Seit vielen Jahren versucht Deutschland aufgrund des zunehmenden Fachkräftemangels hochqualifizierte Zuwandernde anzuziehen. Deutschland konkurriert hierbei nicht nur mit anderen Zielländern mit vergleichbarem Fachkräftemangel, sondern auch mit den Auswanderungsländern selbst. Einige Staaten, die vom Wegzug einheimischer Fachkräfte betroffen sind, versuchen diese zur Rückkehr ins Heimatland zu bewegen. Sie locken unter anderem mit hohen Steuerermäßigungen für Rückkehrende, wie sie beispielsweise Italien im Jahr 2010 eingeführt hat – mit nicht unerheblichem Erfolg.

Die Anwerbung und Bindung hochqualifizierter Arbeitskräfte hat für die meisten europäischen Länder hohe Priorität. Während insbesondere südeuropäische Staaten mit einem anhaltenden „Brain drain” zu kämpfen haben, sehen sich Länder wie Deutschland mit einem zunehmenden Mangel an qualifizierten Arbeitskräften konfrontiert und fürchten um deren erfolgreiche Anwerbung und Bindung.

Mehrere europäische Länder haben Steuervergünstigungen für hochqualifizierte Ausländer oder einheimische Auswanderer eingeführt, um diese anzuwerben. Dänemark beispielsweise etablierte 1991 ein System, das sich an gut verdienende ausländische Beschäftigte mit einem Bruttogehalt von mindestens 100 000 Euro pro Jahr richtete. Im Rahmen dieser Regelung wurde der Lohnsteuersatz für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren auf einen Pauschalsatz von rund 30 Prozent gesenkt. 2012 haben die Niederlande eine steuerliche Vorzugsregelung für ausländische Arbeitskräfte mit einem Mindestgehalt von 35 000 Euro jährlich eingeführt. Italien und Portugal wiederum führten 2010 beziehungsweise 2015 steuerliche Anreize zur Rückkehr ausgewanderter Staatsbürger*innen ein. Die tatsächlichen Auswirkungen des in Italien eingeführten „Legge Controesodo“ auf die Zahl der Rückkehrenden werden im Folgenden näher analysiert.

Wie beeinflussen Länder mit Hilfe von Steuersystemen die Standortentscheidungen mobiler Arbeitnehmer*innen? Volkswirtschaftlichen Studien zufolge sind die Einkommensunterschiede zwischen den Ländern eine wichtige Determinante für Migrationsentscheidungen – neben anderen monetären und nicht monetären Faktoren. Niedrigere Einkommenssteuern in einem Land erhöhen das individuelle Nettoeinkommen und können folglich dieses Land im Vergleich zu anderen Staaten wieder attraktiver für im Ausland arbeitende Arbeitskräfte machen. Auch Steuervergünstigungen, die von den Herkunftsländern eingeführt werden, können das Heimatland für ausgewanderte Arbeitskräfte gegenüber anderen Ländern wieder attraktiver machen.

Deutschland ist eines der wichtigsten Zielländer für hochqualifizierte italienische Arbeitskräfte

Unter den verschiedenen Steuerregelungen, die in den letzten Jahrzehnten von mehreren europäischen Ländern eingeführt wurden, ist der italienische Steuernachlass für Rückkehrende gerade für Deutschland relevant. Seit der Großen Rezession im Jahr 2009 ist Deutschland zu einem der wichtigsten Zielländer für hochqualifizierte Italiener*innen geworden, die Deutschland zunehmend anderen Staaten wie den USA oder der Schweiz vorziehen. Im letzten Berichtsjahr (2018) sind mehr als 6 000 hochqualifizierte italienische Fachkräfte nach Deutschland ausgewandert (siehe Abbildung 1). Eine Politik, die die Rückkehr dieser Arbeitskräfte in ihr Heimatland begünstigt, könnte also erhebliche Auswirkungen auf die betroffenen deutschen Unternehmen und deren Beschäftigte haben.

Abbildung 1 zeigt jeweils die Anzahl der italienischen Staatsbürger im Alter von 23 bis 64 Jahren, die mindestens über einen (Real-)Schulabschluss verfügen und von 2006 bis 2018 ausgewandert sind. Ab 2011 zeigt die Abbildung einen drastischen Anstieg der Auswanderungsquote absteigend nach Großbritannien, Deutschland, die Schweiz, Frankreich und die USA. Großbritannien war 2013 mit rund 6000 und 2016 mit dem Höchstwert von 9000 italienischen Auswanderern das attraktivste Zielland. Deutschland folgt als zweitattraktivstes Zielland mit seinem Höchstwert von etwas über 6000 in 2016. Die Quelle besteht aus eigenen Berechnungen des Autors auf Basis von Istat-Daten.

Damit ändern sich potenziell auch die Erwerbsperspektiven sowohl der Rückkehrenden als auch der in Deutschland Verbleibenden. Hier sind insbesondere zwei Szenarien denkbar:  Sind es vor allem Besserverdienende, die Deutschland verlassen, weil sie von der Steuerersparnis in Italien stärker profitieren? Oder kehren eher die Geringverdienenden Deutschland den Rücken, weil sie hierzulande unterbeschäftigt oder nicht ihrer Qualifikation entsprechend beschäftigt sind, aber in Italien – dank des dort verbesserten Matchings und eben der Steuerersparnis – ein ähnliches Nettoeinkommen erzielen können. Wenn letzteres Szenario vorherrscht, kann die Steuerregelung das durchschnittliche Matching zwischen den in Deutschland verbleibenden Arbeitskräften und den Unternehmen verbessern.

Wenn die deutsche Politik gegensteuern will, sollte sie sich mit der konkreten Ausgestaltung dieser steuerlichen Maßnahmen genau vertraut machen, um abschätzen zu können, inwieweit diese die hier tätigen italienischen Arbeitskräfte zur Rückkehr in ihr Heimatland veranlassen können. Denn die Regelung beeinflusst maßgeblich die relative Attraktivität des deutschen Arbeitsmarktes für diese Zielgruppe.

Erhebliche Senkung der Einkommensteuersätze für Rückkehrer

Im Dezember 2010 führte Italien mit dem Gesetz 238/2010 „Controesodo” („Gegen Abwanderung”) die erste Steuervergünstigung für zugewanderte Arbeitskräfte ein. Diese gewährt hochqualifizierten Rückkehrenden und anderen Arbeitsmigrant*innen, sofern diese seit mindestens zwei Jahren in Italien leben, eine großzügige Einkommensteuerermäßigung. Dank der Neuregelung zahlen die Anspruchsberechtigten für bis zu fünf Jahre deutlich niedrigere Einkommenssteuern: Konkret sind nur 25 Prozent ihres Arbeitseinkommens steuerpflichtig, was einer Senkung ihres Durchschnitts- und Grenzsteuersatzes bei der Einkommenssteuer um 30 Prozentpunkte entspricht (siehe unten). Allerdings profitieren nur Hochschulabsolvent*innen, die nach 1968 geboren wurden, von der Reform. In einer 2023 erschienenen Studie haben die Autoren dieses Beitrags untersucht, inwieweit diese steuerlichen Anreize zur Rückwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte von Deutschland nach Italien beigetragen haben (zur Methodik siehe Infokasten).

Die Analysen auf Basis italienischer Registerdaten zeigen, dass dank der Steueranreize deutlich mehr junge und hochqualifizierte Arbeitskräfte nach Italien zurückgekehrt sind als vorher (siehe Abbildung 2). Nach der Einführung der Steuervergünstigung stieg die Zahl der Rückkehrenden aus dem Ausland in allen Alterskohorten der förderfähigen Gruppe – also der Hochschulabsolvent*innen, die nach 1968 geboren wurden. Insgesamt kehrten nach Einführung der Steuerreform durchschnittlich etwa 2000 Personen zusätzlich pro Jahr zurück. Das entspricht einem Anstieg der Rückkehrquote von 27 Prozent. Der Großteil der Hochqualifizierten kehrte aus europäischen Ländern zurück, insbesondere aus Deutschland, dem Vereinigten Königreich und der Schweiz.

Abbildung 2 zeigt die Anzahl der italienischen Rückwanderer nach Geburtsjahrgang von 1954 bis 1984. Abbildung 2a zeigt die Anzahl der italienischen Rückwanderer im Zeitraum von 2006 bis 2010, also vor der Steuerreform. Die Steuerreform betrifft die Jahrgänge nach 1968. Die Anzahl der zwei Qualifikationsniveaus unterscheiden sich wenig und fallen ab dem Jahrgang 1974. Hier liegt der Höchstwert bei den Jahrgängen zwischen 1972 und 1975 mit ca. 800. Abbildung 2b zeigt die Anzahl der italienischen Rückwanderer im Zeitraum von 2012 bis 2016, also nach der Steuerreform. Hier kann man einen drastischen Anstieg der Anzahl an italienischen Rückwanderern begutachten, die von der Steuerreform betroffen sind. So kann man sehen, dass die Rückwandererzahl ab dem Jahrgang 1969 stetig steigt und sich eine Schere zwischen den Qualifikationsniveaus öffnet. So ist der Jahrgang 1983 mit ca. 1.100 der rückwanderungsreichste der Abbildung. Die Quelle beruht auf Ausarbeitungen des Autors auf der Grundlage von istat-Daten.

Entsprechend gestiegen ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass hochqualifizierte Italiener*innen aus den jüngeren Alterskohorten, die in Deutschland arbeiten, wieder nach Italien zurückkehren. Die Wahrscheinlichkeit der Abwanderung aus Deutschland stieg um 0,5 Prozentpunkte (siehe Abbildung 3). Das entspricht einem Zuwachs von 21 Prozent im Vergleich zu der Zeit vor der Reform.

Allerdings waren die Auswirkungen je nach betrachteter Untergruppe unterschiedlich stark (siehe Abbildung 3). So kehrten insbesondere jene Hochqualifizierten nach Italien zurück, die in Betrieben mit 10 bis 99 Beschäftigten tätig waren. Das Gleiche gilt für Beschäftigte in der IT- und Kommunikationsbranche sowie im Gesundheitssektor. Auch Geringverdienende kehrten überproportional häufig zurück. Dies steht im Einklang mit der eingangs formulierten Hypothese, wonach steuerliche Anreize vor allem jene Arbeitskräfte zur Rückkehr in ihr Heimatland bewegen, die in den Zielländern unterbeschäftigt oder nicht ihrer Qualifikation entsprechend beschäftigt sind.

Abbildung 3 zeigt die Auswirkungen der italienischen Steuervergünstigung für Rückwanderer auf den deutschen Arbeitsmarkt. Die Stichprobe besteht aus italienischen Staatsbürgern, die zwischen 1954 und 1983 geboren wurden, mindestens einen Schulabschluss haben und zwischen 2006 und 2017 mindestens einmal in Deutschland beschäftigt waren. Als Untergruppen werden die Lohngruppen Beschäftigtenanzahl und Wirtschaftssektoren betrachtet. Im Durchschnitt erhöhte sich die Rückkehrwahrscheinlichkeit eines in Deutschland tätigen italienischen Auswanderers in Folge der italienischen Steuerreform um 0,5 %-Punkte. Die Auswirkungen waren je nach betrachteter Untergruppe unterschiedlich. So kann man bspw. sehen, dass insbesondere Hochqualifizierte, die in Unternehmen mit 10 bis 99 Beschäftigte tätig waren, zurückkehren. Dies gilt auch für den IT- und Kommunikationssektor sowie den Gesundheits- und Sozialsektor. Die Quelle besteht aus integrierten Erwerbsbiografien (IEB).

Fazit

Angesichts des Fachkräftemangels haben einige europäische Länder steuerliche Anreize eingeführt, um hochqualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland zu gewinnen. Umgekehrt versuchen deren Herkunftsländer, diese ebenfalls durch entsprechende Anreize zur Rückkehr zu bewegen.

So gelang es Italien, mit der 2010 eingeführten „Legge Controesodo” deutlich mehr hochqualifizierte Landsleute zurückzuholen. Dadurch verringerte sich auch die Zahl der hochqualifizierten Italiener*innen auf dem deutschen Arbeitsmarkt, wenn auch nicht für alle Untergruppen gleichermaßen stark. So blieben italienische Hochschulabsolvent*innen, die hierzulande überdurchschnittlich gut verdienen – und demnach besonders gut in den deutschen Arbeitsmarkt integriert sein dürften – mit höherer Wahrscheinlichkeit in Deutschland.

Auch wenn es in Folge der neuen Steuerregelungen bislang nicht zu einer vermehrten Abwanderung von hochqualifizierten Arbeitskräfte aus Italien kam, könnte die Reform dennoch die Zahl der hochqualifizierten Arbeitskräfte steigern, die einen Umzug nach Deutschland oder andere Länder zumindest in Erwägung ziehen. Denn diese würden bei ihrer Rückkehr nach Italien ebenfalls von den Vorzugsregelungen profitieren. Nichtsdestotrotz dürfte von diesen zumindest ein Teil dennoch im Zielland bleiben.

Als potenzielles Zielland sollte Deutschland den Folgen von Steueranreizen, die in den Herkunftsländern oder auch in anderen Zielländern eingeführt werden, große Aufmerksamkeit schenken. So sollten rechtzeitig Maßnahmen in Betracht gezogen werden, um die im Land bereits arbeitenden Fachkräfte hier zu halten. Daher sollten Arbeitgeber in Deutschland und anderen Zielländern insbesondere qualifizierten Zuwandernden bessere Arbeitsbedingungen und Karrieremöglichkeiten bieten.

Länderspezifische Steueranreize für hochqualifizierte Arbeitskräfte bergen die Gefahr eines Überbietungswettbewerbs, wenn immer mehr Staaten diese einführen. Während Deutschland und andere Zielländer von dieser Zuwanderung profitieren, spüren gerade die Gesellschaften und Volkswirtschaften südeuropäischer Länder die negativen Folgen der Abwanderung. Daher sollten sich die Regierungen der Zielländer bewusst machen, dass der Wettbewerb um Talente sowohl Gewinner als auch Verlierer produziert. Die Kosten dieses Wettbewerbs werden zunehmen, wenn sich die Länder auf einen Wettlauf um Fachkräfte einlassen. Eine aus globaler Sicht wünschenswertere Lösung bestünde darin, einen fairen Wettbewerb um hochqualifizierte Arbeitskräfte zu fördern, bei dem die Vorteile länderübergreifender Arbeitsmigration weniger einseitig zwischen den Ländern verteilt sind, als dies bisher der Fall ist.

Das Studiendesign

Zur Berechnung der Unterschiede zwischen den „förderungswürdigen“ und den „nicht förderungswürdigen“ italienischen Auswanderergruppen vor und nach der Reform (Differenz-in-Differenz-Ansatz) wurden zwei Förderungsvoraussetzungen kombiniert – Bildung und Geburtsdatum. Die förderfähige Gruppe ⎼ Italiener*innen, die im Ausland arbeiten, einen Hochschulabschluss (mindestens dreijähriger Besuch einer Hochschule) erworben haben und am oder nach dem 1. Januar 1969 geboren sind, hat ab 2011 Zugang zu der neuen Steuerregelung für Rückkehrende, während alle anderen italienischen Auswandernden von dem neuen Steuergesetz nicht betroffen sind.

Damit sich die Vergleichsgruppe und die förderfähige Gruppe so sehr ähneln wie möglich, wurden nur Hochschulabsolvent*innen, die vor dem 1. Januar 1969 geboren wurden und Abiturient*innen, die am oder nach dem 1. Januar 1969 geboren wurden, einbezogen.

Damit sich die Vergleichsgruppe und die förderfähige Gruppe so sehr ähneln wie möglich, wurden nur Hochschulabsolvent*innen, die vor dem 1. Januar 1969 geboren wurden, und Abiturient*innen, die am oder nach dem 1. Januar 1969 geboren wurden, einbezogen.

Um die Auswirkungen der Steuerregelung auf die Rückkehrentscheidung hochqualifizierter Arbeitskräfte besser darzustellen, wurden zwei ergänzende Perspektiven eingenommen. Erstens wurden detaillierte Wanderungsstatistiken des italienischen Statistikamtes (Istat) herangezogen, um die Auswirkungen der Steuerregelung auf die Rückkehrquoten italienischer Arbeitnehmer*innen unabhängig vom Zielland zu untersuchen. Zweitens wurden die Erwerbsbiografien der italienischen Arbeitnehmer*innen in Deutschland (Daten des IAB) verwendet, um die Auswirkungen der Steuerregelung auf die Wahrscheinlichkeit zu untersuchen, mit der italienische Beschäftigte, die von den Gesetzesänderungen profitieren können, den deutschen Arbeitsmarkt verlassen. Die präzisen Individualdaten der deutschen Sozialversicherung zu Löhnen, Unternehmen und Berufen erlaubten es zudem, die Auswirkungen der von Italien verabschiedeten Steuerregelung für unterschiedliche Beschäftigtenuntergruppen zu untersuchen.

 

Bild: Alina Rosanova/stock.adobe.com

DOI: 10.48720/IAB.FOO.20240410.02

Bassetto, Jacopo; Ippedico, Ph.D., Guiseppe (2024): Rückkehrmigration am Beispiel Italiens: Steueranreize zeigen Wirkung, In: IAB-Forum 10. April 2024, https://www.iab-forum.de/rueckkehrmigration-am-beispiel-italiens-steueranreize-zeigen-wirkung/, Abrufdatum: 29. April 2024