Massenentlassungen haben für die Betroffenen langfristig negative Konsequenzen auf dem Arbeitsmarkt. Das betrifft sowohl die Verdienstmöglichkeiten als auch die Beschäftigungschancen. Aus verschiedenen Gründen trifft dies für Zugewanderte noch stärker zu als für Einheimische.

In wirtschaftlichen Krisenzeiten müssen viele Betriebe Insolvenz anmelden oder Beschäftigte entlassen. Für Letztere hat dies langfristig negative Folgen auf dem Arbeitsmarkt, wie unterschiedliche Studien belegen. Sie sind in der Folge häufiger beziehungsweise länger arbeitslos. Zugleich verdienen sie meist weniger als vorher. Es gibt allerdings bislang kaum empirische Evidenz zu der Frage, inwieweit sich die Kosten eines solchen Arbeitsplatzverlustes zwischen Einheimischen und Zugewanderten, die in Deutschland gearbeitet haben, unterscheiden.

Eine aktuelle Studie des IAB, die auch als IAB-Discussion Paper 8/2021 erschienen ist, liefert hierzu aufschlussreiche Erkenntnisse. In der Studie wurde untersucht, inwiefern sich eine Massenentlassung auf die Beschäftigung und den Lohn von Betroffenen in den Folgejahren auswirkt, wobei sich die Analyse hier auf männliche Beschäftigte beschränkt.

Zugewanderte haben a priori einen schwierigeren Stand am deutschen Arbeitsmarkt

Vielen Studien zufolge erleiden Beschäftigte, die von einer Massenentlassung betroffen sind, im weiteren Erwerbsverlauf große und anhaltende Verdienstverluste. Dabei konzentrieren sich jüngere Studien in diesem Feld auf unterschiedliche Arbeitsmarkteffekte – je nachdem, wie sich Entlassene in individuellen und betrieblichen Merkmalen voneinander unterscheiden. Die hier präsentierte IAB-Studie betrachtet erstmals die unterschiedlichen Arbeitsmarktkonsequenzen für Zugewanderte und Einheimische.

In der bisherigen Literatur finden sich bereits mehrere Erklärungen dafür, warum Migrantinnen und Migranten meist einen schwierigeren Stand am Arbeitsmarkt haben und wahrscheinlich stärker von einem Arbeitsplatzverlust betroffen sind als Einheimische. George Borjas stellte bereits in einer 1995 veröffentlichten Studie für die USA fest, dass die Einstiegslöhne von Migrantinnen und Migranten niedriger sind als die von Einheimischen – ein Unterschied, der während des gesamten Arbeitslebens stabil zwischen 15 und 20 Prozent liegt.

Das IAB stellte zudem in einer Zwischenbilanz zur Corona-Krise fest, dass Migrantinnen und Migranten gerade während einer Rezession besonders stark betroffen sind. Wobei es auch hier verschiedene Effekte auf unterschiedliche Migrationsgruppen gibt. Eine wichtige Rolle spielen hierbei Unterschiede in der Ausbildung, aber auch in den Sprachkenntnissen und der Anerkennung beruflicher Qualifikationen. So zeigt der IAB-Kurzbericht 2/2021, dass Zugewanderte, deren ausländische Berufsausbildung anerkannt wurde, in Deutschland mit höherer Wahrscheinlichkeit erwerbstätig sind und mehr verdienen. Außerdem unterscheiden sich die Netzwerke von Zugewanderten und Einheimischen, was die Wahrscheinlichkeit, nach der Entlassung einen neuen Job zu finden, beeinflussen kann.

Zugewanderte haben also generell schon einen schwierigeren Stand am deutschen Arbeitsmarkt. Dieses Problem verschärft sich nochmals, wenn Beschäftigte durch eine Massenentlassung ihren Job verloren haben.

Entlassene Zugewanderte haben deutlich höhere Verdienstsverluste als Einheimische

Die hier zusammengefasste IAB-Studie liefert erste Erkenntnisse zu den unterschiedlichen Konsequenzen einer Massenentlassung für Zugewanderte und Einheimische. Demnach erleiden erstere im Schnitt wesentlich höhere Verdienstverluste als Letztere (staatliche Transferleistungen wie Arbeitslosengeld werden hier nicht berücksichtigt). Dies geht aus Abbildung 1 hervor. Sie zeigt jeweils für Einheimische und für Zugewanderte, wie stark der jährliche Verdienst zwischen entlassenen und nicht entlassenen Beschäftigten im Zeitverlauf differiert (dabei markiert 0 das Jahr der Entlassung).

Betrachten wir zunächst die Verdienstentwicklung für deutsche Beschäftigte (dunkelblaue Linie). Einheimische Beschäftigte, die aufgrund einer Massenentlassung arbeitslos werden, verdienten fünf Jahre vor der Entlassung (t = -5) noch genauso viel wie vergleichbare einheimische Beschäftigte, die fünf Jahre später nicht entlassen werden (Unterschied nahe 0). Ein Jahr vor der Entlassung verdienen sie bereits weniger und im Jahr der Entlassung halbiert sich ihr Verdienst. In der Zeit nach der Entlassung verringert sich der Unterschied wieder, aber selbst fünf Jahre später (t = 5) verdienen Einheimische, die durch eine Massenentlassung arbeitslos wurden, etwa 20 Prozent weniger als Einheimische, die nicht entlassen wurden (ablesbar am Wert von etwa -0,2 auf der y-Achse).

Bei den Zugewanderten (gelbe Linie) fallen die Unterschiede noch sehr viel deutlicher aus. Entlassene Migrantinnen und Migranten erleiden wesentlich höhere Verdienstverluste als Einheimische, die entlassen worden sind. Selbst fünf Jahre nach der Entlassung verdienen die Betroffenen etwa 30 Prozent weniger als Zugewanderte, die nicht entlassen worden sind.

Dieser Vergleich von Einheimischen und Zugewanderten ist jedoch nur bedingt aussagekräftig, da beide Gruppen im Durchschnitt in ganz unterschiedlichen Branchen und Berufen tätig sind. Rechnet man diese und weitere Faktoren wie persönliche Charakteristika, zum Beispiel Alter und Bildung, heraus, fallen die Verdienstverluste etwas geringer aus (türkisfarbene Linie). Aber selbst dann erleiden Zugewanderte in den ersten drei Jahren nach einem Jobverlust deutlich höhere Verdiensteinbußen als Einheimische.

Abbildung 1 zeigt die Verluste im jährlichen Verdienst von entlassenen Beschäftigten im Vergleich zu vergleichbaren Beschäftigten, die nicht entlassen worden sind. Einheimische, die entlassen worden sind, verdienen im Jahr der Entlassung gut 50 Prozent weniger als vergleichbare Einheimische, die nicht entlassen worden sind. Im fünften Jahr nach der Entlassung sind es noch 20 Prozent weniger. Zugewanderte, die entlassen worden sind, verdienen im Jahr der Entlassung rund 90 Prozent weniger als vergleichbare Zugewanderte, die nicht entlassen worden sind. Im fünften Jahr nach der Entlassung sind es noch 30 Prozent weniger. Rechnet man Faktoren Beruf, Branche und persönliche Charakteristika wie Alter und Bildung heraus, liegen die Verdienstverluste bei knapp 70 Prozent im Jahr der Entlassung und rund 20 Prozent im fünften Jahr nach der Entlassung. Quelle: IEB, eigene Berechnung, © IAB

Dass Zugewanderte als Folge einer Massenentlassung stärkere Verdienstverluste hinnehmen müssen als Einheimische, kann zwei Gründe haben: Nach der Entlassung könnte ihr Lohnniveau stärker fallen oder ihre Arbeitszeit könnte stärker sinken als bei einheimischen Betroffenen, etwa wegen höherer Arbeitslosigkeit oder weil sie tendenziell häufiger Jobs mit geringerer Wochenarbeitszeit annehmen müssen.

Wie Abbildung 2 zeigt, brechen die Löhne von Zugewanderten bei einer Massenentlassung deutlich stärker ein als die von Einheimischen. Sobald man für Unterschiede in der Branche und der Berufsgruppe kontrolliert, fallen die Lohnverluste jedoch sehr ähnlich aus (das ist daran ersichtlich, dass die dunkelblaue und die türkisfarbene Linie in etwa gleichauf liegen).

Abbildung 2 zeigt die Verluste im Tagesentgelt von entlassenen Beschäftigten im Vergleich zu vergleichbaren Beschäftigten, die nicht entlassen worden sind. Einheimische, die entlassen worden sind, haben im Jahr der Entlassung ein um gut 20 Prozent geringeres Tagesentgelt als vergleichbare Einheimische, die nicht entlassen worden sind. Im fünften Jahr nach der Entlassung sind es noch 14 Prozent weniger. Zugewanderte, die entlassen worden sind, haben im Jahr der Entlassung ein um rund 42 Prozent geringeres Tagesentgelt als vergleichbare Zugewanderte, die nicht entlassen worden sind. Im fünften Jahr nach der Entlassung sind es noch 20 Prozent weniger. Rechnet man Faktoren Beruf, Branche und persönliche Charakteristika wie Alter und Bildung heraus, liegen die Verluste bei rund 25 Prozent im Jahr der Entlassung und rund 11 Prozent im fünften Jahr nach der Entlassung. Quelle: IEB, eigene Berechnung, © IAB

Anders stellt sich die Situation bei der Zahl der Arbeitstage (siehe Abbildung 3) und bei den Wiederbeschäftigungschancen (siehe Abbildung 4) dar: Hier bleiben die Unterschiede im Wesentlichen auch dann bestehen, wenn man für individuelle Merkmale und unterschiedliche Branchen und Berufe kontrolliert.

Abbildung 3 zeigt die Verluste in der Zahl der Arbeitstage von entlassenen Beschäftigten im Vergleich zu vergleichbaren Beschäftigten, die nicht entlassen worden sind. Einheimische, die entlassen worden sind, haben im Jahr der Entlassung rund 110 Arbeitstage weniger als vergleichbare Einheimische, die nicht entlassen worden sind. Im fünften Jahr nach der Entlassung sind es noch rund 25 Arbeitstage weniger. Zugewanderte, die entlassen worden sind, haben im Jahr der Entlassung ein rund 150 Arbeitstage weniger als vergleichbare Zugewanderte, die nicht entlassen worden sind. Im fünften Jahr nach der Entlassung sind es noch knapp 40 Arbeitstage weniger. Rechnet man Faktoren Beruf, Branche und persönliche Charakteristika wie Alter und Bildung heraus, liegen die Verluste bei rund 130 Arbeitstagen im Jahr der Entlassung und knapp 40 Arbeitstagen im fünften Jahr nach der Entlassung. Quelle: IEB, eigene Berechnung, © IAB

Abbildung 4 zeigt die Verluste im Beschäftigungsstatus von entlassenen Beschäftigten im Vergleich zu vergleichbaren Beschäftigten, die nicht entlassen worden sind. Einheimische, die entlassen worden sind, haben im Jahr der Entlassung ein um rund 13 Prozent niedrigeren Beschäftigungsindikator als vergleichbare Einheimische, die nicht entlassen worden sind. Im fünften Jahr nach der Entlassung ist er noch um 6 Prozent niedriger. Zugewanderte, die entlassen worden sind, haben im Jahr der Entlassung ein um rund 19 Prozent niedrigeren Beschäftigungsindikator als vergleichbare Zugewanderte, die nicht entlassen worden sind. Im fünften Jahr nach der Entlassung ist er noch 8 Prozent niedriger. Rechnet man Faktoren Beruf, Branche und persönliche Charakteristika wie Alter und Bildung heraus, liegen die Verluste bei rund 17 Prozent im Jahr der Entlassung und rund 8 Prozent im fünften Jahr nach der Entlassung. Quelle: IEB, eigene Berechnung, © IAB

Zugewanderte arbeiten nach dem Verlust des Arbeitsplatzes eher in Betrieben mit niedrigerem Lohnniveau als Einheimische

Eine Erklärung für die höheren Lohnverluste von Zugewanderten dürfte darin bestehen, dass sie auch nach dem Verlust des Arbeitsplatzes tendenziell in anderen Betrieben arbeiten als Einheimische. Die Durchschnittslöhne sind dort meist niedriger, der Anteil an geringfügig Beschäftigten höher.

Wenn beobachtete Unterschiede zwischen Zugewanderten und Einheimischen wie Branchenzugehörigkeit oder Alter herausgerechnet werden, lassen sich jedoch keine Unterschiede in den Betriebsmerkmalen mehr feststellen. Allerdings pendeln Zugewanderte etwas häufiger (2 Prozentpunkte) und verlegen ihren Arbeitsplatz zugleich etwas seltener in ein anderes Bundesland als Einheimische (3 Prozentpunkte). Mobilitätseinschränkungen könnten demnach einen Teil der stärkeren Verdiensteinbußen Zugewanderter erklären.

Auch die lokalen Arbeitsmarktbedingungen spielen eine zentrale Rolle

Die Ergebnisse der Studie deuten außerdem darauf hin, dass die lokalen Arbeitsmarktbedingungen eine zentrale Rolle spielen. Wenn entlassene Beschäftige zum Zeitpunkt ihrer Entlassung in Gemeinden mit vergleichsweise ungünstiger Arbeitsmarktentwicklung oder in Städten leben, sind ihre Verluste in allen drei betrachteten Dimensionen besonders hoch. Dies gilt für Zugewanderte und Einheimische gleichermaßen.

Zugewanderte verlieren zudem besonders dann überproportional stark, wenn die Konkurrenz durch Beschäftigte derselben Nationalität groß ist: Je höher der Anteil der erwerbsfähigen Bevölkerung derselben Nationalität in ihrem Landkreis vor der Entlassung ist, desto größer sind im Schnitt die Verdienstverluste der Migrantinnen und Migranten. Dies bestätigt das theoretische Argument, dass Zugewanderte leichter auf dem Arbeitsmarkt ersetzbar sind, wenn viele Personen derselben Nationalität, die sich in ihrer Ausbildung und anderen Merkmalen ähnlich sind, in einer Region nach Arbeit suchen.

Fazit

Die Einkommensverluste nach einer Entlassung fallen für Zugewanderte höher aus als für Einheimische, denn ihre Lohneinbußen sind stärker und ihre Wiederbeschäftigungswahrscheinlichkeit geringer. Die Unterschiede verringern sich zwar mit der Zeit, sind aber auch noch fünf Jahre nach der Entlassung sichtbar.

Zwischen beiden Gruppen bestehen Unterschiede in den beobachtbaren individuellen und betrieblichen Merkmalen. Diese können zwar die unterschiedlich hohen Lohnverluste erklären, nicht aber die Tatsache, dass Zugewanderte nach der Entlassung im Schnitt länger arbeitslos sind. Sie haben offenbar erhebliche Schwierigkeiten bei der Suche nach einer neuen Beschäftigung. Möglicherweise benötigen sie hierbei Hilfsangebote, die besser auf die Situation von Menschen mit Migrationshintergrund zugeschnitten sind, beispielsweise Sprachkurse oder Bewerbungstrainings.

 

Literatur

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Borjas, George J. (1995): Assimilation and changes in cohort quality revisited: what happened to immigrant earnings in the 1980s? In: Journal of Labor Economics, Vol. 13, No.2, S. 201–245.

Brücker, Herbert; Glitz, Albrecht; Lerche, Adrian; Romiti, Agnese (2021): Integration von Migrantinnen und Migranten in Deutschland: Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse hat positive Arbeitsmarkteffekte. IAB-Kurzbericht Nr. 2.

Illing, Hannah; Koch, Theresa (2021): Who Suffers the Greatest Loss? Costs of Job Displacement for Migrants and Natives. IAB-Discussion Paper Nr. 8.

 

Illing, Hannah; Koch, Theresa (2021): Zugewanderte haben nach einer Massenentlassung schlechtere Arbeitsmarktperspektiven als Einheimische, In: IAB-Forum 4. November 2021, https://www.iab-forum.de/zugewanderte-haben-nach-einer-massenentlassung-schlechtere-arbeitsmarktperspektiven-als-einheimische/, Abrufdatum: 28. March 2024