Transkript Videointerview Valerie Holsboer Titel: Die Rolle der Bundesagentur für Arbeit in der digitalisierten Arbeitswelt Interview mit Valerie Holsboer, Vorstand Ressourcen der Bundesagentur für Arbeit 1. Frage: Welche Rolle spielt die Bundesagentur für Arbeit bei der Begleitung der Gesellschaft in die digitale Zukunft? Holsboer: Die BA spielt in diesem Gesamtprozess der Digitalisierung, zu dem ja auch die Digitalisierung der Arbeitswelt gehört, eine zweifache Rolle: Einmal digitalisieren wir selbst unsere Prozesse und müssen unsere Mitarbeiter dabei mitnehmen und entsprechend qualifizieren. Auf der anderen Seite sind wir Ansprechpartner, Berater, Mitgestalter draußen gegenüber den Unternehmen, den Beschäftigten, den Arbeitssuchenden und haben auch dort unsere Rolle. 2. Frage: Welche Arbeitskräfte nimmt die Bundesagentur für Arbeit in Zeiten des digitalen Wandels am stärksten in den Blick? Holsboer: Es ist ein Prozess, der sehr schnell geht. Die Arbeitswelt und die Wirtschaft haben sich ja immer schon verändert. Aber die Besonderheit bei der Digitalisierung ist, dass in kurzer Zeit sehr viel stattfindet. Deswegen können wir auch überhaupt niemanden komplett ausblenden. D.h. wir müssen einmal sehr investieren in eine gute Beratung für diejenigen, die aus der Schule kommen, damit sie in eine Ausbildung oder in ein Studium gehen. Idealerweise natürlich eins, das auch hohe Zukunftschancen hat. Auf der anderen Seite müssen wir sehen, dass die Arbeitssuchenden so qualifiziert sind, dass sie im Arbeitsmarkt eine Chance haben. Und dann - das wird der schwierigste Teil - müssen wir überlegen, wie können wir denen, die heute beschäftigt sind, auch als Berater und als Mitgestalter zur Verfügung stehen, bei Fragen, wie sie denn ihre Zukunft weiter gestalten. 3. Frage: Manche sagen, Weiterbildung sei Sache der Unternehmen. Wie sehen Sie das? Holsboer: Im Kern ist natürlich für die Frage, wie die Beschäftigten zu qualifizieren sind, der eigene Arbeitgeber immer der Hauptansprechpartner. Man muss dazu sagen, dass der eigene Arbeitgeber auch das Hauptinteresse daran hat, dass er eine Belegschaft hat, die dem Arbeitsalltag gewachsen ist. Bei der Frage, welche Rolle die BA gegenüber den Beschäftigten haben kann, sind wir sicherlich mindestens bei einer Lotsenfunktion. Wenn der Beschäftigte idealerweise zusammen mit seinem Arbeitgeber wissen möchte, welche Möglichkeiten es für ihn gibt, dann hat die BA durch ihre Erfahrungen und mit ihren Netzwerken, die richtigen Antworten, wie und wo Möglichkeiten der Weiterbildung, Weiterqualifizierung usw. bestehen. 4. Frage: Von Gewerkschaftsvertretern wird eine Weiterbildungsberatung gefordert. Wie steht die Bundesagentur für Arbeit dazu? Holsboer: Das Thema „Weiterbildungsberatung“ ist selbstverständlich etwas, das in unserer Selbstverwaltung diskutiert wird. Ich finde es übrigens auch sehr gut, dass wir eine selbstverwaltete Einheit sind, eine selbstverwaltete Organisation. Denn dieser Input einerseits der Arbeitnehmerseite über die Gewerkschaften und der Arbeitgeberseite durch Unternehmen und Verbände, der ist es ja genau, der garantiert, dass wir am Ende auch zu Ergebnissen kommen, die draußen gefragt werden und realistisch am Markt verlangt werden. Bei selbstverwalteten Organisationen ist es so, dass diese Diskussionen geführt werden. Wir haben ja auch noch die öffentliche Bank. Und dann sehen wir, worauf wir uns verständigen und in welche Richtung wir gehen. Wie gesagt: Bei der Lotsenfunktion sind wir uns auf jeden Fall alle einig. 5. Frage: Wie begleitet die Bundesagentur für Arbeit Unternehmen und ihre Belegschaft in die digitale Zukunft? Beispielsweise Unternehmen aus der vom Wandel stark betroffenen Logistikbranche? Holsboer: Wir haben die Erfahrung gemacht, gerade wenn große Arbeitgeber mit großen Veränderungen an einem Standort sind, dass oft die Zusammenarbeit vor Ort zwischen dem Arbeitgeber und der Agentur hervorragend funktioniert. Dass das wirklich ein Miteinander ist bei Fragen wie: „Wie geht man mit Beschäftigten um?“, „Wie geht man mit Beschäftigten um, die ihre Arbeitsstelle verlieren?“, „Wie geht man mit dem Wandel um?“ Ich glaube, der Idealansatz ist eher, dass man ein ganzes Unternehmen mit seinen Beschäftigten da begleiten und betreuen kann. Auf der anderen Seite ist jeder Mensch, ob beschäftigt oder nicht beschäftigt, auch schon heute berechtigt, bei der Arbeitsagentur nach Maßnahmen oder nach Qualifizierungen zu fragen. 6. Frage: In der Logistikbranche arbeiten viele geringqualifizierte Arbeitskräfte. Auch ohne formale Ausbildung haben sie oft Qualifikationen oder Fähigkeiten erworben. Wie unterstützt die Bundesagentur für Arbeit diese Menschen? Holsboer: Es ist völlig richtig: Das größte Risiko, arbeitslos zu werden, tragen diejenigen, die geringqualifiziert sind und keine Ausbildung haben. Deswegen, Phase 1 ist natürlich am besten die Prävention, dass wir jeden Schüler auch motivieren können, sich in eine Ausbildung zu begeben. Das zweite ist, Menschen in Beschäftigung oder auch Arbeitssuchende, die noch keine Ausbildung haben, mit verschiedenen Mitteln zu reizen, zu locken und in eine Ausbildung zu bringen. Eine gute Ausbildung ist einfach das Sicherste - egal ob Digitalisierung oder sonstiger Wandel -, das ein Beschäftigter haben kann. 7. Frage: Früher wählte man einen Beruf und arbeitete darin bis zur Rente. Wie würden Sie Ihrer Tochter empfehlen, die Berufswahl anzugehen? Holsboer: Ich würde jedem jungen Menschen und damit natürlich auch meiner Tochter auf die das irgendwann mal zukommt, raten, sich einfach unglaublich viel anzusehen und herauszufinden, was passt. Wenn da mehr im Portfolio übrig bleibt, was passt, dann kann man das natürlich auch steuern und fragen: „Was ist denn der Arbeitsmarkt der Zukunft?“ Aber ich glaube fest daran, dass etwas in erster Linie Freude machen muss. Dann macht man es auch gern und hält es durch. Und wenn man das jetzt noch überträgt auf die Digitalisierung: Wir wissen ja noch gar nicht ganz genau, welche Berufe wirklich in 10, 15, 20 Jahren gefragt sein werden und welche nicht. Darum brauchen alle in erster Linie eine solide und gute Ausbildung.