Betriebliche Weiterbildungsaktivitäten konnten in der Covid-19-Krise nicht mehr im gewohnten Umfang in Präsenz stattfinden. Dennoch hat etwa ein Sechstel der Betriebe sein Weiterbildungsengagement in der Krise gegen den allgemeinen Trend sogar verstärkt. Dies waren vor allem Betriebe mit guter Auftragslage und hohem E-Learning-Potenzial.

In der Covid-19-Krise gingen die betrieblichen Weiterbildungsaktivitäten erheblich zurück. Dies lag neben den Erfordernissen des Infektionsschutzes auch an der verschlechterten wirtschaftlichen Situation beziehungsweise der gestiegenen wirtschaftlichen Unsicherheit vieler Betriebe. Wie Ramona Jost und Ute Leber in einem Beitrag für das IAB-Forum aus dem Jahr 2021 gezeigt haben, waren davon nicht alle Branchen und Beschäftigten gleichermaßen betroffen. So nahmen vor allem geringqualifizierte Beschäftigte seltener an betrieblicher Weiterbildung teil als vor der Krise.

Zugleich hat die Hälfte der weiterbildenden Betriebe in der Krise E-Learning-Formate genutzt, um dem Einbruch der Weiterbildungsaktivitäten entgegenzuwirken. Im Folgenden wird aufgezeigt, inwieweit dies gelungen ist. Dabei zeigt sich: Nicht alle Beschäftigtengruppen haben gleichermaßen vom Ausbau der E-Learning-Formate profitiert.

Die Covid-19-Krise unterscheidet sich deutlich von früheren Krisen

Wie Simon Janssen und Ute Leber in einem 2021 erschienenen Beitrag für das IAB-Forum gezeigt haben, unterscheidet sich die Covid-19-Krise in ihrer Wirkung auf betriebliche Weiterbildungsaktivitäten von früheren Krisen, etwa der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009. Die Unternehmen setzten in der Covid-19-Kriese pandemiebedingt noch sehr viel häufiger Kurzarbeit ein als seinerzeit. Hierbei bot E-Learning Unternehmen eine Möglichkeit, Phasen der Kurzarbeit dafür zu nutzen ihre Beschäftigten weiterzubilden. Die Krise traf diesmal insbesondere die Dienstleistungsbranche, wo der Einsatz von E-Learning sehr viel häufiger als im produzierenden Gewerbe zu finden ist.

Die Betriebe sehen sich darüber hinaus mit einem immer schnelleren Wandel der Arbeitswelt konfrontiert, der sich durch den pandemiebedingten Digitalisierungsschub nochmal beschleunigt hat. Daher müssen die Unternehmen ihre Arbeitskräfte durch Weiterbildung befähigen, den stetig steigenden Anforderungen in der Arbeitswelt gerecht zu werden. Ein weiterer Unterschied zur Wirtschafts- und Finanzkrise besteht darin, dass es nun vielen Branchen möglich war, der Krise durch den verstärkten Einsatz von Homeoffice zu begegnen.

In diesem Kontext wurden auch E-Learning-Formate in der Covid-19-Krise massiv ausgebaut, um trotz pandemiebedingter Kontaktverbote betriebliche Weiterbildung zu ermöglichen. Aufschlussreich ist hier eine neue Betriebsbefragung des IAB (siehe Infokasten „IAB-IZA-ZEW-Betriebsbefragung ‚Arbeitswelt 4.0’“). Allerdings ist das betriebliche Potenzial zur Nutzung von E-Learning höchst unterschiedlich. Vor allem Betriebe, deren berufliche Strukturen Homeoffice ermöglichen, konnten das Potenzial von E-Learning während der Covid-19-Krise ausschöpfen und so weiterhin betriebliche Weiterbildungen durchführen.

Die Weiterbildungsbeteiligung ist während der Covid-19-Krise stark zurückgegangen

In den Jahren vor der Pandemie lag der Anteil der Beschäftigten, die sich betrieblich weitergebildet haben, im Mittel bei jährlich etwa 35 Prozent pro Betrieb (siehe Abbildung 1). Von 2019 auf 2020 brach dieser Wert um 8 Prozentpunkte ein. Auffällig: Eine Gruppe von Betrieben konnte ihre betrieblichen Weiterbildungsaktivitäten entgegen dem allgemeinen Trend sogar ausbauen. Dabei handelt es sich um Betriebe mit hohem E-Learning-Potenzial (zur Abgrenzung siehe Infokasten), bei denen sich zugleich die Auftragslage während der Covid-19-Krise verbessert hat.

Abbildung 1 zeigt den Anteil weitergebildeter Beschäftigter innerhalb von Betrieben mit verschiedenen Merkmalen für die Jahre 2016, 2019 und 2020. Eine Linie bildet die Entwicklung im Mittelwert über alle Betriebe ab. Der Anteil weitergebildeter Beschäftigter verzeichnete im Jahr 2020 einen Rückgang auf von 36 auf 28 Prozent. Dieser Einbruch kennzeichnet einen Großteil der Betriebe während der COVID19-Krise. Lediglich die Linie für den Anteil weitergebildeter Beschäftigter innerhalb von Betrieben mit hohem E-Learning-Potenzial, bei denen sich auch die Produktnachfrage während der COVID19-Krise positiv entwickelte zeigt keinen Rückgang im Jahr 2020. Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis der zweiten Welle der IAB-ZEW-Arbeitsmarkt 4.0-Betriebsbefragung.

Demgegenüber reduzierten Betriebe, die in der Covid-19-Krise zwar ebenfalls eine gute Auftragslage, aber nur wenig Potenzial für die Nutzung von E-Learning hatten, ihre Weiterbildungsaktivitäten deutlich. Die Weiterbildungsquote sank dort um 8 Prozentpunkte auf 25 Prozent. Anders als in früheren Krisen bot also eine gute Auftragslage allein keine Gewähr für ein stabiles betriebliches Weiterbildungsengagement. Dies unterstreicht die hohe Bedeutung des virtuellen Raums während der Covid-19-Krise auch für den Bereich der Weiterbildung.

E-Learning bleibt relevant – dies dürfte Ungleichheiten in der Weiterbildungsbeteiligung verstärken

Eine im IAB-Forum veröffentlichte Studie von Lutz Bellmann und anderen aus dem Jahr 2021 zeigt, dass ein Fünftel der Betriebe die „Homeofficeoption” nach Ende der Covid-19-Krise sogar ausbauen wollte. Darunter befinden sich vornehmlich Großbetriebe. Insgesamt ist davon auszugehen, dass sich die Möglichkeit zur Arbeit im Homeoffice und auch der Zugang zu E-Learning-Formaten für viele Beschäftigte weiter verbessern wird.

Hochqualifizierte Beschäftigte dürften diese Formate jedoch deutlich häufiger nutzen als geringqualifizierte. So war der Anteil der Akademiker*innen in Betrieben mit hohem E-Learning-Potenzial und guter Auftragslage während der Covid-19-Krise überproportional hoch (siehe Abbildung 2). Die Krise hat insoweit bereits bestehende Ungleichheiten bei der betrieblichen Weiterbildung verschärft, denn Hochqualifizierte hatten bereits vorher deutlich höhere Teilnahmequoten an betrieblicher Weiterbildung als Geringqualifizierte.

Abbildung 2 zeigt die Qualifikationsstruktur für 268 Betriebe mit den Merkmalen positive Produktnachfrage während der COVID19-Krise und hohes E-Learning Potential im Vergleich zu 1.287 anderen Betrieben. Dabei wird zwischen drei Qualifikationsniveaus unterschieden: kein Abschluss, beruflicher Abschluss und (Fach-)Hochschulabschluss. In zwei gestapelten Balken ist beispielsweise zu erkennen, dass 39 Prozent der Beschäftigten in Betrieben mit den Merkmalen positive Produktnachfrage während der COVID19-Krise und hohes E-Learning Potential einen (Fach-)Hochschulabschluss haben, wohingegen dieser Anteil bei den anderen Betrieben bei 22 Prozent liegt. Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis der zweiten Welle der IAB-ZEW-Arbeitsmarkt 4.0-Betriebsbefragung.

Fazit

Die Covid-19-Krise hat den deutschen Arbeitsmarkt vor weitreichende Herausforderungen gestellt. Da persönliche Kontakte möglichst vermieden werden mussten, waren auch Weiterbildungsaktivitäten in Präsenz stark eingeschränkt. Nur Betriebe, die in der Pandemie neben einer guten Auftragslage auch ein hohes E-Learning-Potenzial hatten, konnten ihre Weiterbildungsaktivitäten trotz der Krise ausbauen. In diesen Betrieben wiederum sind hochqualifizierte Beschäftigte stark überrepräsentiert.

Alle anderen Betriebe hingegen, in denen das Qualifikationsniveau im Schnitt niedriger ist, mussten ihre Weiterbildungsaktivitäten stark reduzieren. Die digitale Transformation von Weiterbildung birgt damit das Risiko, dass sich qualifikationsspezifische Ungleichheiten in der Weiterbildungsbeteiligung weiter verstärken.

IAB-IZA-ZEW-Betriebsbefragung „Arbeitswelt 4.0“

Die IAB-IZA-ZEW-Arbeitswelt-4.0-Befragung ist eine durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderte repräsentative Betriebsbefragung von knapp 3.000 deutschen Betrieben. An der Befragung sind neben dem IAB das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und das Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) beteiligt.

Die Erhebung ist die zweite Welle einer 2016 erstmals als IAB-ZEW-Arbeitswelt-4.0-Befragung durchgeführten Betriebsbefragung. Diese Welle wurde zwischen August 2021 und Juni 2022 durch das Befragungsinstitut uzbonn mittels computergestützter Telefoninterviews (CATI) erhoben. Im Zuge dieser Erhebung wurden die Betriebe auch nach ihren Weiterbildungsaktivitäten in den Jahren 2016, 2019 und 2020 befragt. Weiterführende Informationen können dem IAB-Kurzbericht 4/2023 entnommen werden.

Um die wirtschaftliche Lage eines Betriebs zu ermitteln, wurde gefragt, ob die Nachfrage nach angebotenen Leistungen während der Covid-19-Krise gesunken, gleichgeblieben oder gestiegen ist.

Zur Messung des E-Learning-Potenzials wurden die Betriebe danach befragt, ob sie in den vergangenen fünf Jahren zunehmend E-Learning für die Fort- und Weiterbildung genutzt haben. Für die Analyse wurden Betriebe, die der Aussage stark zustimmen und ein hohes Potenzial für Homeoffice aufweisen, als Betriebe „mit hohem E-Learning-Potenzial“ klassifiziert.

Das Potenzial für Homeoffice in den Betrieben wurde anhand eines Indexes von Jean-Victor Alipour und anderen aus dem Jahr 2023 gemessen. Im Rahmen dieser Studie wurden Beschäftigte gefragt, ob Homeoffice an ihrem Arbeitsplatz generell möglich ist. Diese Information wurde unter Verwendung von Berufscodes für das Jahr 2019 den Betrieben der IAB-IZA-ZEW-Arbeitswelt-4.0-Befragung zugeordnet. Betriebe mit einem unter- oder überdurchschnittlichen Wert werden als Betriebe mit geringem oder hohem „Homeoffice-Potenzial” kategorisiert.

In aller Kürze

  • Aufgrund der Covid-19-Krise hatte ein Großteil der Betriebe in Deutschland seine Weiterbildungsaktivitäten massiv reduziert.
  • Eine Ausnahme bilden Betriebe mit guter Auftragslage, die zugleich über ein großes Potenzial für den Einsatz von E-Learning verfügen. Diese Betriebe haben im Mittel besser qualifizierte Beschäftigte als andere Betriebe.
  • Der spezifische Effekt der Covid-19-Krise auf den Ausbau von E-Learning und damit auf die betriebliche Weiterbildung könnte so Ungleichheiten in der Weiterbildungsbeteiligung weiter verschärft haben.

Literatur

Alipour, Jean-Victor; Falck, Oliver; Schüller, Simone (2023): Germany’s capacity to work from home. European Economic Review 151: 104354.

Arntz, Melanie; Böhm, Michael; Graetz, Georg; Gregory, Terry; Johanning, Jan Moritz; Lehmer, Florian; Lipowski, Cäcilia; Matthes, Cäcilia; Niers, Nick (2023): Digitalisierung in der Covid-19-Pandemie: Corona hat den digitalen Graben zwischen den Betrieben vertieft. IAB-Kurzbericht Nr. 4/2023.

Bellmann, Lutz; Gleiser, Patrick; Hensgen, Sophie; Kagerl, Christian; Kleifgen, Eva; Leber, Ute; Moritz, Michael; Pohlan, Laura; Roth, Duncan; Schierholz, Malte; Stegmaier, Jens; Umkehrer, Matthias; Backhaus, Nils; Tisch, Anita (2021): Homeoffice in der Corona-Krise: leichter Rückgang auf hohem Niveau. IAB-Forum, 11.10.2021.

Janssen, Simon;  Leber, Ute (2020): Weiterbildung in der Corona-Krise: E-Learning ist eine Chance für Unternehmen. IAB-Forum, 18.05.2020.

Jost, Ramona; Leber, Ute (2021): Die betriebliche Weiterbildung ist in der Corona-Krise massiv eingebrochen. IAB-Forum, 20.12.2021.

 

Bild: Puwasit Inyavileart/stock.adobe.com

DOI: 10.48720/IAB.FOO.20240222.01

Müller, Christoph (2024): Weiterbildung in der Covid-19-Krise: Nicht alle profitieren gleichermaßen vom Ausbau des E-Learnings, In: IAB-Forum 22. Februar 2024, https://www.iab-forum.de/weiterbildung-in-der-covid-19-krise-nicht-alle-profitieren-gleichermassen-vom-ausbau-des-e-learnings/, Abrufdatum: 27. April 2024