Parallel zu den gesamtdeutschen Arbeitsmarktprognosen veröffentlicht das IAB regionalisierte Prognosen für die Bundesländer und Agenturbezirke. Diese sind eine wertvolle Informationsquelle für die Bundesagentur für Arbeit und die Fachpolitik. Die Forum-Redaktion hat bei Anja Rossen nachgefragt, wie ihr Prognoseteam die Entwicklung der regionalen Arbeitsmärkte im Jahr 2024 einschätzt.

Frau Rossen, wie wirkt sich die angespannte wirtschaftliche Lage in Deutschland auf die regionalen Arbeitsmärkte aus?

Wir spüren die Auswirkungen dort deutlich. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung steigt in vielen Bundesländern zwar nach wie vor, aber nahezu alle Bundesländer verzeichnen gleichzeitig auch einen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Darüber hinaus beobachten wir, dass das Beschäftigungswachstum immer noch weniger stark ausfällt, als wir es vor der Pandemie gewohnt waren.

Die konjunkturelle Schwäche dämpft das Beschäftigungswachstum im Westdeutschland etwas stärker.

Ein wichtiger Teil Ihrer Prognose beleuchtet die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. Wie entwickeln sich diese im nächsten Jahr?

Wir erwarten, dass das Beschäftigungswachstum in Ost- und Westdeutschland, relativ gesehen, in etwa gleich stark sein wird. Vor dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie war das noch anders: Damals wuchs die Beschäftigung im Westen immer stärker als im Osten. Doch es sieht so aus, als ob auch die konjunkturelle Schwäche das Beschäftigungswachstum in Westdeutschland etwas stärker dämpfen wird. Die Arbeitslosigkeit wird im kommenden Jahr in Ostdeutschland unter anderem aufgrund demografischer Faktoren etwas geringer zunehmen als im Westen.

Porträtfoto von Dr. Anja Rossen

Dr. Anja Rossen ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Regionalen Forschungsnetz, Regionaleinheit IAB Bayern, am IAB.

Welche Regionen in Westdeutschland sind vom Anstieg der Arbeitslosigkeit am meisten betroffen?

Im kommenden Jahr wird die Arbeitslosigkeit in Bayern und Hamburg, relativ gesehen, am stärksten ansteigen. Im Jahresdurchschnitt 2024 wird die Zahl der Arbeitslosen in beiden Regionen um gut vier Prozent höher sein als 2023, das bedeutet absolut gesehen 11.000 und 3.500 Personen mehr. Man muss jedoch auch auf unsere Prognosen der Arbeitslosenquoten schauen, denn die zeigen ein differenzierteres Bild. Während Bayern im kommenden Jahr trotzdem weiterhin den Spitzenplatz mit der niedrigsten Arbeitslosenquote einnehmen wird, liegt die Arbeitslosenquote in Hamburg nämlich deutlich höher, und auch der Anstieg zum Vorjahr ist dort vergleichsweise hoch.

Welche Risiken sehen Sie für die Dynamik der regionalen Arbeitsmärkte im Jahr 2024?

Ich sehe die gleichen Risiken wie auf gesamtdeutscher Ebene:  Das sind vor allem das außenwirtschaftliche Umfeld und die weiterhin bestehende Inflation. In China beobachten wir Unsicherheiten auf dem Immobilienmarkt, die die Auslandsnachfrage stärker beeinflussen könnten. In der Eurozone hängt die wirtschaftliche Entwicklung unserer Nachbarländer wesentlich davon ab, ob die Inflation gesenkt wird. Wenn sich die Inflation verfestigt, könnten zusätzliche Zinserhöhungen seitens der Europäischen Zentralbank die Nachfrage im Euro-Raum weiter bremsen. Auch der inländische Konsum bleibt bei einer anhaltenden Inflation natürlich geschwächt.

Qualifizierte Beschäftigte sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in allen Regionen.

Und doch sinkt die Nachfrage nach Beschäftigten weiterhin kaum?

Das ist die gute Nachricht, ja. In Deutschland zeigt sich bereits seit der Weltfinanzkrise, dass die Erwerbstätigkeit weniger auf konjunkturelle Schwankungen reagiert. Viele Betriebe versuchen inzwischen selbst in wirtschaftlich schwierigen Phasen ihre Belegschaft zu halten. Qualifizierte Beschäftigte sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in allen Regionen, vor allem in Zeiten von zunehmenden Fachkräfteengpässen.

Literatur

Heining, Jörg; Jahn, Daniel; Körner, Konstantin; Rossen, Anja; Teichert, Christian; Weyh, Antje (2023): Regionale Arbeitsmarktprognosen 2023/2024: Angespannte wirtschaftliche Lage trifft die regionalen Arbeitsmärkte unterschiedlich. IAB-Kurzbericht Nr. 20.

DOI: 10.48720/IAB.FOO.20231010.01