Nachdem die Weiterbildungsaktivitäten der Betriebe in den ersten beiden Jahren der Corona-Krise massiv eingebrochen waren, haben sie im ersten Halbjahr 2022 wieder zugenommen. Das Vorkrisenniveau haben sie allerdings noch nicht wieder erreicht. Zudem unterscheiden sich die Weiterbildungschancen von Beschäftigten mit verschiedenen Tätigkeitsanforderungen nach wie vor deutlich. Das geht aus den aktuellen Daten des IAB-Betriebspanels hervor.

Die hohe Bedeutung, die der Weiterbildung in der modernen Arbeitswelt zukommt, ist unbestritten. Beschäftigte können durch eine Weiterbildung ihre Fähig- und Fertigkeiten an veränderte Anforderungen anpassen und somit ihre Arbeitsmarktchancen sichern oder verbessern. Für Betriebe ist die Weiterbildung ein wichtiges Instrument, um den technologischen Wandel zu meistern und dem Fachkräftemangel zu begegnen.

Nachdem sich die betrieblichen Weiterbildungsaktivitäten viele Jahre auf einem relativ hohen Niveau bewegten, brachen sie zu Beginn der Corona-Krise 2020 ein und erholten sich auch im Jahr darauf nicht (lesen Sie hierzu den IAB-Forschungsbericht 20/2022).

Insbesondere in der ersten Phase der Pandemie konnten viele Weiterbildungsmaßnahmen nicht wie geplant durchgeführt werden, vor allem aufgrund der Kontaktbeschränkungen. Darüber haben bereits Lutz Bellmann und andere 2020 sowie Ramona Jost und Ute Leber 2021 im IAB-Forum geschrieben. Hinzu kam, dass ein Teil der Betriebe aus Unsicherheit über die weitere Geschäftsentwicklung seine Weiterbildungsaktivitäten verringert hat. Auch die Möglichkeiten der geförderten Weiterbildung für Beschäftigte in Kurzarbeit wurden von den Betrieben vergleichsweise selten genutzt.

Die aktuellen Daten des IAB-Betriebspanels zeigen nun, wie sich die betrieblichen Weiterbildungsaktivitäten im Jahr 2022 entwickelt haben – also dem dritten Jahr der Corona-Krise und dem ersten Jahr des Angriffskriegs auf die Ukraine. Bei der Einordnung der im Folgenden dargestellten Daten zur Weiterbildung ist zu beachten, dass sich diese jeweils auf das erste Halbjahr des jeweiligen Befragungsjahres beziehen.

Gut vier von zehn Betrieben haben im Jahr 2022 Weiterbildung unterstützt

Insgesamt haben 42 Prozent aller Betriebe in Deutschland im ersten Halbjahr 2022 die Weiterbildung ihrer Beschäftigten unterstützt, indem sie die Kosten übernommen beziehungsweise die Beschäftigten zur Teilnahme freigestellt haben (siehe Abbildung 1). Dies waren 8 Prozentpunkte mehr als im ersten Halbjahr 2021 und 2020, aber noch 13 Prozentpunkte weniger als im ersten Halbjahr 2019, also vor der Corona-Krise.

Gegenüber den beiden Vorjahren stieg der Anteil weiterbildender Betriebe im ersten Halbjahr 2022 über alle Betriebsgrößen hinweg an. Das Vorkrisenniveau wurde jedoch noch in keinem Größensegment wieder erreicht.

Da die Wahrscheinlichkeit, dass zumindest ein Beschäftigter an einer Weiterbildung teilnimmt, in Großbetrieben naturgemäß deutlich größer ist als in kleineren Betrieben, überrascht es nicht, dass sich das Weiterbildungsangebot merklich nach Betriebsgröße unterscheidet: Bildeten zuletzt 93 Prozent der Großbetriebe mit 500 und mehr Beschäftigten weiter, traf dies auf 33 Prozent der Kleinstbetriebe mit weniger als zehn Beschäftigten und 57 Prozent der Kleinbetriebe mit 10 bis 49 Beschäftigten zu (siehe Abbildung 1).

Die höchsten Anteile an weiterbildenden Betrieben finden sich in der Öffentlichen Verwaltung, im Bereich „Erziehung und Unterricht“, im Finanz- und Versicherungswesen sowie im Gesundheits- und Sozialwesen. Hier förderten im ersten Halbjahr 2022 jeweils rund sieben von zehn Betrieben Weiterbildungsaktivitäten für ihre Beschäftigten. In den beiden zuletzt genannten Branchen stieg der Anteil weiterbildender Betriebe besonders deutlich, ebenso wie im Verarbeitenden Gewerbe sowie im Bereich „Verkehr, Information und Kommunikation“. Das Vorkrisenniveau wurde jedoch in keiner Branche wieder erreicht.

Im Gastgewerbe lag der Anteil weiterbildender Betriebe im ersten Halbjahr 2022 mit 12 Prozent besonders deutlich unter dem Durchschnitt.  Dennoch ist auch in dieser von der Corona-Krise besonders stark betroffenen Branche ein leichter Anstieg gegenüber den beiden Vorjahren auszumachen (siehe Abbildung 2).

Die Teilnahmequote an Weiterbildung hat sich im ersten Halbjahr 2022 gegenüber den beiden Vorjahren fast verdoppelt

Noch deutlicher als der Anteil weiterbildender Betriebe ist der Anteil der Beschäftigten, die sich weiterbilden, gestiegen. Nahmen im ersten Halbjahr 2019 deutschlandweit 36 Prozent aller Beschäftigten an betrieblicher Weiterbildung teil, so sank dieser Anteil in den ersten beiden Jahren der Corona-Krise auf 15 beziehungsweise 16 Prozent. Im ersten Halbjahr 2022 partizipierten dagegen 29 Prozent aller Beschäftigten an Weiterbildung – und damit fast doppelt so viele wie in den beiden ersten Krisenjahren (siehe Abbildung 3).

Besonders stark stieg die Teilnahmequote in den Großbetrieben, wo zuletzt 37 Prozent aller Beschäftigten an Weiterbildung teilnahmen. Damit wurde zumindest dort das Vorkrisenniveau wieder erreicht. Auch in den anderen Größenklassen erhöhte sich die Beteiligung an Weiterbildung immerhin wieder merklich.

Wie entwickelte sich der Anteil der Weiterbildungsteilnehmenden an allen Beschäftigten nach Branchen? Ein Blick in die Daten zeigt, dass die Teilnahmequote besonders im Bereich „Verkehr, Information und Kommunikation“, im Gesundheits- und Sozialwesen sowie in der Produktionsgüterindustrie gestiegen ist. Im Bereich „Verkehr, Information und Kommunikation“ sowie in der Produktionsgüterindustrie dürfte ein besonders starker Nachholbedarf bestanden haben: Hier lag die Teilnahmequote im ersten Halbjahr 2022 nämlich auf einem höheren Niveau als vor der Krise. In allen anderen Wirtschaftszweigen stieg die Teilnahmequote im Vergleich zu den ersten beiden Krisenjahren zwar ebenfalls, erreichte aber noch nicht das Vorkrisenniveau.

Die höchste Teilnahmequote wies im ersten Halbjahr 2022 das Finanz- und Versicherungswesen auf: Dort nahm mehr als die Hälfte aller Beschäftigten an Qualifizierungsmaßnahmen teil. Im Vergleich dazu partizipierten lediglich 12 Prozent der Beschäftigten in der Land- und Forstwirtschaft und nur 8 Prozent der Beschäftigten im Gastgewerbe an Maßnahmen der betrieblichen Weiterbildung (siehe Abbildung 4).

Zuwachs der Weiterbildungsbeteiligung bei allen Anforderungsniveaus

Es ist ein bekannter Befund, dass sich die Weiterbildungsbeteiligung stark zwischen Beschäftigten mit unterschiedlichen Tätigkeitsanforderungen beziehungsweise Qualifikationsniveaus unterscheidet. Auch die aktuellen Ergebnisse des IAB-Betriebspanels bestätigen diesen Zusammenhang: Im ersten Halbjahr 2022 nahmen 35 Prozent der Beschäftigten in qualifizierten Tätigkeiten, die mindestens eine abgeschlossene Berufsausbildung erfordern, aber nur 15 Prozent der Beschäftigten in einfachen Tätigkeiten an Weiterbildungsmaßnahmen teil.

Gegenüber dem ersten Halbjahr 2021 hat sich die Teilnahmequote der Beschäftigten, die einfache Tätigkeiten ausüben, jedoch mehr als verdoppelt. Für die Beschäftigten, die qualifizierte Tätigkeiten ausüben, ist ebenfalls ein merklicher Anstieg festzustellen. Gleichzeitig zeigt sich auch hier, dass beide Gruppen das Weiterbildungsniveau vor der Krise noch nicht wieder erreicht haben (siehe Abbildung 3).

Trotz des Zuwachses lag die Weiterbildungsbeteiligung von Beschäftigten, die einfache Tätigkeiten ausüben, im ersten Halbjahr auf einem eher niedrigen Niveau. Ihre Weiterbildungschancen sind jedoch in einigen Branchen deutlich besser als in anderen. Dies gilt insbesondere für das Gesundheits- und Sozialwesen, wo die Teilnahmequote dieser Beschäftigtengruppe zuletzt bei 34 Prozent lag. Sie erreichte damit fast das gleiche Niveau wie die Teilnahmequote der qualifizierten Beschäftigten über alle Branchen hinweg. Es gibt jedoch auch einige Wirtschaftszweige, in denen deutlich weniger als jeder zehnte Beschäftigte, der eine einfache Tätigkeit ausübt, an betrieblicher Weiterbildung partizipierte (siehe Abbildung 4).

Im IAB-Betriebspanel selbst wurden die Gründe für die relativ geringe Weiterbildungsbeteiligung dieser Beschäftigtengruppe nicht erhoben. Aus der Weiterbildungsforschung ist aber bekannt, dass dabei sowohl betriebliche als auch individuelle Faktoren eine Rolle spielen (einen Überblick finden Sie bei Lutz Bellmann und Ute Leber 2021). So konzentrieren Betriebe ihre Weiterbildungsbemühungen meist auf höherqualifizierte Mitarbeitende, die komplexere Tätigkeiten ausüben, welche mit einem stärkeren Weiterbildungsbedarf einhergehen.

Allerdings weiß man auch, dass viele Geringqualifizierte über die Möglichkeiten und den Nutzen von Weiterbildung nicht hinreichend informiert sind und Weiterbildungsangebote seitens des Betriebes teilweise ausschlagen, etwa weil sie sich mit dem Lernen an sich vergleichsweise schwer tun oder Angst vor Misserfolg haben.

Fazit

Nachdem die betrieblichen Weiterbildungsaktivitäten in den ersten beiden Jahren der Corona-Krise massiv eingebrochen waren, haben sie im ersten Halbjahr 2022 wieder an Fahrt aufgenommen. Das Vorkrisenniveau wurde allerdings nur in einigen wenigen Branchen wieder erreicht. Möglicherweise war sich ein Teil der Betriebe angesichts der wirtschaftlichen Folgen des Angriffskriegs auf die Ukraine und der Nachwirkungen der Corona-Krise weiterhin über den Fortgang der Geschäfts- und Beschäftigungsentwicklung unsicher und hat daher von Investitionen in Weiterbildung abgesehen.

Hinzu kommt, dass viele Betriebe seit dem Abklingen der Corona-Krise mit zum Teil massiven Personalengpässen zu kämpfen haben und die zeitlichen Kapazitäten für Weiterbildungen eher begrenzt sind. Dennoch wäre es für die Betriebe gerade in einer solchen Situation des Fachkräftemangels bedeutsam, die Weiterbildung ihrer Beschäftigten nicht zu vernachlässigen. Zum einen können sie zum Teil selber dafür sorgen, dass Beschäftigte benötigte Qualifikationen durch Weiterbildung erlangen. Zum anderen können sie sich durch das Angebot an Weiterbildung im Kampf um die besten Köpfe als attraktive Arbeitgeber positionieren und damit Fachkräfte halten oder gewinnen.

Ein besonders hohes ungenutztes Potenzial der betrieblichen Weiterbildung zeigt sich in der Gruppe der Beschäftigten, die einfache Tätigkeiten ausüben und möglicherweise auch nur gering qualifiziert sind. Diese Beschäftigtengruppe konnte zwar von der Zunahme der Weiterbildungsbeteiligung ebenfalls profitieren, doch ihre Teilnahmequote ist nach wie vor in allen Branchen deutlich geringer als die der qualifizierten Beschäftigten.

Mit dem Qualifizierungschancengesetz steht ein Instrument zur Verfügung, mit dem die Weiterbildung von Beschäftigten insgesamt und die von geringqualifizierten Beschäftigten im Speziellen gefördert werden kann. Wie Thomas Kruppe und Julia Lang in einem aktuellen Beitrag für das IAB-Forum zeigen, wird diese Fördermöglichkeit jedoch vergleichsweise selten in Anspruch genommen, auch wenn die Eintritte in Förderung in der jüngeren Vergangenheit zugenommen haben. Mit dem neuen Weiterbildungsgesetz, das Ende dieses Jahres in Kraft treten soll, werden die Fördermöglichkeiten der Weiterbildung von Beschäftigten weiter ausgebaut (lesen Sie hierzu auch die Stellungnahme des IAB zum Referentenentwurf).

Welches Potenzial darin liegt, Hilfskräfte zu Fachkräften zu qualifizieren, wird derzeit von der Friedrich-Ebert-Stiftung intensiver untersucht. Eine aktuelle Pilotstudie von Holger Seibert und Kolleginnen in Kooperation mit der Friedrich-Ebert-Stiftung liefert detaillierte Erkenntnisse darüber, wie sich die Zahl der Hilfskräfte und die sozio-demografische Struktur in den letzten Jahren entwickelt hat.

In aller Kürze
  • Die betrieblichen Weiterbildungsaktivitäten haben 2022 wieder zugenommen, nachdem sie in den beiden ersten Jahren der Corona-Krise eingebrochen waren. Das Vorkrisenniveau haben sie aber noch nicht wieder erreicht.
  • Gegenüber den beiden Vorjahren stieg der Anteil weiterbildender Betriebe 2022 in allen Branchen und Größenklassen an.
  • Die Teilnahmequote der Beschäftigten für einfache Tätigkeiten an Weiterbildung hat sich in 2022 gegenüber den beiden Vorjahren mehr als verdoppelt, lag aber mit 15 Prozent weiterhin deutlich unter der Quote für Beschäftigte in qualifizierten Tätigkeiten mit 35 Prozent.
  • Im Gesundheits- und Sozialwesen nahmen 34 Prozent aller Beschäftigten auf einfachen Tätigkeiten an Weiterbildungsmaßnahmen teil. Die Teilnahmequote lag damit 2022 fast auf dem gleichen Niveau wie für qualifizierte Tätigkeiten insgesamt.

Literatur

Bellmann, Lutz; Leber, Ute (2021): Zielgruppen der beruflichen Weiterbildung. In: L. Bellmann, K. Büchter, I. Frank, E. M. Krekel & G. Walden (Hrsg.) (2021): Schlüsselthemen der beruflichen Bildung in Deutschland, S. 241–251.

Bellmann, Lutz et. al. (2020): Weiterbildung in der Covid-19-Pandemie stellt viele Betriebe vor Schwierigkeiten (Serie “Corona-Krise: Folgen für den Arbeitsmarkt”). In: IAB-Forum, 9.12.2020.

Bennewitz, Emanuel; Klinge, Silke; Leber, Ute; Schwengler, Barbara (2022): Zwei Jahre Corona-Pandemie: Die deutsche Wirtschaft zwischen Krisenstimmung und Erholung – Ein Vergleich der Jahre 2019 und 2021 – Ergebnisse des IAB-Betriebspanels. IAB-Forschungsbericht Nr. 20.

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2022): Nationale Weiterbildungsstrategie.

Dietrich, Hans; Fitzenberger, Bernd; Janssen, Simon; Kruppe, Thomas; Lang, Julia; Leber, Ute; Osiander, Christopher; Seibert, Holger; Stephan, Gesine (2023): Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung und zum zugehörigen Antrag der Fraktion DIE LINKE. Stellungnahme des IAB zur öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestags am 22.5.2023. IAB-Stellungnahme Nr. 4.

Jost, Ramona; Leber, Ute (2021): Die betriebliche Weiterbildung ist in der Corona-Krise massiv eingebrochen (Serie “Corona-Krise: Folgen für den Arbeitsmarkt”). In: IAB-Forum, 10.12.2021.

Kruppe, Thomas; Lang, Julia (2023): Geförderte Weiterbildung von Beschäftigten: Positiver Trend auf niedrigem Niveau (Serie “Evaluation von Instrumenten der aktiven Arbeitsmarktpolitik”). In: IAB-Forum, 06.02.2023.

Seibert, Holger; Schwengler, Barbara; Wiethölter, Doris (2023): Aus Hilfskräften Fachkräfte machen. Eine quantitative Analyse der Entwicklungs- und Strukturdaten von Helfertätigkeiten. FES-Diskurs.

DOI: 10.48720/IAB.FOO.20230919.01

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Schwengler, Barbara; Leber, Ute (2023): Die betriebliche Weiterbildung nahm im dritten Jahr der Corona-Krise wieder an Fahrt auf, In: IAB-Forum 19. September 2023, https://www.iab-forum.de/die-betriebliche-weiterbildung-nahm-im-dritten-jahr-der-corona-krise-wieder-an-fahrt-auf/, Abrufdatum: 27. April 2024