Revidierten Ergebnissen zufolge ist die deutsche Wirtschaft im Winterhalbjahr weniger stark eingebrochen als bisher angenommen. Im zweiten Quartal 2023 stagnierte das Bruttoinlandprodukt – preis-, saison- und kalenderbereinigt – laut vorläufigen Berechnungen.  Die Konjunkturdynamik bleibt damit schwach. Und auch die Vorlaufindikatoren trüben sich weiter ein. Die Arbeitsmarktentwicklung hat sich über die vergangenen Monate abgeschwächt, fällt verglichen mit der Konjunktur aber positiver aus.

Außenwirtschaftliches Umfeld

Die Entwicklung der Weltwirtschaft bleibt gedämpft. Steigende Leitzinsen und hohe Inflation beschränken die wirtschaftlichen Aktivitäten. Die Vorlaufindikatoren geben infolgedessen weiter nach. Sowohl die Einschätzungen zur aktuellen Lage als auch die Erwartungen für das nächste halbe Jahr sind in der Eurozone, in China und den USA tendenziell abwärtsgerichtet. Eine Ausnahme bildet die Einschätzung zur aktuellen Lage in den USA, welche sich auf niedrigem Niveau seitwärts entwickelt.

Außenhandel

Dementsprechend ist die Auslandsnachfrage geschwächt, was den deutschen Außenhandel belastet. So nahmen die Exporte im Mai kalender- und saisonbereinigt 0,1 Prozent gegenüber April ab. Nach zwei Rückgängen infolge sind die Importe wieder gestiegen und verzeichneten ein Plus von 1,7 Prozent gegenüber dem Vormonat. Die Exporte in Nicht-EU-Staaten sind im Juni voraussichtlich um nur 0,5 Prozent zum Vormonat gewachsen. Die Exporterwartungen im Verarbeitenden Gewerbe haben sich erneut leicht verschlechtert und befinden sich damit weiter im negativen Bereich. Insgesamt zeigen sich daher kaum Aufwärtstendenzen.

Investitionen

Die Investitionen werden durch zunehmend schlechtere Finanzierungsbedingungen beeinträchtigt. Im Mai ist die Produktion von Investitionsgütern erneut gestiegen. Auch die Umsätze und der Auftragseingang konnten gegenüber dem Vormonat zunehmen. Der Indikator zur aktuellen Geschäftslage gab im Juli nochmals nach, der Indikator zur Einschätzung der zukünftigen Lage befindet sich weiter im Minus. Der Auftragseingang im Bauhauptgewerbe erholt sich von seinem Tiefpunkt im Januar 2023 nur langsam. Die Zahl der Baugenehmigungen ist seit Längerem rückläufig. Eine Besserung der Lage ist nicht absehbar, denn die Einschätzungen zur aktuellen und zukünftigen Lage im Bauhauptgewerbe haben sich erneut eingetrübt.

Konsum

Die Erholung des Konsums zieht sich momentan hin. Zwar stabilisieren die erhöhten Tarifabschlüsse das real verfügbare Einkommen der Haushalte und damit den Konsum. Die Inflation bleibt aber auf hohem Niveau, was unter anderem durch einen Basiseffekt aufgrund der mittlerweile ausgelaufenen Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung (wie den Tankrabatt und 9-Euro-Ticket) im Vorjahr resultiert. Obwohl die Energiepreise wieder stark gefallen sind, wirken aktuell die Anstiege infolge der Energiepreisschocks aus dem letzten Jahr noch nach. Diese manifestieren sich üblicherweise erst über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren. Daher treten die positiven Konjunktureffekte ebenso erst mit Verzögerung auf. Im Mai ist der Umsatz im Einzelhandel erneut gestiegen. Der Umsatz im Dienstleistungsbereich ist im April wieder gesunken. Der Geschäftsklimaindex für den Dienstleistungssektor befindet sich im Plus, gibt aber am aktuellen Rand nochmals etwas nach. Der Konsumklimaindex liegt noch deutlich im negativen Bereich und konnte im Juni nicht weiter steigen.

Arbeitsmarkt

Die Arbeitsmarktentwicklung hat sich über die vergangenen Monate abgeschwächt, fällt verglichen mit der Konjunktur aber positiver aus. Die Arbeitslosigkeit, die in den letzten Monaten moderat gestiegen ist, sinkt im Juli. Diese Entwicklung entsteht durch einen Rückgang der Arbeitslosigkeit im SGB-II-Bereich. Die Arbeitslosigkeit im konjunkturnahen SGB-III-Bereich nimmt hingegen zu, aber weniger stark als noch im Juni.  Bei der Beschäftigung zeigte sich im Mai wieder ein etwas stärkerer Zuwachs im Vergleich zum Vormonat. Das IAB-Arbeitsmarktbarometer sinkt geringfügig um 0,1 Punkte auf einen Wert von 101,0 und liegt damit weiterhin im positiven Bereich.

 

DOI: 10.48720/IAB.FOO.20230801.01

Weber, Enzo; Bauer, Anja (2023): Einschätzung des IAB zur wirtschaftlichen Lage – Juli 2023, In: IAB-Forum 1. August 2023, https://www.iab-forum.de/einschaetzung-des-iab-zur-wirtschaftlichen-lage-juli-2023/, Abrufdatum: 28. April 2024