Das Bruttoinlandsprodukt stieg preis-, saison- und kalenderbereinigt im dritten Quartal um 0,4 Prozent gegenüber dem Vorquartal und lag damit erstmals wieder über dem Niveau von vor der Corona-Pandemie. Getragen wurde diese Entwicklung durch Nachholeffekte beim Konsum infolge der Lockerungen der Corona-Maßnahmen im Sommer. Im laufenden Quartal ist mit einer Abschwächung der Konjunktur zu rechnen. Die steigende Inflation, insbesondere durch hohe Energiekosten, Unsicherheiten durch den Ukrainekrieg sowie fortbestehende Liefer- und Materialengpässe wirken dämpfend. Die Lage am Arbeitsmarkt ist weitestgehend unverändert.

Außenwirtschaftliches Umfeld

Die Weltwirtschaft verliert durch die schwierige Gemengelage insgesamt an Schwung. Die Wirtschaftsleistung in der Europäischen Union ist lediglich um 0,2 Prozent gestiegen, im Vereinigten Königreich schrumpfte sie sogar leicht um 0,2 Prozent. Nach einem schwachen ersten Halbjahr wuchs das US-amerikanische Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal immerhin um 0,6 Prozent. In China hat sich die Wirtschaft im dritten Quartal, nach einem Einbruch im zweiten, wieder erholt. Die Einschätzungen zur aktuellen konjunkturellen Lage in der Eurozone, den USA und China sind weiterhin pessimistisch. Die Konjunkturerwartungen hellten sich zuletzt, ausgehend von einem niedrigen Niveau, aber wieder auf.

Außenhandel

Der deutsche Außenhandel zeigte sich trotz der angespannten Gesamtsituation relativ robust. Hohe Auftragsbestände und nachlassende Lieferengpässe wirkten sich positiv aus. Somit sind die Exporte im dritten Quartal um 2 Prozent gegenüber dem letzten Quartal gestiegen, die Importe sogar um 2,4 Prozent. Im Zuge der schwächeren weltwirtschaftlichen Entwicklung ist in den nächsten Monaten eher mit einer Abschwächung im Außenhandel zu rechnen. Die Exporterwartungen im Verarbeitenden Gewerbe sind bereits seit mehreren Monaten getrübt.

Investitionen

Bezüglich der Investitionen gibt es gemischte Signale. Während die Ausrüstungsinvestitionen mit einem Plus von 2,7 Prozent deutlich zulegten, sind die Bauinvestitionen im dritten Quartal gegenüber dem Vorquartal noch einmal um 1,4 Prozent gesunken. Die Entwicklung der Investitionen wird sich durch anhaltende Materialengpässe, Verteuerungen von Rohstoffen und die Unsicherheit bei der Energieversorgung im Winter vermutlich weiter abschwächen. Insbesondere das Baugewerbe verliert an Dynamik. Hohe Baupreise, geringere Kaufkraft und gestiegene Finanzierungskosten belasten die Branche. Zwar stieg der Geschäftsklimaindex im Bauhauptgewerbe diesen Monat wieder etwas, dennoch befinden sich die Indikatoren zur Einschätzung der aktuellen Lage und zu den Konjunkturerwartungen auf sehr niedrigem Stand. Der Auftragseingang im Bauhauptgewerbe ist seit Längerem rückläufig und sank im Vorjahresvergleich im September 2022 kräftig um 22,6 Prozent.

Konsum

Der Konsum erwies sich als Stütze der Wirtschaftsentwicklung. Der private Konsum stieg im dritten Quartal um 1 Prozent. Die Belebung ist auf den Wegfall der coronabedingten Einschränkungen zurückzuführen. Der Staatskonsum blieb unverändert. Angesichts der hohen Inflation und der Unsicherheit über die Energiekosten verharrt der Konsumklimaindex weit im negativen Bereich. Die zuletzt höheren Tarifabschlüsse und die im Zuge der Energiepreisbremsen geplanten Maßnahmen dürften aber stabilisierend wirken.

Arbeitsmarkt

Am Arbeitsmarkt ist die Lage weitestgehend unverändert. Die Arbeitslosigkeit steigt sowohl im SGB-II- als auch im SGB-III-Bereich, insgesamt ist der Anstieg aber moderat. Die Beschäftigung nahm am aktuellen Rand im Vergleich zum Vormonat sogar etwas stärker zu. Die Arbeitsnachfrage ist weiterhin hoch. Das IAB-Arbeitsmarktbarometer setzte seine Talfahrt nicht weiter fort, sondern bleibt im November auf dem Vormonatsniveau von knapp über 100 Punkten.

DOI: 10.48720/IAB.FOO.20221130.01

Bauer, Anja; Weber, Enzo (2022): Einschätzung des IAB zur wirtschaftlichen Lage – November 2022, In: IAB-Forum 30. November 2022, https://www.iab-forum.de/einschaetzung-des-iab-zur-wirtschaftlichen-lage-november-2022/, Abrufdatum: 28. April 2024