Die jüngste Befragungswelle des IAB-Betriebspanels stand 2021 im Schatten der Covid-19-Pandemie, genauso wie im Vorjahr 2020. Die Antworten der Betriebe in diesen beiden Jahren erlauben nun interessante Rückschlüsse darauf, wie sich die Pandemie auf die Geschäftstätigkeit in Deutschland ausgewirkt hat. Ein Forschungsteam unter Beteiligung des IAB hat diese Erkenntnisse in einem aktuellen IAB-Forschungsbericht veröffentlicht. Die Redaktion des IAB-Forums hat bei Emanuel Bennewitz und Barbara Schwengler nachgefragt.

Sie haben die Geschäftstätigkeit der Betriebe in den beiden Pandemiejahren mit dem Jahr 2019 verglichen, also dem Jahr unmittelbar vor der Pandemie. Welches Ergebnis hat Sie dabei überrascht?

Porträtfoto Emmanuel Bennewitz

Emanuel Bennewitz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Technologietransfer an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes.

Emanuel Bennewitz: Wir wussten vorher schon, dass mit dem Beginn der Covid-19-Pandemie im Jahr 2020 die Geschäftstätigkeit der Betriebe deutlich zurückgegangen ist. Oder, um es noch deutlicher auszudrücken, viele Betriebe in eine Schockstarre verfallen sind. Überrascht waren wir davon, wie stark auch im Jahr 2021 bestimmte Branchen wirtschaftlich von der Pandemie betroffen waren.

Auch zwischen den Betrieben gab es dementsprechend große Unterschiede. Zum Beispiel sahen wir bei den Betrieben, die nicht von der Pandemie betroffen waren, weiter Beschäftigungswachstum. Bei den negativ betroffenen Betrieben ist die Beschäftigung dagegen erkennbar geschrumpft.

Der Blick in die Zukunft, also die Erwartungen der Betriebe, war aber im Jahr 2021 positiv.  Die Mehrheit ging von einer zumindest gleichbleibenden, wenn nicht sogar von einer steigenden Umsatz- und Beschäftigungsentwicklung im Laufe des folgenden Geschäftsjahres aus. Wobei man sagen muss, dass zu diesem Zeitpunkt niemand den Ukraine-Krieg und die Energiekrise vorhersehen konnte.

Welche Betriebe waren am stärksten von der Pandemie betroffen?

Barbara Schwengler

Barbara Schwengler ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsbereich „Betriebe und Beschäftigung“ am IAB.

Barbara Schwengler: Es waren insbesondere kleinere Betriebe. Mit Blick auf die unterschiedlichen Branchen hat es vor allem den Bereich Beherbergung und Gastronomie sowie die übrigen personennahen Dienstleistungen getroffen. Von diesen waren besonders viele nach eigenen Angaben wirtschaftlich derart negativ von der Pandemie betroffen, dass dies existenzbedrohende Ausmaße annahm.

In den beiden genannten Branchen gab es nicht nur in vielen Betrieben Kurzarbeit. Die Pandemie hat für eine deutlich negative Beschäftigungsentwicklung gesorgt. Zudem hat sich dort der Anteil der Betriebe, die ein positives Geschäftsergebnis erwirtschaften konnten, deutlich verringert.

Wie hat sich die Situation der Betriebe insgesamt über die zwei Pandemiejahre entwickelt?

Bennewitz: Pauschal lässt sich diese Frage nicht beantworten. Je nach Wirtschaftsbereich gab es Betriebe, die sich in der Covid-19-Pandemie positiv oder negativ entwickelt haben. Auch zielen viele Kennziffern zur wirtschaftlichen Situation auf das zuletzt abgeschlossene Geschäftsjahr ab, also auf das Geschäftsjahr 2020. Ein komplettes und eindeutiges Bild für die zwei Corona-Jahre 2020 und 2021 ergibt sich demnach noch nicht. Im Gesamtsaldo deutet sich aber an, dass sich die wirtschaftliche Situation der Betriebe eingetrübt hat. So hatte sich der Anteil der Betriebe, die einen Profit erwirtschaften konnten, im zurückliegenden Geschäftsjahr 2020 deutlich reduziert und war so niedrig wie niemals zuvor in den zehn Jahren vor der Pandemie.

Schwengler: Neben diesen negativen Entwicklungen konnten wir aber auch sehen, dass im Durchschnitt über alle Betriebe die Exportquote des Geschäftsjahres 2020 auf dem Niveau des Geschäftsjahres 2019 gehalten wurde und die Arbeitsproduktivität sogar gestiegen ist.

Die Betriebe haben in dieser ungewissen Zeit vor allem versucht, die vorhandenen Fachkräfte zu halten.

Ein Thema, das viele Betriebe in den Jahren bis 2019 umtrieb, war der hohe Bedarf an Fachkräften. Davon war in den Pandemiejahren deutlich weniger zu hören. Wie stark hatte die Pandemie das Thema „Fachkräftemangel“ in den Hintergrund gedrängt?

Schwengler: Mit dem Beginn der Covid-19-Pandemie ist nicht nur der Anteil der Betriebe, die Fachkräfte nachgefragt haben, sondern auch die Zahl der nachgefragten Fachkräfte insgesamt deutlich zurückgegangen. Die Betriebe haben in dieser ungewissen Zeit vor allem versucht, die vorhandenen Fachkräfte zu halten. Dies erkennen wir an der nach wie vor niedrigen Personalfluktuation in den Betrieben. Das heißt, viele Betriebe haben im Vergleich zu der Zeit vor der Pandemie nicht nur stärker an ihren vorhandenen Fachkräften festgehalten. Sie haben leider auch aufgehört, neue Fachkräfte einzustellen.

Während die Pandemie in anderen Bereichen, wie zum Beispiel dem Homeoffice, Veränderungen beschleunigt hat, hat sie beim Fachkräftethema zu einer Entschleunigung beigetragen. Allerdings denken wir, dass es sich lediglich um einen temporären Effekt handelt. Die aktuellen Ergebnisse aus dem IAB-Betriebspanel zeigen, dass der Fachkräftebedarf wieder angezogen hat. Und dass das Thema Fachkräfteengpässe weiterhin brisant bleibt, zeigt der hohe Anteil an Fachkräftestellen, die die Betriebe angeboten haben, aber nicht besetzen konnten. Dieser Anteil liegt bedauerlicherweise bereits jetzt wieder annähernd auf dem Niveau von 2019.

Gerade bei der betrieblichen Weiterbildung kam es zu dramatischen Einbrüchen.

Lockdowns, unterbrochene Lieferketten, Kurzarbeit: In den beiden Pandemiejahren gab es in vielen Betrieben Leerlauf, ohne dass offenbar in großer Zahl Personal entlassen wurde. Wäre das nicht eine Chance für betriebliche Weiterbildungen gewesen?

Bennewitz: Ja, in der Tat, den Leerlauf hätte man eigentlich gut für die betriebliche Weiterbildung nutzen können. Die Realität sah leider deutlich anders aus. Gerade bei der betrieblichen Weiterbildung kam es zu dramatischen Einbrüchen. Ich denke, hierfür dürften zwei Gründe ausschlaggebend gewesen sein: Auf der einen Seite mussten die Betriebe in Deutschland Kosten reduzieren, um den weggebrochenen Umsatz auszugleichen und eben nicht Personal entlassen zu müssen. Hier scheint es so, als hätten die Betriebe gerade auf Investitionen in die Qualifikation ihrer Beschäftigten verzichten müssen. Der andere Grund ist natürlich ganz klar in der Pandemie selbst zu finden. Die Durchführung von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen war aufgrund der Kontaktbeschränkungen nicht oder nur eingeschränkt möglich. Dies gilt stärker für 2020 als für 2021.

Schwengler: In Hinblick auf die Digitalisierung zeigen unsere Ergebnisse aber, dass die Betriebe diese bei der betrieblichen Weiterbildung gezielt nutzen konnten. Wir sehen, dass unter den Betrieben, die noch Weiterbildung anboten, nicht nur die Nutzung digitalisierter Weiterbildungsformate deutlich zugenommen hat. Für sie scheinen auch die Vorteile dieser Formate die Nachteile zu überwiegen.

Aber insgesamt hat sich das Weiterbildungsgeschehen auch 2021 nicht erholt?

Bennewitz: Das stimmt. Während wir zum Beispiel beim Fachkräftebedarf wieder eine Kehrtwende beobachten konnten, blieb das Weiterbildungsgeschehen nach dem dramatischen Rückgang im Jahr 2020 auch 2021 beinahe unverändert niedrig.

Warum ist das so?

Bennewitz: Wahrscheinlich waren noch immer die gleichen Kräfte am Werk, die ein Jahr zuvor zu den starken Rückgängen geführt haben: die Notwendigkeit, Kosten zu reduzieren, und Schwierigkeiten bei der Durchführung von Weiterbildungsmaßnahmen. Dies könnte sich entsprechend negativ auf den gesamten Weiterbildungsbedarf ausgewirkt haben. Ein weiterer Grund ist, wie andere Forschungsergebnisse aus dem IAB zeigen, dass die finanziellen Anreize, Kurzarbeit und Weiterbildung zu verknüpfen, 2021 nicht zum Tragen kamen. Interessant ist in diesem Zusammenhang daher, wie sich die Weiterbildung in den nächsten Jahren entwickelt. Denkbar wäre ein starker Anstieg der Weiterbildungsaktivitäten der Betriebe wie nach der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009.

Sehr viele Betriebe planen, nach dem Ende der Covid-19-Pandemie den aktuellen Umfang der Mobilarbeit entweder beizubehalten oder sogar zu erhöhen.

Auch wenn die Covid-19-Pandemie irgendwann vorbei sein wird: Gibt es Veränderungen im Betriebsleben aus dieser Zeit, die bleiben werden?

Schwengler: Die Fortschritte in der Digitalisierung der Weiterbildung habe ich ja schon erwähnt. Außerdem gehen wir davon aus, dass das Homeoffice weiterhin sehr beliebt sein wird. Sehr viele Betriebe planen, nach dem Ende der Pandemie den aktuellen Umfang der Mobilarbeit entweder beizubehalten oder sogar zu erhöhen. Das hängt natürlich immer von den gegebenen Möglichkeiten ab. Je nach Branche ist es mehr oder weniger möglich, Tätigkeiten auch im Homeoffice zu verrichten. Hier warten wir schon gespannt auf die Ergebnisse der diesjährigen Befragungswelle, die zeigen werden, ob es Veränderungen in Bezug auf das Homeoffice gegeben hat. Klar ist aber heute schon, dass sich das Betriebsleben durch den höheren Homeoffice-Anteil verändern wird. Das Büro als wichtigster Arbeitsort wird dadurch immer weiter zurückgedrängt. Dies hat Folgen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Flexibilisierung der Arbeit und die Kommunikation in den Betrieben. Und wenn Menschen theoretisch von überall arbeiten können, wird auch der Wettbewerb um Stellen dezentraler.

Literatur

Bennewitz, Emanuel; Klinge, Silke; Leber, Ute; Schwengler, Barbara (2022): Zwei Jahre Corona-Pandemie: Die deutsche Wirtschaft zwischen Krisenstimmung und Erholung – ein Vergleich der Jahre 2019 und 2021 – Ergebnisse des IAB-Betriebspanels, IAB-Forschungsbericht Nr. 20.

 

doi: 10.48720/IAB.FOO.20221111.01

Keitel, Christiane (2022): „Die Betriebe waren von der Pandemie höchst unterschiedlich betroffen“, In: IAB-Forum 11. November 2022, https://www.iab-forum.de/die-betriebe-waren-von-der-pandemie-hoechst-unterschiedlich-betroffen/, Abrufdatum: 27. April 2024