Flexible Arbeitszeiten sind weiter auf dem Vormarsch. Während Betriebe sie für erforderlich halten, um auf Nachfrageveränderungen und Kundenwünsche reagieren zu können, ist Beschäftigten vor allem die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben wichtig. Da beides naturgemäß nicht deckungsgleich ist, stellt sich die Frage, welche Faktoren flexible Arbeitszeiten beeinflussen, und damit, ob und inwieweit tatsächlich beide Seiten von den in deutschen Betrieben praktizierten Arbeitszeitmodellen profitieren.

Die Flexibilität der Arbeitszeit ist in der betrieblichen Praxis ein Dauerthema und gewinnt auch in der öffentlichen Debatte zunehmend an Bedeutung. Denn längst ist das einst vorherrschende Modell des Alleinverdiener-Haushalts einer Erwerbstätigkeit beider Partner gewichen, wie IAB-Forscherin Susanne Wanger im IAB-Kurzbericht 4/2015 dargelegt hat.

Daraus resultiert auf der einen Seite vor allem für Eltern von kleinen Kindern oder pflegende Angehörige ein höherer Bedarf an Arbeitszeitflexibilität, um Beruf und Privatleben besser miteinander vereinbaren zu können.

Auf der anderen Seite ist Arbeitszeitflexibilität auch für viele Betriebe essenziell. Gerade im Zuge weltweiter Arbeitsteilung und digitaler Vernetzung steigen die Anforderungen an die Arbeit und der Bedarf an flexiblen Arbeitszeitmodellen. Auch müssen Betriebe schnell auf Änderungen der Nachfrage reagieren. Durch eine vorübergehende Arbeitszeitverlängerung im Rahmen flexibler Arbeitszeiten können Lieferzeiten verkürzt und Kundenwünsche schneller umgesetzt werden, umgekehrt kann in Krisenzeiten die Arbeitszeit schnell nach unten angepasst werden. Flexible Arbeitszeiten können zudem die Produktivität der Betriebe erhöhen.

Aufgrund der Digitalisierung nehmen Termindruck und wechselnde Arbeitszeiten zu

Gerade im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung nehmen schwierige Arbeitsbedingungen wie Termindruck oder wechselnde Arbeitszeiten tendenziell zu. Dies ist das Ergebnis einer Studie von Anja Warning und Enzo Weber, die als IAB-Kurzbericht 12/2017 publiziert wurde. Moderne Arbeitsgesellschaften stehen also vor der Herausforderung, die individuellen Bedürfnisse der Beschäftigten mit den betrieblichen Flexibilitätsbedarfen in Einklang zu bringen.

Da beide Interessen nicht deckungsgleich sein müssen, stellt sich die Frage, ob die in deutschen Betrieben praktizierten Arbeitszeitmodelle vorrangig den Interessen der Unternehmen entsprechen, oder ob und inwieweit auch die Beschäftigten selbst einen starken Einfluss auf die Gestaltung ihrer Arbeitszeiten haben.

Ausgestaltung der Arbeitszeit kann von unterschiedlichen Faktoren abhängen

In einem 2017 erschienenen IAB-DiscussionPaper haben die Autoren dieses Beitrags daher die Bestimmungsfaktoren von Überstunden und verschiedenen Arbeitszeitarrangements untersucht. Dabei wurde analysiert, von welchen Merkmalen die konkrete Ausgestaltung der Arbeitszeit, insbesondere deren Lage und Verteilung, abhängt. Die Entscheidung, ob Beschäftigte in Vollzeit oder Teilzeit arbeiten, wird nicht untersucht. Neben Merkmalen des Betriebs wurden auch Merkmale der Beschäftigten und Jobmerkmale berücksichtigt. Dieses indirekte Vorgehen wurde gewählt, da im Einzelfall nicht überprüft werden kann, ob Betriebe oder Beschäftigte ihre Interessen tatsächlich durchsetzen konnten.

So kann angenommen werden, dass die Branchenzugehörigkeit eine Rolle spielt, weil etwa Betriebe unterschiedlicher Branchen auch unterschiedliche Arbeitszeitmodelle benötigen. Denkbar wäre aber auch, dass Beschäftigte mit Kindern andere Arbeitszeitpräferenzen haben als Beschäftigte ohne Kinder und daher auch in anderen Arbeitszeitmodellen arbeiten. Sollte sich nun zeigen, dass unterschiedliche Arbeitszeitregelungen wesentlich stärker von den Merkmalen der Betriebe abhängen als von den Merkmalen der Beschäftigten, so wäre dies ein deutliches Indiz dafür, dass kurzfristige Arbeitszeitflexibilität überwiegend durch die Arbeitgeber bestimmt ist.

Merkmale des Betriebs, der Beschäftigten und des Jobs berücksichtigt

Bei den Merkmalen des Betriebs wurden die Wettbewerbssituation, Informationen zu Arbeitnehmervertretungen und die Zusammensetzung der Belegschaft berücksichtigt, etwa die Anteile an Teilzeit- oder befristet Beschäftigten. Darüber hinaus flossen Merkmale wie Betriebsgröße und Branche ein. Bei den Merkmalen der Beschäftigten wurden soziodemografische Faktoren wie Geschlecht und Alter, familiäre Situation, Informationen zum Arbeitsvertrag sowie Qualifikationsniveau und berufliche Stellung einbezogen. Als Merkmale des Jobs wurden berufliche Autonomie sowie Informationen zu Beruf und Führungsposition berücksichtigt. Arbeitszeitflexibilität wurde dabei durch das Auftreten von bezahlten und unbezahlten Überstunden sowie verschiedener Arbeitszeitmodelle (fester Beginn und festes Ende der täglichen Arbeitszeit; vom Betrieb festgelegte, teilweise wechselnde Arbeitszeiten; selbstbestimmte Arbeitszeit; Gleitzeit mit Arbeitszeitkonto) abgebildet.

Merkmale der Beschäftigten spielen für die Arbeitszeitgestaltung eine untergeordnete Rolle

Im Ergebnis zeigt sich, dass vor allem Betriebs- und Jobmerkmale für Überstunden und für die verschiedenen Arbeitszeitmodelle bestimmend sind. Merkmale der Beschäftigten spielen dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Insgesamt weisen die Befunde also darauf hin, dass Arbeitszeitflexibilität überwiegend arbeitgeberorientiert ist. Dies zeigt sich am deutlichsten – und wenig überraschend  – bei festen Arbeitszeiten und vom Betrieb festgelegten, teilweise wechselnden Arbeitszeiten.

Selbstbestimmte Arbeitszeiten werden besonders stark von Jobmerkmalen wie einer hohen Autonomie bestimmt, Gleitzeit mit Arbeitszeitkonto besonders stark von Betriebsmerkmalen wie der Betriebsgröße. Bei bezahlten Überstunden spielen Betriebsmerkmale wie die Branche die wichtigste Rolle, bei den unbezahlten Überstunden sind es die Jobmerkmale wie Führungsposition.

Diese Ergebnisse zeigen, dass Arbeitszeitflexibilität generell von Job-, Betriebs und Beschäftigtenmerkmalen abhängt. Zu beachten ist allerdings, dass damit keine Aussage über Einzelfälle getroffen wird, ob hier also Betriebe oder Beschäftige ihre Interessen tatsächlich durchsetzen konnten. So können Beschäftigte mit einer Präferenz für arbeitnehmerorientierte Arbeitszeitarrangements versuchen, Betriebe oder Jobs zu finden, die dies ermöglichen. Solche Arrangements können dann im Einzelfall durchaus Flexibilität für die Beschäftigten bieten – selbst wenn die Verteilung der Arrangements stärker durch die Anforderungen des Betriebs und des Jobs bestimmt werden als durch die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Allerdings hängt auch die Häufigkeit von Überstunden vor allem von Betriebs- und Jobmerkmalen ab.

Fazit

Angesichts des demografischen Wandels und der damit einhergehenden Verknappung von Arbeitskräften ist anzunehmen, dass arbeitnehmerorientierte Arbeitszeitarrangements künftig an Bedeutung gewinnen werden. Betriebe stehen dabei vor der Herausforderung, flexible Arbeitszeitregelungen so zu gestalten, dass Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen in Einklang gebracht werden. Dabei können vor allem die Sozialpartner auf der betrieblichen und tariflichen Ebene eine wichtige Rolle spielen.

Die gesetzlichen Regelungen müssen generell den berechtigten Schutzinteressen der Beschäftigten Rechnung tragen. Denkbar wäre aber, den Betrieben größere Flexibilität im Einzelfall zu erlauben, wenn die Arbeitgeber auf der betrieblichen und sozialpartnerschaftlichen Ebene im Gegenzug adäquate Zugeständnisse an anderer Stelle machen. Dabei könnte es zum Beispiel um eine Flexibilisierung der täglichen Arbeitszeitobergrenze gehen.

Voraussetzung müsste jedoch sein, dass Gewerkschaften beziehungsweise Betriebsräte zustimmen – eine Orientierung an Tarifverträgen oder eine institutionalisierte betriebliche Interessenkoordination vorausgesetzt – und entsprechende Zugeständnisse vonseiten der Arbeitgeber erfolgen.

In Paketlösungen könnten etwa Anpassungen von Lage und Länge der Arbeitszeit, die in jedem Fall rechtzeitig anzukündigen wären,  gekoppelt werden mit (großzügigeren) Urlaubsregelungen oder individuellen Freistellungen etwa für Weiterbildung oder Maßnahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements.

 

Literatur

Wanger, Susanne (2015): Frauen und Männer am Arbeitsmarkt: Traditionelle Erwerbs- und Arbeitszeitmuster sind nach wie vor verbreitet. IAB-Kurzbericht Nr. 4.

Warning, Anja; Weber, Enzo (2017): Wirtschaft 4.0: Digitalisierung verändert die betriebliche Personalpolitik. IAB-Kurzbericht Nr. 12.

Weber, Enzo (2016): Industrie 4.0: Wirkungen auf den Arbeitsmarkt und politische Herausforderungen. In: Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, Jg. 65, H. 1, S. 66–74.

Zapf, Ines; Weber, Enzo (2017): The role of employer, job and employee characteristics for flexible working time: An empirical analysis of overtime work and flexible working hours’ arrangements. IAB-Discussion Paper Nr. 4.