Forschungsergebnisse zeigen, dass Frauen insbesondere bezüglich Qualifikation und Erwerbstätigkeit stetig aufholen. Doch gilt das auch für ihren Anteil an Führungspositionen? Susanne Kohaut und Iris Möller gehen dieser Frage seit vielen Jahren nach. Anlässlich der Veröffentlichung ihres aktuellen IAB-Kurzberichts zu diesem Thema hat die Forumsredaktion bei ihnen nachgefragt.

Dr. Iris Möller und Dr. Susanne Kohaut (rechts) sind ist wissenschaftliche Mitarbeiterinnen im Forschungsbereich „Betriebe und Beschäftigung“ am IAB.

Frau Kohaut, Frau Möller, seit langem ist es ein stark diskutiertes Thema, dass Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert sind. Sie analysieren jährlich die Zahlen des IAB-Betriebspanels dazu: Hat sich in den letzten Jahren denn etwas bewegt?

Susanne Kohaut: Leider kaum. Wir beobachten die Entwicklung von Frauen in Führungspositionen bereits seit dem Jahr 2004. Damals war auf der obersten Führungsebene in der Privatwirtschaft ein Viertel aller Chefpositionen mit Frauen besetzt. In den achtzehn Jahren bis 2022 ist der Anteil der weiblichen Führungskräfte gerade mal um drei Prozentpunkte gestiegen, auf 28 Prozent. Gemessen an ihrem Anteil an der Gesamtbeschäftigung, der fast die Hälfte beträgt, sind Frauen in Führungspositionen immer noch stark unterrepräsentiert.

Es existieren nach wie vor Stereotype, dass Frauen nur eine geringe Karriereorientierung hätten.

Wo sehen Sie die Hauptursachen für diesen Stillstand?

Iris Möller: Ich sehe verschiedene Gründe dafür. Einer ist sicherlich, dass Frauen nach wie vor die Hauptlast bei der Betreuung von Kindern und der Pflege von Angehörigen schultern. Hinderlich sind auch nach wie vor existierende Stereotype, die Frauen bestimmte Verhaltensmuster zuweisen, zum Beispiel, dass sie nur eine geringe Karriereorientierung hätten. Auch dass Frauen seltener Zugang zu den karriererelevanten Netzwerken haben, verringert ihre Chancen auf Toppositionen.

Frauen arbeiten in Deutschland sehr viel häufiger in Teilzeit als Männer, eben weil sie oft Kinder und Angehörige betreuen. Dies gilt nach wie vor als Hürde für eine Führungsposition. Gibt es eine Entwicklung, dass Betriebe inzwischen auch Führungspositionen in Teilzeit möglich machen?

Kohaut: Ja. Fast ein Viertel der Betriebe in der Privatwirtschaft geben inzwischen an, dass es in ihrem Betrieb möglich ist, Führungspositionen in Teilzeit auszuüben. Da sehen wir schon eine solche Entwicklung, vor allem in größeren Betrieben.

In dreizehn Prozent der Betriebe wird mindestens eine Vorgesetztenposition in Teilzeit ausgeübt.

Und wird diese Möglichkeit auch genutzt?

Kohaut: Durchaus. In deutlich über der Hälfte der Betriebe, die Führen in Teilzeit anbieten, wird von dem Angebot auch Gebrauch gemacht, im Westen etwas häufiger als im Osten. Wenn wir das auf alle Betriebe der Privatwirtschaft beziehen, bedeutet das, dass in 13 Prozent der Betriebe mindestens eine Vorgesetztenposition in Teilzeit ausgeübt wird. Das ist ein guter Anfang, wir hoffen, diese positive Entwicklung setzt sich fort.

Die Bundesregierung hat eine Frauenquote für Vorstände und Aufsichtsräte gesetzlich festgelegt. Deutschlands Wirtschaft ist allerdings stark von kleinen und mittleren Betrieben geprägt, die von dieser Vorgabe gar nicht tangiert werden. Erwarten Sie trotzdem einen messbaren Effekt?

Möller: Da sind wir eher pessimistisch. Die Hoffnung, dass sich die gesetzlichen Vorgaben für große Unternehmen messbar auf die gesamte Privatwirtschaft auswirken, hat sich bislang nicht erfüllt.

Politik und Betriebe sind gefragt, weitere familienfreundliche und gleichstellungsorientierte Rahmenbedingungen zu setzen.

Welche weiteren Veränderungen müssten in der Gesellschaft und in den Unternehmen denn vollzogen werden, damit das Führungsverhältnis zwischen Männern und Frauen endlich ausgewogener wird?

Möller: Einen wesentlichen Punkt sehen wir bei einer geschlechtergerechteren Verteilung von Familienarbeit, damit Frauen nicht mehr die Hauptlast von Pflege und Erziehung schultern müssen. Hier sind Politik und Betriebe gefragt, weitere familienfreundliche und gleichstellungsorientierte Rahmenbedingungen zu setzen. Aber wir brauchen auch einen kulturellen Wandel. Immer noch gibt es Vorurteile gegenüber Frauen in Führungspositionen. Diese müssen dringend weiter abgebaut werden.

 

Literatur

Kohaut, Susanne; Möller, Iris (2023): Führungspositionen in Deutschland 2022: Frauen bleiben nach wie vor unterrepräsentiert. IAB-Kurzbericht Nr. 22

 

Bild: Rawpixel.com/stock.adobe.com

doi: 10.48720/IAB.FOO.20231212.01

Keitel, Christiane (2023): Männer sind in Führungspositionen weiterhin in der Überzahl, In: IAB-Forum 12. Dezember 2023, https://www.iab-forum.de/maenner-weiter-in-fuehrung/, Abrufdatum: 29. April 2024