Forum, 31.07.2020.

Gehrke, Britta; Weber, Enzo (2020):  Kurzarbeit, Entlassungen, Neueinstellungen: Wie sich die Corona-Krise von der Finanzkrise 2009 unterscheidet. In: IAB-Forum, 28.05.2020.

Jahn, Elke; Oberfichtner Michael (2020): Freiwillige Arbeitslosenversicherung: Nur wenige Selbstständige versichern sich gegen die Folgen der Arbeitslosigkeit. IAB-Kurzbericht Nr. 11.

Walwei, Ulrich (2021): Erwerbsformen in Krisenzeiten: Was folgt aus Corona? In: WSI-Mitteilungen, Jg. 74, Heft 2, S. 151–159.

Sperber, Carina; Giehl, Daniel; Walwei, Ulrich (2021): Warum die Corona-Krise atypisch Beschäftigte besonders stark trifft, In: IAB-Forum 5. Mai 2021, https://www.iab-forum.de/warum-die-corona-krise-atypisch-beschaeftigte-besonders-stark-trifft/, Abrufdatum: 26. April 2024