Großstädte sind Wachstumsmotoren. Betriebe und Beschäftigte in Großstädten sind im Durchschnitt produktiver und innovativer als in Kleinstädten oder ländlichen Regionen. Das spiegelt sich auch im höheren Lohnniveau wider. Dem stehen jedoch zunehmend knapper Wohnraum und hohe Preise gegenüber. Auch deswegen hat sich die soziale Spaltung in den Städten vertieft. Auf einer internationalen Konferenz am IAB wurden verschiedene Aspekte dieser Thematik beleuchtet.

Laut Statistischem Bundesamt leben über 70 Prozent der Bevölkerung in Deutschland in Großstädten und deren Umland. Seit Anfang der 2000er Jahre haben Großstädte einen regelrechten Boom erlebt, was sich in einem deutlich überdurchschnittlichen Bevölkerungswachstum, aber auch in zunehmend knapper werdenden Wohnraum widerspiegelt.

Die Arbeitsmarktökonomik bietet eine wichtige Erklärung für das Wachstum der Großstadtregionen: Beschäftigte und Betriebe sind umso produktiver, je größer die Stadt ist, in der sie arbeiten beziehungsweise in der sie angesiedelt sind. Dies liegt einerseits daran, dass gut qualifizierte Personen und produktive Betriebe eine Präferenz für größere Städte haben. Andererseits steigt die Produktivität einer Arbeitskraft oder eines Betriebs mit dem Umzug in eine größere Stadt. Diese so genannten Agglomerationsvorteile wurden bereits von Alfred Marshall im Jahr 1890 beschrieben und wurden seitdem durch zahlreiche ökonomische Studien belegt (lesen Sie dazu auch einen 2022 erschienenen Beitrag im IAB-Forum von Wolfgang Dauth und anderen).

Die höhere Produktivität in Großstädten ist im Schnitt mit einem höheren Lohnniveau verbunden, der so genannten Stadtlohnprämie. Allerdings profitieren davon möglicherweise nicht alle Einwohnerinnen und Einwohner von Großstädten gleichermaßen. Daraus ergibt sich eine sehr aktuelle Forschungsfrage: Welche Folgen haben diese Zusammenhänge für die Einkommensverteilung und die Wohlfahrt in den Städten?

Der amerikanische Ökonom David Autor hat in einer 2019 veröffentlichten Studie gezeigt, dass Agglomerationsvorteile noch vor einigen Jahrzehnten allen Bevölkerungsschichten zugutekamen, sich seither aber zunehmend auf hoch qualifizierte Beschäftigte konzentrieren. Gleichzeitig sind in vielen Großstädten weltweit die Wohnkosten in den letzten Jahrzehnten stark gestiegen, insbesondere für Mieter*innen und für Menschen, die erst in den letzten Jahren (erstmals) Wohneigentum erworben haben.

Vom gleichzeitig gestiegenen Angebot an Restaurants, Cafés und anderen Freizeiteinrichtungen im großstädtischen Raum profitieren einkommensschwache Gruppen zudem nur unterdurchschnittlich, wie Rebecca Diamond in einem Beitrag aus dem Jahr 2016 nachgewiesen hat. Angesichts der stark gestiegenen Wohnkosten laufen diese Gruppen Gefahr, auch aus dem lokalen Arbeitsmarkt von Großstädten verdrängt zu werden.

Um diese Themen ging es in dem internationalen Workshop „Urban Labor Markets and Local Income Inequality“, der am 23. und 24. November 2023 im IAB stattfand. Ziel war es, wissenschaftlichen Nachwuchs und erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammenbringen, um den aktuellen Forschungsstand zu unterschiedlichsten Aspekten dieser Thematik zu erörtern. Im Mittelpunkt standen insbesondere die Verteilungswirkungen von Agglomerationsvorteilen, das Zusammenspiel von Arbeits- und Wohnungsmarkt, das Pendelverhalten von Beschäftigten und die Nachbarschaftseffekte beziehungsweise Segregation in Städten.

Der ökonomische Stellenwert von Großstädten

Katja Gehr, Volkswirtin an der Universität Würzburg, widmete sich in ihrem Vortrag „The Worth of Cities in Germany“ dem ökonomischen Stellenwert von Städten in Deutschland. Auch in der internationalen Forschung werden Großstädte als die Orte betrachtet, von denen Wohlstand und Wachstum ausgehen. Zugleich hat die Stadtbevölkerung zunehmend mit Raumnot, steigenden Wohnkosten und Verkehrsproblemen zu kämpfen. Lokale Regierungen, so eine häufige Kritik, tendierten jedoch zumindest implizit dazu, dem weiteren Zuzug durch restriktive Bauvorschriften entgegenzuwirken und so zur Verknappung von Wohnraum beizutragen.

In ihrer Studie hat Gehr ein theoretisches Modell entwickelt, mit dem sich das Zusammenspiel dieser verschiedenen Kräfte und deren Auswirkungen formell darstellen und untersuchen lassen. Das Gesamteinkommen in Deutschland, so das zentrale Ergebnis ihrer Studie, könnte um 1,26 Prozent steigen, wenn die sieben größten deutschen Städte in deutlich größerem Maße als bislang Wohnungsneubau zulassen würden. Dies würde jedoch auch zu einem erheblichen Wegzug von Menschen aus kleineren Städten und ländlichen Regionen führen.

Warum Hochhäuser den Wohlstand steigern und Flächenverbrauch reduzieren

Gabriel Ahlfeldt

Keynotespeaker Gabriel Ahlfeldt, Professor an der London School of Economics

Ein wesentliches Merkmal der weltweiten Urbanisierung ist die Zunahme der Bevölkerungsdichte in Städten. In seiner Keynote „The Skyscraper Revolution: Global Economic Development and Land Savings“ diskutierte Gabriel Ahlfeldt, Professor an der London School of Economics, den Beitrag von Hochhäusern zur Entwicklung von Städten.

Der Bau von hohen Wohn- und Geschäftsgebäuden war noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit erheblichen technologischen Problemen verbunden. Als diese weitgehend gelöst waren, begann das Zeitalter der Hochhäuser. Anhand eines theoretischen Modells und eines Datensatzes, der 12.877 Großstädte weltweit umfasst, zeigt Ahlfeldt, dass die Einwohnerzahl in Großstädten um bis zu 50 Prozent kleiner wäre, wenn seit 1975 keine Hochhäuser gebaut worden wären. Gleichzeitig würden die Städte dennoch mehr Raum einnehmen, der in diesem Fall nicht mehr für Natur und Landwirtschaft zur Verfügung stünde.

Auch Ahlfeldts Arbeit legt nahe, dass Bauvorschriften, welche die Höhe von Gebäuden begrenzen, vielerorts zu einer künstlichen Verknappung von Wohnraum führen. Dies nutzt Grundstückseigentümerinnen und -eigentümern, geht jedoch zu Lasten der Wohlfahrt von Beschäftigten. Denn diese würde höher liegen, wenn es keine solchen Begrenzungen gäbe.

Die Pendlerpauschale führt zu weiteren Pendelwegen, erleichtert aber den Zugang zu Betrieben, die besonders gut bezahlen

Für die räumliche Struktur des Arbeitsmarktes spielt das Pendeln zwischen Wohn- und Arbeitsort eine wichtige Rolle. Mit der Bereitschaft zu pendeln steigt die Zahl der potenziellen Arbeitgeber, die eine Person von ihrem Wohnort aus erreichen kann. Gleichzeitig steigt damit auch das Einzugsgebiet von Betrieben und damit deren Chance, geeignetes Personal zu finden. Hierbei spielen staatliche Anreize wie die Pendlerpauschale, der sich zwei Konferenzbeiträge widmeten, eine potenziell wichtige Rolle.

Malthe Elholm, Ökonom an von Universität Aarhus, präsentierte in seinem Vortrag „Commuting Subsidies and Labor Market Outcomes: Evidence from a Danish Place-based Policy“ die Auswirkungen einer Reform der Pendlerpauschale in Dänemark. Vor der dortigen Reform im Jahr 2004 wurde die Höhe der Pendlerpauschale ab einer Entfernung von 60 Kilometern des einfachen Pendelweges für jeden weiteren Kilometer halbiert. Nach der Reform erhielten Personen in besonders ländlichen Regionen für den gesamten Pendelweg den vollen Betrag für alle Entfernungskilometer. Dadurch erhöhte sich tatsächlich die Zahl der Pendelnden. Erstaunlicherweise sank aber deren Arbeitseinkommen. Denn dank der Subvention waren manche Beschäftigte bereit, weiter entfernte Jobangebote anzunehmen, selbst wenn diese weniger gut bezahlt sind. Eine Erklärung könnte sein, dass Betriebe im ländlichen Raum wegen der gesunkenen Pendelkosten aus einem größeren Bewerberpool auswählen können, wodurch die Konkurrenz um offene Stellen steigt.

Um die Auswirkungen einer höheren Pendlerpauschale ging es auch in dem Vortrag „Do Commuting Subsidies Drive Workers to Better Firms?“ von Eckhard Janeba, Professor an der Universität Mannheim. Anders als im Fall Dänemarks legen die Ergebnisse für Deutschland allerdings nahe, dass eine großzügigere Subvention des Pendelns nicht nur dazu führt, dass Beschäftigte weiter pendeln, sondern auch, dass diese dadurch Zugang zu besser entlohnenden Firmen haben. Davon profitieren nach Janebas Analysen insbesondere Hochqualifizierte – was die Ungleichheit am Arbeitsmarkt verschärft habe. In der Gesamtschau zeigen die Ergebnisse aus beiden Ländern, dass die Effekte von Pendlerpauschalen stark von den Gegebenheiten vor Ort abhängen.

Bessere Erreichbarkeit von Firmen ist zweischneidiges Schwert

Einerseits kann die bessere Erreichbarkeit von Firmen den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern und somit zu einer besseren Passung zwischen Beschäftigten und Jobs beitragen. Andererseits kann dadurch auch die Konkurrenz unter den Bewerberinnen und Bewerbern um Jobs zunehmen. Letzteres kann den Lohn drücken und die Beschäftigungschancen von Geringqualifizierten schmälern.

Morgan Ubeda, Regionalökonom am Institut National de la Recherche Agronomique in Paris, zeigte in seinem Beitrag „The microgeography of unemployment and the role of transport networks“ diese nachteiligen Effekte für Geringverdienende in Paris auf. Demnach führte eine Erweiterung des Nahverkehrsnetzes im Einzugsgebiet der neuen Bahnlinien zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit unter den bisherigen Anwohnern, weil die Konkurrenz um lokale Jobs durch die bessere Erreichbarkeit der örtlichen Firmen zugenommen hatte.

Auch die Ortswahl von Firmen innerhalb einer Stadt beeinflusst die Entlohnung von und den Zugang zu potenziellen Arbeitskräften

Aus Sicht der Firmen spielt räumliche Erreichbarkeit ebenfalls eine große Rolle. Denn Arbeitskräfte sollten in der Theorie nur dann lange Pendelwege in Kauf nehmen, wenn sie dafür einen Ausgleich erhalten, etwa in Form eines höheren Lohns. Diesen Effekt kann Gregory Verdugo, Arbeitsmarkt- und Regionalökonom an der Université Paris-Saclay und an der Université Evry, mithilfe von Daten zu Umzügen von Firmen innerhalb des Großraums Paris belegen. Diejenigen Firmen, die vom Zentrum in die Peripherie umgezogen sind wie 2017 der Konzern PSA Peugeot, mussten ihren Beschäftigten nach dem Umzug höhere Löhne bezahlen, damit diese trotz längerer Anfahrtswege nicht der Firma den Rücken kehren.

Wie Verdugo in seinem Vortrag „Will You Follow me to the Suburbs? The Consequences of Establishments’ Relocation in a Large Metro Area” aufzeigte, spielen neben der Entlohnung aber auch nichtmonetäre Aspekte eine Rolle, etwa die räumliche Umgebung des Arbeitsplatzes. Seinen Analysen zufolge ist das Lohnniveau derjenigen Firmen stabil geblieben, die näher zum Stadtzentrum gezogen sind – unter anderem wegen der hohen Attraktivität des Stadtzentrums von Paris. Hinzu kommt eine verbesserte Erreichbarkeit dieser Firmen für Arbeitskräfte im Großraum Paris, wodurch diese Firmen Stellen leichter nachbesetzen können. Dies kann sich ebenfalls dämpfend auf die Löhne auswirken, die eine Firma bezahlen muss, um im Wettbewerb um Arbeitskräfte mithalten zu können. Insgesamt können diese Befunde gut erklären, warum Firmen trotz höherer Mieten von der Nähe zum Zentrum profitieren.

Steuervergünstigungen ziehen Betriebe nur in denjenigen Regionen an, in denen wenig Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt herrscht

Oftmals versucht die Politik, die Standortentscheidungen von Betrieben durch Subventionen oder Steuervergünstigungen zu beeinflussen, um sie zur Ansiedlung in strukturschwachen Gebieten zu motivieren. Die Frage, ob die Politik damit erfolgreich ist oder nicht, versuchte Catherine van der List, Ökonomin an der University of Essex, in ihrem Vortrag anhand deutscher Arbeitsmarktdaten zu beantworten. Im Gegensatz zu früheren Studien berücksichtigte sie das Zusammenspiel von regional unterschiedlichen Hebesätzen bei der Gewerbesteuer, Agglomerationsvorteilen und der lokalen Marktmacht von Arbeitgebern.

In ihrem Vortrag „How do Establishments Choose Their Location? Taxes, Monopsony, and Productivity“ zeigte sie, dass Steuervergünstigungen tendenziell nur dann die gewünschte Wirkung entfalten, wenn ein Betrieb ein Monopson auf dem lokalen Arbeitsmarkt bildet. Er ist dort also idealtypisch gesprochen der einzige Nachfrager nach Arbeit, dem zugleich viele Anbieter an Arbeitskraft (sprich: viele Arbeitskräfte) gegenüberstehen. In diesem Fall kann ein Betrieb also vergleichsweise geringe Löhne zahlen. Wenn hingegen auf dem lokalen Arbeitsmarkt bereits mehrere oder viele Betriebe um Fachkräfte konkurrieren, hat die Steuervergünstigung praktisch keinen Einfluss darauf, ob sich ein Unternehmen dort ansiedelt oder nicht.

Literatur

Autor, David H. (2019): Work of the Past, Work of the Future. In: AEA Papers and Proceedings, 109, S. 1-32.

Dauth, Wolfgang; Südekum, Jens; Moretti, Enrico; Findeisen, Sebastian (2022): Die Konzentration von leistungsfähigen Arbeitskräften in hoch bezahlenden Betrieben verstärkt regionale Lohnunterschiede. In: IAB-Forum, 12. 01.2022.

Diamond, Rebecca (2016): The Determinants and Welfare Implications of US Workers’ Diverging Location Choices by Skill: 1980-2000. In: American Economic Review, 106(3), S. 479-524.

Marshall, Alfred (1890): Principles of Economics, 8. Auflage. New York: The Macmillan Co.

 

Bilder: Nina Gläer, Wolfgang Dauth

DOI: 10.48720/IAB.FOO.20240111.01