Russlands Exporte machen einen großen Teil der weltweiten Exporte in einigen Waren- und Rohstoffklassen aus. Dabei handelt es sich vor allem um Nickel, Düngemittel, mineralische Brennstoffe und Mineralöle, Getreide und Holz. Ihre Preise und ihr Angebot werden durch den Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen Wirtschaftssanktionen beeinflusst. Die Preisänderungen dieser Waren und Rohstoffe, aber auch von Waren in der nachgelagerten Produktionskette, werden sich über den Handel, auch mit Drittländern, auf die deutsche Wirtschaft auswirken.

Sowohl im Vorfeld als auch nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar 2022 wurden zahlreiche Sanktionen gegen Russland verhängt. Am 22. Februar stoppte Deutschland die Zertifizierung der Gaspipeline Nord Stream 2; am 8. März untersagten die Vereinigten Staaten die Einfuhr von russischem Öl, Flüssiggas und Kohle. Am selben Tag verbot Russland die Ausfuhr einiger Rohstoffe und Waren. Am 11. März kündigten die Europäische Union, die Vereinigten Staaten, das Vereinigte Königreich, Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien und Japan eine Reihe zusätzlicher Finanz- und Handelssanktionen an, einschließlich der Einführung höherer Zölle. Wie auf der Website der Welthandelsorganisation WTO beschrieben, besagt das Meistbegünstigungsprinzip grob, dass ein Mitgliedsland, das die Handelsbedingungen mit einem einzigen Partner verbessert, verpflichtet ist, allen anderen WTO-Mitgliedern die gleichen Bedingungen einzuräumen. Mit der Einführung der Zölle wurden die Vorteile, die Russland als WTO-Mitglied genießt, faktisch aufgehoben. Russland konterte und verbot den Export einer Reihe von Produkten bis Ende 2022, darunter Telekommunikations-, Medizin-, Automobil-, Landwirtschafts- und Elektrogeräte sowie einige forstwirtschaftliche Erzeugnisse. Am 15. März führte die Europäische Union weitere Sanktionen ein, darunter eine Einfuhrsperre von Eisen und Stahl aus Russland. Die Liste der Maßnahmen ist lang; eine vollständige Fassung wurde vom Peterson Institute for International Economics zur Verfügung gestellt.

Im Jahr 2020 war China der größte Exportmarkt Russlands, gefolgt von den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich und — an vierter Stelle — Deutschland . Russland importierte die meisten Waren aus China, gefolgt von Deutschland und den Vereinigten Staaten. Aus der Sicht Russlands sind Deutschland und die gesamte Europäische Union wichtige Handelspartner. Obwohl Deutschland große Mengen an Erdgas und Erdöl aus Russland importiert, macht der Handel mit Russland nur einen kleinen Teil der gesamten deutschen Exporte und Importe aus.

Weltweit signifikante Exporte Russlands

Betrachtet man den Welthandel, so entfällt auf Russland ein erheblicher Anteil an Ausfuhren bestimmter Waren und Rohstoffe. Dies sind die Produkte und Märkte, bei denen die Sanktionen und die allgemeine Stellung Russlands in der Weltwirtschaft die größten Auswirkungen auf die Weltmarktpreise haben werden. Die Statistikabteilung der Vereinten Nationen unterteilt Rohstoffe und Produkte nach ihrer wirtschaftlichen Verwendung oder ihren Bestandteilen in 98 Kategorien. Abbildung 1 zeigt zwölf Produktkategorien, in denen Russlands Exporte im Jahr 2020 den größten Anteil an den weltweiten Ausfuhren hatten. Der internationale Handel war im Jahr 2020 aufgrund der Covid-19-Pandemie erheblich gestört. Aus diesem Grund sind die Exportanteile in Abbildung 1 auch für das Jahr 2019 angegeben, in dem es keine größeren Störungen gab — zumindest keine, die mit den Effekten der Pandemie vergleichbar waren.

Im Jahr 2020 standen Nickel und Waren aus Nickel an erster Stelle: Mit fast 13 Prozent aller Ausfuhren war Russland weltweit der größte Exporteur (siehe Abbildung 1) und der drittgrößte Produzent. Nickel ist ein wichtiges Material für die Herstellung von Batterien. Störungen in der Versorgung mit Nickel werden sich wahrscheinlich auf die Wertschöpfungskette für Batterien und damit auch für Elektrofahrzeuge auswirken. Wie erwartet ist der Nickelpreis seit Beginn des Krieges in der Ukraine erheblich gestiegen. An der Londoner Metallbörse wurde eine Tonne des Rohstoffs im Januar dieses Jahres für durchschnittlich rund 22.000 US-Dollar gehandelt, während der Durchschnittspreis im März bereits bei rund 37.000 US-Dollar lag.

Düngemittel sind eine weitere Produktgruppe, die Russland sowohl 2019 (14 % der weltweiten Ausfuhren) als auch 2020 (13 %) in großem Umfang exportierte. Diese wirken sich, wie beispielsweise Gregoire Lory in  einem aktuellen Beitrag für Euronews ausführt, auf die Produktionskosten der Landwirte aus. Dies wird wahrscheinlich zu einem Anstieg der Preise einer breiten Palette von landwirtschaftlichen Erzeugnissen führen — nicht nur der in Deutschland produzierten, sondern auch der aus dem Ausland stammenden.

Die dritte Kategorie sind mineralische Brennstoffe und Mineralöle, deren Produkte Deutschland in großen Mengen direkt aus Russland importiert. Russland war im Jahr 2020 nach den Vereinigten Staaten und den Vereinigten Arabischen Emiraten der drittgrößte Exporteur der Welt. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Erdöl- und Erdgaspreise nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine in die Höhe schossen. Die Erdölmärkte sind global ausgerichtet, während die Erdgasversorgung von den Pipelinenetzen zwischen den Ländern und den Terminals für Flüssiggas abhängt. Die Gasmärkte sind hingegen, wie etwa Cullen S. Hendrix in einer jüngst erschienenen Analyse darlegt, eher regional geprägt, was einige der Preisunterschiede zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union erklärt.

Abbildung 1 zeigt den Anteil russischer Exporte an weltweiten Exporten für ausgewählte Prodiktkategorien in den Jahren 2019 und 2020. Im Jahr 2020 waren die vier wichtigsten Importkategorien Nickel mit 13 Prozent, Düngemittal mit 13 Prozent, Mineralölprodukte mit 9 Prozent und Getreide mit 8 Prozent. Quelle: ITC Trade Map and UN COMTRADE data.

Eine entscheidende Frage ist, ob und wie lange die Erdöl- und Erdgaspreise auf einem höheren Niveau bleiben werden. Die Erdgaspreise können angesichts der stärker regionalisierten Märkte von Dauer sein. Beim Öl hingegen stellen Massimo Guidolin und Eliana La Ferrara in einer Studie aus dem Jahr 2010 fest, dass gewaltsame Konflikte, in die ölproduzierende Länder verwickelt sind, meist zu vorübergehenden Preisänderungen führen, die nur einige Wochen bestehen.

Während die Öl- und Gasproduktion erhöht werden kann, um den Markt zu stabilisieren und die Preise zu senken, ist dies bei Weizen, Gerste und den anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus der Produktkategorie Getreide nicht der Fall. Die Aussaat ist eine saisonale Angelegenheit und kann nicht kurzfristig angepasst werden, wie Cullen Hendrix in einer jüngst veröffentlichten Analyse argumentiert. Russland war 2020 der führende Exporteur von Weizen und Mengkorn (ein Gemenge verschiedener Getreidearten) und lag bei Gerste an dritter Stelle. Für die gesamte Klasse der landwirtschaftlichen Erzeugnisse, die als Getreide definiert sind, exportierte Russland im Jahr 2020 8 Prozent der weltweiten Gesamtmenge.

Auf die Ukraine entfällt ein erheblicher Anteil der weltweiten Ausfuhren einiger Produktkategorien

Am 6. März führte die Ukraine ein Lizenzsystem für den Export von Weizen, Mais und Sonnenblumenöl ein und verbot die Ausfuhr von Roggen, Hafer, Hirse und Buchweizen sowie anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Die Getreideexporte des Landes machen fast 8 Prozent des weltweiten Gesamtvolumens aus (siehe Abbildung 2), was sich zusammen mit dem Anteil Russlands auf 16 Prozent summiert. Die am stärksten betroffenen Unterkategorien sind Weizen und Mengkorn, bei denen der gemeinsame Anteil der russischen und ukrainischen Ausfuhren rund 26 Prozent beträgt, bei Gerste rund 24 Prozent. Der gemeinsame Anteil der russischen und ukrainischen Exporte an den weltweiten Exporten von tierischen und pflanzlichen Fetten, einer weiteren der 98 Hauptkategorien, beläuft sich auf über 9 Prozent.

Abbildung 2 zeigt den Anteil ukrainischer Exporte an den weltweiten Exporten für Getreide sowie pflanzliche und tierische Fette in den Jahren 2019 und 2020. Im Jahr 2020 beliefen sich die Anteile auf 8 Prozent für Getreide und 6 Prozent für pflanzliche und tierische Fette. Quelle: ITC Trade Map and UN COMTRADE data

Beeinträchtigungen der Produktion und des Handels sowohl mit der Ukraine als auch mit Russland haben ein erhebliches Potenzial, die Preise einiger landwirtschaftlicher Erzeugnisse nach oben zu treiben und dadurch die am wenigsten entwickelten Länder, die am meisten von erschwinglichen Preisen für landwirtschaftliche Erzeugnisse abhängig sind, zu belasten.

Am ehesten vom Krieg betroffene Importe und Exporte Deutschlands

Viele der Güter, für die Russland ein wichtiger Exporteur ist, sind Ausgangsstoffe für andere Produkte und Rohstoffe, was sich auf die Preise in der Produktionskette auswirken dürfte. Was die genannten zwölf Produktkategorien betrifft, so ist der deutsche Anteil am Welthandel mit Ausnahme von mineralischen Brennstoffen und Ölen nicht groß (siehe Abbildung 3, die den Gesamtwert der deutschen Welthandelsanteile für die gleichen Rohstoffe und Produktklassen wie in Abbildung 1 darstellt).

Die gesamtwirtschaftlichen Kosten des Krieges und der Sanktionen für die deutschen Produzenten und Verbraucher werden sich höchstwahrscheinlich durch breite Preiseffekte bemerkbar machen, und zwar nicht nur direkt durch die in Abbildung 3 dargestellten Importgüter, sondern auch durch Güter (und Dienstleistungen) in der nachgelagerten Produktionskette.

Abbildung 3 zeigt das Volumen deutscher Exporte und Importe für ausgewählte Produktkategorien im Jahr 2021. Die mit Abstand wichtigste Importkategorie sind mineralische Brennstoffe und Mineralöle, einschließlich der daraus destillierten Erzeugnisse. Deren Importvolumen beträgt 108 Milliarden Euro, das Exportvolumen 37 Milliarden Euro. Quelle: Federal Statistical Office of Germany

Vorübergehende Auswirkungen von fehlenden oder verzögerten Lieferungen spezifischerer Waren und Materialien, die nicht nur aus Russland, sondern auch aus der Ukraine importiert werden, wirken sich bereits auf deutsche Produzenten aus. Ein Beispiel ist die Ankündigung von Kurzarbeit bei Automobilherstellern im Februar 2022 wegen fehlender Kabelbäume aus der Ukraine, wie in einem Beitrag von MDR Sachsen vom 26. Februar 2022 beschrieben. Inwieweit solche Unterbrechungen bestimmte Branchen beeinträchtigen können, hängt davon ab, ob diese Branchen in der Lage sind, ihre Zulieferer schnell zu diversifizieren.

Fazit

Russland spielt im Welthandel eine wichtige Rolle für eine Reihe von Waren und Rohstoffen, die oft Teil der Wertschöpfungsketten vieler anderer Produkte sind. Obwohl Russland mit Ausnahme von Erdgas und Erdöl kein großer Handelspartner Deutschlands ist, werden Sanktionen und Handelsbeeinträchtigungen durch Preisauswirkungen auch bei Produkten, die aus Drittländern eingeführt werden, die deutsche Wirtschaft belasten. Das Ausmaß der nachteiligen Auswirkungen wird davon abhängen, wie schnell die deutschen Unternehmen in der Lage sind, ihre Versorgung zu diversifizieren, aber auch davon, welche Preise sie dafür aushandeln können.

Daten

Die in diesem Artikel behandelten Warenkategorien sind recht umfangreich und bestehen aus zusätzlichen Unterkategorien mit einer großen Anzahl von Produkten und Rohstoffen. Es gibt Unterkategorien (auch innerhalb der hier nicht behandelten Hauptkategorien) mit Waren, bei denen Russland und die Ukraine große Anteile an den gesamten weltweiten Exporten haben könnten. Ein Beispiel ist die hier behandelte Hauptkategorie Getreide. Sie besteht unter anderem aus den Unterkategorien Weizen und Mengkorn, Roggen, Gerste und Reis. Während auf Russland 8 Prozent der Getreideausfuhren entfielen, exportierte es in der Unterkategorie Weizen und Mengkorn im Jahr 2020 fast 18 Prozent der weltweiten Gesamtausfuhren.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Abbildungen 1 und 2 Zahlen für 2019 und 2020 zeigen. Für das Jahr 2021 liegen noch keine Exportzahlen für Russland vor. Abbildung 3 hingegen konzentriert sich deswegen auf das Jahr 2021, da dies die aktuellsten Daten zu deutschen Exporten und Importen sind.

Literatur

Bown, Chad P. (2022): Russia’s war on Ukraine: A sanctions timeline. Peterson Institute for International Economics, aufgerufen am 24.03.2022.

Guidolin, Massimo and Eliana La Ferrara (2010): The economic effects of violent conflict: Evidence from asset market reactions. In: Journal of Peace Research, Vol. 47, Issue 6, S. 671-684.

Hendrix, Cullen S. (2022): Russia and Ukraine are key exporters of food and energy. Will global prices spike? Here’s what the research tells us. The Washington Post, aufgerufen am 24.03.2022.

Hendrix, Cullen S. (2022): Higher oil prices stemming from Russia-Ukraine war may be temporary. Peterson Institute for International Economics, aufgerufen am 25.03.2022.

Lory, Gregoire (2022): Skyrocketing fertiliser prices sends farmers production costs soaring. Euronews, aufgerufen am 04.04.2022.

Mitteldeutscher Rundfunk (2022): Wegen Russlands Krieg gegen Ukraine: Kurzarbeit bei VW in Zwickau und Dresden. Aufgerufen am 04.04.2022.

World Trade Organization (2022): Let’s Talk Most Favoured Nation. Aufgerufen am 04.04.2022.

In aller Kürze

  • Russland ist ein großer Exporteur einiger Waren- und Rohstoffklassen, vor allem von Nickel, Düngemitteln, mineralischen Brennstoffen und Mineralölen, Getreide und Holz.
  • Diese Produkte und Rohstoffe sind ein fester Bestandteil vieler Produktionsketten.
  • Preiserhöhungen als Folge des Krieges in der Ukraine werden sich auf eine breitere Palette von Produkten und damit auf die deutsche Wirtschaft auswirken.
  • Inwieweit die deutschen Unternehmen diesen Preisdruck abfedern können, wird auch davon abhängen, in welchem Ausmaß sie für die betroffenen Rohstoffe und Erzeugnisse neue Lieferanten gewinnen können und welche Preise sie aushandeln können.

 

doi:10.48720/IAB.FOO.20220425.01

Kassam, Kamal; Stepanok, Ignat (2022): Der Ukraine-Krieg, der internationale Handel und Preiseffekte für die deutsche Wirtschaft, In: IAB-Forum 25. April 2022, https://www.iab-forum.de/der-ukraine-krieg-der-internationale-handel-und-die-preiseffekte-fuer-die-deutsche-wirtschaft/, Abrufdatum: 26. April 2024