Die Integration in den deutschen Arbeitsmarkt wird Geflüchteten unter anderem durch institutionelle Hürden erschwert. Weil ukrainische Geflüchtete im Gegensatz zu anderen Geflüchteten kein Asylverfahren durchlaufen müssen, deutlich seltener in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind und direkt in die Förderstruktur der Jobcenter integriert wurden, haben sie insgesamt günstigere institutionelle Voraussetzungen. Da ein Großteil der ukrainischen geflüchteten Frauen Betreuungspflichten haben, müssen allerdings auch sie zahlreiche, wenn auch andere Barrieren, überwinden.

Die Zahl der nach Deutschland Geflüchteten ist in den vergangenen Jahren infolge von Krieg, Bürgerkrieg und Verfolgung stark gestiegen. So wurden 2015 rund 890.000 Schutzsuchende aus Syrien und anderen von Krieg und Verfolgung betroffenen Ländern aufgenommen. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sind rund 1,1 Millionen Menschen aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet.

Auch die politischen und zivilgesellschaftlichen Bemühungen zur Unterstützung der Geflüchteten nach ihrer Ankunft in Deutschland sind rückblickend recht ähnlich. So sprach die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel im August 2015 den legendär gewordenen Satz „Wir schaffen das“ – und unzählige Freiwillige halfen mit, die Neuankommenden zu versorgen. Auch 2022 stießen die ukrainischen Geflüchteten auf eine große Hilfsbereitschaft in der deutschen Bevölkerung.

Dies spiegelt sich im Willkommensgefühl der Geflüchteten wider. Befragungsdaten zufolge (siehe unten) fühlten sich 88 Prozent der 2015 und 2016 angekommenen Geflüchteten bei ihrer Ankunft (überwiegend) willkommen. Unter den Geflüchteten aus der Ukraine waren es im Jahr 2022 76 Prozent. Allerdings unterscheiden sich die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für die Aufnahme erheblich.

Für ukrainische Staatsangehörige gelten keine Visabeschränkungen für die Einreise nach Deutschland und in andere EU-Mitgliedsstaaten. Sie erhalten vorübergehenden Schutz, müssen keine Asylverfahren durchlaufen und können seit Juni 2022 als registrierte Schutzsuchende in Deutschland Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II – „Bürgergeld“) beziehen. Damit sind sie auch unmittelbar nach Ankunft in die Vermittlungs- und Fördermaßnahmen der Jobcenter eingebunden. Der vorübergehende Schutz galt zunächst bis zum 5. März 2024 und wurde im Sommer 2023 von der EU auf den 5. März 2025 verlängert.

Für andere Schutzsuchende gelten dagegen die restriktiveren Rahmenbedingungen des deutschen Asylrechts. Sie müssen Asylverfahren durchlaufen und haben während dieser Zeit nur einen beschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt und arbeitsmarktpolitischen Förderinstrumenten. Die Asylverfahren waren anfänglich sehr langwierig, haben sich aber seit 2017 beschleunigt.

Auf Basis der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten für die Jahre von 2016 bis 2021 sowie der ersten (2022, Spätsommer) und zweiten (2023, Frühjahr) Befragungswelle der IAB-BiB/FReDA-BAMF-SOEP-Befragung ukrainischer Geflüchteter lässt sich zeigen, wie stark institutionelle Barrieren die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten beeinträchtigen. Dabei wird deutlich: Die Integrationsvoraussetzungen für ukrainische Geflüchtete, die sich keinen solchen Barrieren gegenübersehen, sind im Schnitt besser als für andere Gruppen von Geflüchteten.

Ukrainische Geflüchtete profitieren von der Massenzustrom-Richtlinie

Nach geltendem Recht dürfen Menschen, die hierzulande Asyl beantragen, solange sie verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, keiner Beschäftigung nachgehen. Dieses Beschäftigungsverbot gilt bis zu einer Aufenthaltsdauer von neun Monaten, bei Eltern mit minderjährigen Kindern bis zu sechs Monaten.

Grundsätzlich sind alle Asylbewerberinnen und -bewerber verpflichtet, bis zum Abschluss des Asylverfahrens, längstens aber bis zu 18 Monaten nach Zuzug (Familien mit minderjährigen Kindern: bis zu sechs Monate), in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Eine Beschäftigung kann allerdings von den Ausländerämtern erlaubt werden, wenn die Bundesagentur für Arbeit zustimmt und die Betroffenen nicht aus sicheren Herkunftsländern stammen. Nicht erlaubt werden kann die Beschäftigung in den ersten drei Monaten des Aufenthalts.

Im laufenden Asylverfahren dürfte die Arbeitssuche aufgrund der Rechtsunsicherheit ohnehin schwierig sein. Die mittlere Bearbeitungsdauer von Asylanträgen betrug zwischen 2016 und 2018 für Herkunftsländer mit guter Bleibeperspektive (damals: Syrien, Iran, Irak, Eritrea und Somalia) sechs und für Personen aus anderen Ländern elf Monate. Wie Hanna Brenzel und Yuliya Kosyakova im IAB-Kurzbericht 06/2019 zeigten, verzögert ein längeres Asylverfahren nicht nur den Übergang in die erste Erwerbstätigkeit, sondern auch die Aufnahme des ersten Sprachkurses beziehungsweise der ersten Integrationsmaßnahme.

Für ukrainische Geflüchtete hatten sich die EU-Mitgliedsländer im März 2022 einstimmig auf die Aktivierung der sogenannten Massenzustrom-Richtlinie (Richtlinie 2002/55/EG) geeinigt. Mit dieser Richtlinie wird den Geflüchteten direkt vorübergehender Schutz gewährt, ohne ein Asylverfahren durchlaufen zu müssen. Damit bestehen für sie keine rechtlichen Beschränkungen mehr in Bezug auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Zudem wurden sie in das Leistungssystem des Sozialgesetzbuchs II und nicht in das Leistungssystem nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und damit direkt in die Förder- und Beratungsstruktur der Jobcenter integriert.

Eine Bleibeperspektive schafft Planungssicherheit

Die EU-Mitgliedsländer haben sich auf eine Schutzgewährung ukrainischer Geflüchteter von zunächst zwei Jahren bis März 2024 verständigt. Diese wurde bis März 2025 verlängert. Damit war zunächst eine höhere Rechts- und Planungssicherheit als für andere Geflüchtete gegeben. Je näher aber der Ablauf dieser Fristen rückt, desto geringer ist die Planungssicherheit für die Betroffenen, die Unternehmen und die Behörden.

Von längeren Planungshorizonten hängen wiederum die Investitionen der Betroffenen in Integrations- und Qualifizierungsmaßnahmen wie auch der Unternehmen in Beschäftigungsverhältnisse ab. Untersuchungen auf Grundlage der IAB-BAMF-SOEP-Befragung zeigen, dass eine individuell als positiv eingeschätzte Bleibeperspektive tendenziell mit einem schnelleren Erwerb deutscher Sprachkenntnisse und einer häufigeren Teilnahme an einem Integrationskurs des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) einhergeht.

64 Prozent der Geflüchteten, die bereits seit zwei bis drei Jahren in Deutschland leben und sich keine Sorgen machen, dieses Land wieder verlassen zu müssen, haben bereits einen solchen Integrationskurs besucht. Bei denjenigen hingegen, die sich große Sorgen machen, ob sie in Deutschland bleiben dürfen, liegt der Anteil mit 46 Prozent deutlich darunter (siehe Abbildung 1). Auch der Anteil derjenigen, die nach eigener Einschätzung über gute oder sehr gute Deutschkenntnisse verfügen, liegt bei der ersten Gruppe um 9 Prozentpunkte höher (42 % versus 33 %).

Abbildung 1 zeigt in Abhängigkeit der Sorgen zur Bleibeperspektive die sich die Geflüchteten, die zwischen 2013 und 2018 nach Deutschland gekommen sind in den ersten zwei bis drei Jahren seit dem Zuzug machen, Personenanteile mit abgeschlossenem BAMF-Integrationskurs und mit (sehr) guten Deutschkenntnissen. Während unter den Personen die sich keine Sorgen machen Deutschland bald wieder verlassen zu müssen, bereits 64 Prozent einen BAMF Kurs abgeschlossen haben und 42 Prozent über gute Deutschkenntnisse verfügen, sind es bei Personen mit großen Sorgen nur 46 bzw. 33 Prozent.

Der behördliche Informationsaustausch beim Wechsel des Rechtskreises ist mitunter unzureichend

Mit Blick auf ihre Arbeitsmarktpartizipation haben Geflüchtete unabhängig von ihrem Herkunftsland für gewöhnlich einen hohen Förder- und Beratungsbedarf, unter anderem in Bezug auf den Spracherwerb, die Arbeitssuche, die Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen, Bildung und Ausbildung oder auch die Anerkennung von Bildungs- und Berufsabschlüssen. Während der Asylverfahren beziehen die Schutzsuchenden ihre Leistungen von den Sozialämtern, für die Beratung sind grundsätzlich die Arbeitsagenturen zuständig.

Durch die Trennung von Leistungsgewährung und Beratung müssen die Geflüchteten eigeninitiativ die Arbeitsagenturen oder andere Einrichtungen aufsuchen, was häufig nicht oder nicht in ausreichendem Umfang geschieht. Wenn Asyl gewährt worden ist, fallen die Betroffenen nicht mehr unter das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylG). Stattdessen gelten für sie nun die Regelungen der Grundsicherung. Mit diesem Rechtskreiswechsel ist auch ein Wechsel der Förder- und Beratungsstruktur verbunden: Die Jobcenter übernehmen nicht nur die Leistungsgewährung, sondern bei Bedarf auch die Beratung und Unterstützung.

Dieser Zuständigkeitswechsel ist mit Friktionen verbunden. So bemängeln Arbeitsagenturen und Jobcenter teilweise den unzureichenden Informationsaustausch unter den Behörden im Zuge des Rechtskreiswechsels. Einzelne Agenturen und Jobcenter haben jedoch die Absprache getroffen, dass die im SGB III begonnenen Maßnahmen im SGB II fortgesetzt werden sollen und die gewählte Integrationsstrategie zunächst beibehalten wird, solange die Asylberechtigten nicht in Integrationskurse zugewiesen werden müssen (lesen Sie dazu den IAB-Forschungsbericht 05/2017 von Barbara Knapp und anderen, der auf Experteninterviews in Arbeitsagenturen und Jobcentern basiert).

Die Bundesregierung hat sich darauf verständigt, dass für ukrainische Geflüchtete im Bedarfsfall ab Juni 2022 direkt die Regelungen der Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch II gelten. Dadurch erfolgt beides, also die Leistungsgewährung einerseits sowie die Arbeitsmarktberatung, Förderung und Vermittlung anderseits, durch die Jobcenter.

Yuliya Kosyakova und Koautorinnen zeigen im IAB-Kurzbericht 08/2021, dass die Beschäftigungschancen signifikant steigen, wenn Geflüchtete die Berufsberatung der BA in Anspruch nehmen. Zudem dürfte sich eine frühe Beratung sehr positiv auf die Teilnahme an Deutschkursen und Integrationsmaßnahmen auswirken.

Zugleich sind persönliche Kontakte weiterhin eine der wichtigsten Kanäle für die Jobsuche und deren Erfolg: In der IAB-BAMF-SOEP-Befragung gab insgesamt etwa die Hälfte der Geflüchteten an, ihre erste Stelle über Familienangehörige oder Bekannte gefunden zu haben. Es folgten Arbeitsagenturen und Jobcenter mit einem Anteil von 20 Prozent, noch vor Stellenanzeigen im Internet oder in der Zeitung und privaten Stellenvermittlungen.

Insofern dürften die Geflüchteten aus der Ukraine davon profitiert haben, dass Leistungsgewährung, Beratung und Förderung aus einer Hand erfolgen. Aus dem IAB-Forschungsbericht 2/2023 von Herbert Brücker und anderen geht hervor, dass knapp die Hälfte der ukrainischen Geflüchteten sechs Monate nach Ankunft in Deutschland bereits einen Integrations- oder Deutschkurs besucht hat. Zwölf Monate nach der Ankunft lag dieser Anteil bei 79 Prozent (eigene Berechnungen basierend auf der zweiten Befragungswelle 2023 (Frühjahr) der IAB-BiB/FReDA-BAMF-SOEP-Befragung ukrainischer Geflüchteter).

Unter den anderen Geflüchteten, die zwischen 2013 und Ende 2016 nach Deutschland gekommen waren, lag der Anteil derjenigen, die während der ersten sechs beziehungsweise zwölf Monate einen Integrations- oder einen Deutschkurs besucht haben, bei 32 beziehungsweise 57 Prozent.

Die Wohnsituation beeinflusst die Zufriedenheit der Geflüchteten

Neben Sprachkenntnissen kann auch die Wohnsituation einen indirekten Einfluss auf die Arbeitsmarktintegration haben. So zeigen Elena Ambrosetti und andere in einem 2021 publizierten Beitrag, dass die allgemeine Lebenszufriedenheit auch von der Wohnsituation abhängt. Wenn in Gemeinschaftsunterkünften ein hoher Geräuschpegel oder eine geringe Privatsphäre den Schlaf beeinträchtigen, kann sich dies zudem negativ auf die Arbeitsleistung auswirken.

An dieser Stelle besteht ein wichtiger Unterschied zwischen Asylbewerber*innen und den meisten ukrainischen Geflüchteten: Erstere sind bis zur Anerkennung des Schutzstatus oder bei Ablehnung bis zur Ausreise, höchstens aber bis zu 18 Monate (Familien mit minderjährigen Kindern bis zu sechs Monate) verpflichtet, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen (§ 47 Abs. 1 AsylG und § 53 Abs. 2 AsylG). Nach der Einreise und Registrierung werden sie auf die jeweils zuständigen Aufnahmeeinrichtungen in den Ländern und Kommunen verteilt. Mitunter, wenn die Kapazitäten nicht ausreichen, werden sie aber auch in Hotels und Pensionen oder privaten Unterkünften untergebracht.

Auch nach der Anerkennung eines Schutzstatus sind sie verpflichtet, für weitere drei Jahre in dem Bundesland zu bleiben, auf das sie verteilt wurden und können dort dazu verpflichtet werden, in einem bestimmten Ort zu wohnen. Diese Verpflichtung entfällt, wenn die Betroffenen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, einer Ausbildung oder einem Studium an einem anderen Ort nachgehen.

Ukrainische Geflüchtete, die vorübergehenden Schutz nach § 24 Aufenthaltsgesetz erhalten, können zwar ähnlich wie andere Schutzsuchende auf die Bundesländer verteilt und dort verpflichtet werden, an einem bestimmten Ort beziehungsweise in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. In der Praxis wurde aber davon abgesehen. Geflüchtete, die nicht auf die öffentliche Versorgung mit Wohnraum angewiesen waren, konnten ihren Wohnort de facto frei wählen.

Diese rechtlichen Unterschiede wirken sich auf die Wohnsituation aus: Von den Geflüchteten, die in früheren Jahren nach Deutschland gekommen sind, wohnen 40 Prozent noch zwei Jahre nach dem Zuzug in Gemeinschaftsunterkünften (siehe Abbildung 2). Die ukrainischen Geflüchteten wohnten dagegen schon 2022 während der ersten acht Monate nach ihrer Ankunft zu durchschnittlich 74 Prozent in privaten Unterkünften.

Geflüchtete, die sich aufgrund familiärer Netzwerke für Deutschland entschieden haben, konnten häufig bei Familienangehörigen unterkommen (wobei dies im Jahr 2022 nur auf 26 Prozent aller ukrainischen Geflüchteten zutraf) oder sie wurden von diesen bei der Wohnungssuche unterstützt.

Die Unterbringung in Privat- statt in Gemeinschaftsunterkünften hat Folgen für die Lebenszufriedenheit der Betroffenen, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch auf die Arbeitsleistung auswirkt: In der IAB-BAMF-SOEP-Befragung haben 82 Prozent der Geflüchteten, die in privaten Unterkünften leben, angegeben, eher zufrieden als unzufrieden zu sein. Bei denjenigen, die in Gemeinschaftsunterkünften wohnen, lag der Anteil lediglich bei 44 Prozent.

Abbildung 2 zeigt getrennt für die ersten Jahre seit dem Zuzug die Anteile Geflüchteter die zwischen 2013 und 2018 nach Deutschland gekommen sind und in privaten, Gemeinschafts- oder anderen Unterkünften leben. Während der Anteil Geflüchteter in Gemeinschaftsunterkünften bis zum ersten Jahr und seit einem Jahr ca. 50 Prozent beträgt, wohnen auch zwei bzw. vier Jahre seit dem Zuzug noch 40 bzw. 24 Prozent in Gemeinschaftsunterkünften.

Der Einfluss soziodemografischer Faktoren

Neben institutionellen Faktoren beeinflussen auch soziodemografische Faktoren wie Geschlecht und Bildung die Erwerbsintegration. 2022 waren 79 Prozent der ukrainischen Geflüchteten, die seit Beginn des russischen Angriffskriegs nach Deutschland zugezogen sind, Frauen, von denen 60 Prozent mit Kindern unter 18 Jahren im Haushalt lebten. Yuliya Kosyakova und andere zeigen im IAB-Kurzbericht 8/2021 wie auch Tanja Fendel und Franziska Schreyer in WISO DIREKT 17/2021, dass die Erwerbsbeteiligung geflüchteter Frauen deutlich geringer ausfällt als die von Männern, insbesondere wenn sie kleine Kinder haben.

Unter den ukrainischen Geflüchteten generell, insbesondere unter den geflüchteten Frauen, ist das formelle Bildungsniveau hoch und die meisten haben Berufserfahrung: So verfügten 2022 83 Prozent der geflüchteten ukrainischen Frauen im erwerbsfähigen Alter über berufliche oder akademische Abschlüsse, 79 Prozent über Erwerbserfahrung. Dies kann sich als Vorteil für die Arbeitsmarktintegration erweisen.

Allerdings werden aufgrund der Besonderheiten des deutschen dualen Ausbildungssystems viele deutsche Ausbildungsberufe in anderen Ländern – so auch in der Ukraine – an Hochschulen gelehrt. Existierende Abschlüsse sind also nicht direkt übertragbar. Daher ist es auch denkbar, dass Personen mit höherer Bildung oder einer Ausbildung mehr in Sprachkenntnisse und Qualifizierung investieren müssen und die Anerkennung von Abschlüssen sowie die Suche nach einer adäquaten Beschäftigung mehr Zeit in Anspruch nimmt, sodass die Arbeitsmarktintegration länger dauert.

Vor allem aber dürften Frauen, die mit Kindern, aber ohne Partner geflohen sind, vor großen Schwierigkeiten stehen, private und berufliche Pflichten miteinander zu vereinbaren. Dies zeigen bereits erste Auswertungen zur Erwerbswahrscheinlichkeit ukrainischer Geflüchteter, die Yuliya Kosyakova und andere im IAB-Kurzbericht 14/2023 publiziert haben.

Fazit

Neben Unterschieden bei Bildung und Ausbildung spielen Differenzen in den rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle für die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten. So beeinträchtigen die Rechts- und Planungsunsicherheit während der Asylverfahren, die Wohnsitzauflagen, die administrative Verteilung von Geflüchteten und die späte Integration in die Beratungs- und Förderstruktur der Jobcenter die Arbeitsmarktintegration von Schutzsuchenden.

Diese Barrieren fallen für die ukrainischen Geflüchteten, die seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine nach Deutschland gekommen sind und vorübergehenden Schutz erhalten haben, weitgehend weg. Allerdings verbleibt auch hier aufgrund der Befristung des vorübergehenden Schutzes eine Ungewissheit über die Bleibeperspektiven, die die Integrationschancen beeinträchtigen kann.

Die Differenzen in den institutionellen Bedingungen spiegeln sich in unterschiedlichen Integrationsverläufen wieder. So zeigen Herbert Brücker und andere im IAB-Kurzbericht 13/2023, dass Geflüchtete (hier ohne Berücksichtigung der ukrainischen Geflüchteten) zu Beginn des Integrationsprozesses niedrige Erwerbstätigenquoten aufweisen: Die Erwerbstätigenquote beläuft sich ein Jahr nach dem Zuzug auf 7 und zwei Jahre nach dem Zuzug auf 20 Prozent. Sechs Jahre nach dem Zuzug haben sie eine Erwerbstätigenquote von 54 Prozent erreicht. Sieben und mehr Jahre nach dem Zuzug beträgt die Quote 62 Prozent. Dieser Anstieg beschleunigt sich insbesondere nach Abschluss der Asylverfahren.

Wie Yuliya Kosyakova und andere im IAB-Kurzbericht 14/2023 zeigen, verläuft die Arbeitsmarktintegration der ukrainischen Geflüchteten in Deutschland am Anfang schneller: In den ersten elf Monaten nach der Ankunft in Deutschland liegt deren Erwerbstätigenquote bei 15 bis 19 Prozent. Ab einer Aufenthaltsdauer von zwölf Monaten steigt sie auf 28 Prozent. Dabei können Unterschiede in Bildung und Ausbildung, Berufserfahrung und andere Faktoren eine Rolle spielen.

Aufgrund der unterschiedlichen institutionellen Rahmenbedingungen sind die Integrationsverläufe nicht direkt vergleichbar. Ob und in welchem Umfang sich die Arbeitsmarktintegration unterscheidet und welche Rolle dabei institutionelle sowie demografische Faktoren wie Geschlecht, Familienstatus, Alter, Bildung und Ausbildung sowie andere Faktoren die Integration beeinflussen, wird sich erst längerfristig beurteilen lassen.

Die Unterschiede sprechen jedoch dafür, dass die institutionellen Rahmenbedingungen von großer Bedeutung sind. Für die ukrainischen Geflüchteten geht es deshalb darum, möglichst schnell Rechts- und Planungssicherheit durch längerfristige Bleibeperspektiven zu schaffen, beispielsweise durch Klärung der Bedingungen, unter denen eine längerfristige Aufenthalts- oder eine Niederlassungserlaubnis erlangt werden kann. Demgegenüber ist es für andere Geflüchtetengruppen in Deutschland von hoher Relevanz, Asylverfahren zu beschleunigen, Beschäftigungsverbote zu reduzieren oder aufzuheben, die administrativen Verteilungsmechanismen zu überdenken und Wohnsitzauflagen aufzuheben.

Für beide Gruppen ist von zentraler Bedeutung, möglichst früh Integrations- und andere Sprachprogramme anzubieten, um den Spracherwerb zu beschleunigen. Zudem sollte der Erwerb von Bildungs- und Ausbildungsabschlüssen gefördert, die Anerkennung bestehender Abschlüsse beschleunigt und die Unterstützung der Arbeitssuche und -vermittlung intensiviert werden.

Ebenso wichtig sind die Integration von Kindern und Jugendlichen in das Bildungssystem sowie umfassende Betreuungsangebote für kleine Kinder, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Denn sowohl geflüchtete Ukrainerinnen wie auch vor 2022 nach Deutschland geflüchtete Frauen leben mehrheitlich mit Kindern zusammen.

 


In aller Kürze

  • Ukrainischen Geflüchteten wird hierzulande ein direkter Schutz gewährt, ohne dass sie lange – und häufig integrationsverzögernde – Asylverfahren durchlaufen müssen. Ihnen wurde ein Aufenthaltsrecht von zunächst zwei Jahren zugesprochen.
  • Wenn Geflüchtete ihre Bleibeperspektive als gut einschätzen, steigt tendenziell ihre Bereitschaft, Deutsch zu lernen und an BAMF-Integrationskursen teilzunehmen.
  • Geflüchtete im Asylverfahren können die Arbeitsmarktberatung der Arbeitsagenturen nutzen, nach positivem Abschluss des Verfahrens übernehmen die Jobcenter. Erschwert werden kann die Arbeitsmarktintegration allerdings durch einen teilweise unzureichenden Austausch zwischen beiden Behörden. Die ukrainischen Geflüchteten werden seit Juni 2022 bei Hilfebedürftigkeit direkt den Jobcentern zugeordnet.
  • Im Gegensatz zu ukrainischen Geflüchteten, die überwiegend in Privatunterkünften wohnen, lebt ein Großteil der seit 2013 nach Deutschland gekommenen Geflüchteten zunächst weiterhin in Gemeinschaftsunterkünften. Dies belastet alle integrationsrelevanten Lebensbereiche stärker, als es beim Wohnen in Privatunterkünften der Fall ist, und erschwert damit auch tendenziell die Arbeitsmarktintegration.
  • Die 2022 aus der Ukraine Geflüchteten sind überwiegend weiblich – anders als frühere Gruppen von Geflüchteten. Insbesondere geflüchtete Frauen mit Kindern stehen bei der Integration in den Arbeitsmarkt vor größeren Herausforderungen als Männer.

Literatur

Ambrosetti, Elena; Dietrich, Hans; Kosyakova, Yuliya; Patzina, Alexander (2021): The Impact of Pre- and Postarrival Mechanisms on Self-rated Health and Life Satisfaction Among Refugees in Germany. In: Frontiers in Sociology, Jg. 6.

Brenzel, Hanna; Kosyakova, Yuliya (2019): Geflüchtete auf dem deutschen Arbeitsmarkt: Längere Asylverfahren verzögern Integration und Spracherwerb. IAB-Kurzbericht Nr. 6.

Brücker, Herbert; Ette, Andreas; Grabka, Markus M.; Kosyakova, Yuliya; Niehues, Wenke et al. (2023): Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland: Ergebnisse der ersten Welle der IAB-BiB/FReDA-BAMF-SOEP Befragung. IAB-Forschungsbericht Nr. 2.

Brücker, Herbert; Jaschke, Philipp; Kosyakova, Yuliya; Vallizadeh, Ehsan (2023): Entwicklung der Arbeitsmarktintegration seit Ankunft in Deutschland: Erwerbstätigkeit und Löhne von Geflüchteten steigen deutlich. IAB-Kurzbericht Nr. 13/2023.

Fendel, Tanja; Schreyer, Franziska (2021): Geflüchtete Frauen und ihre Teilhabe an Erwerbsarbeit. WISO DIREKT Nr. 17.

Kosyakova, Yuliya; Gundacker, Lidwina; Salikutluk, Zerrin; Trübswetter, Parvati (2021): Arbeitsmarktintegration in Deutschland: Geflüchtete Frauen müssen viele Hindernisse überwinden. IAB-Kurzbericht Nr. 8.

Kosyakova, Yuliya; Brücker, Herbert; Gatskova, Kseniia; Schwanhäuser, Silvia (2023): Arbeitsmarktintegration ukrainischer Geflüchteter: Erwerbstätigkeit steigt ein Jahr nach dem Zuzug. IAB-Kurzbericht Nr. 14.

Knapp, Barbara, Bähr, Holger; Dietz Martin; Dony, Elke; Fausel, Gudrun; Müller, Maren; Strien, Karsten (2017): Beratung und Vermittlung von Flüchtlingen. IAB-Forschungsbericht Nr. 5.

 

Bild: login2002/stock.adobe.com

 

DOI: IAB.FOO.20231026.01

 

Fendel, Tanja; Kosyakova , Yuliya; Vallizadeh, Ehsan (2023): Institutionelle Rahmenbedingungen sind für die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten von großer Bedeutung, In: IAB-Forum 26. Oktober 2023, https://www.iab-forum.de/institutionelle-rahmenbedingungen-sind-fuer-die-arbeitsmarktintegration-von-gefluechteten-von-grosser-bedeutung/, Abrufdatum: 28. April 2024