Transkript des Videointerviews mit Thorben Albrecht „Arbeiten 4.0 – Berufe im digitalen Wandel“ Interview mit Thorben Albrecht, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Januar 2014 – März 2018) Frage: Welche Rolle spielt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bei der Vorbereitung Deutschlands auf die digitale Welt? Albrecht: Wir haben es erreicht, dass das Thema Arbeit mit in den Blick genommen wurde. Vorher wurde die Debatte sehr technologiezentriert geführt. Uns ist es aber wichtig, dass die Ansprüche der Beschäftigten an Arbeit auch in den Blick genommen werden. Wichtig ist, wie wir in Zukunft arbeiten wollen und nicht nur, wie wir von den technischen Vorgaben her arbeiten müssen. Wie gestalten wir Arbeit so, dass wir gut arbeiten können und gute Arbeit in Zukunft haben. Frage: Warum treffen die im Zusammenhang mit der digitalen Zukunft entwickelten Bedrohungsszenarien, die vor allem in wissenschaftlichen Studien aus angelsächsischen Ländern zu finden sind, nicht eins zu eins auf Deutschland zu? Albrecht: Einerseits ist bei diesen Studien häufig das Problem, dass sie auf reine Automatisierungspotenziale schauen. Sie nehmen einen Beruf wie er heute aussieht und sagen: „Den kann man automatisieren.“ Das vernachlässigt aber total, dass sich Berufe verändern können. Tätigkeiten verändern sich, aber der Beruf bleibt, weil er sich auch verändert. Auch wird bei diesen Studien zu wenig berücksichtigt, dass durch neue Nachfrage neue Jobs entstehen. Ich glaube, da kann man - wenn man das ordentlich gestaltet – es durchaus hinbekommen, dass man Beschäftigung in Deutschland sichern kann - auch in der Digitalisierung. Frage: Sie hatten in Ihrem Vortrag konkret die Studie von David Autor am Massachusetts Institute of Technology (MIT) angeführt und aufgezeigt, warum deutsche Arbeiter recht gute Chancen in einer digitalen Zukunft haben könnten. Albrecht: In der angelsächsischen Debatte wird sehr sehr stark von einer Polarisierung von Arbeit ausgegangen. D.h., dass Arbeitsplätze entstehen oder erhalten bleiben vor allem in sehr hochqualifizierten Bereichen und in Bereichen, die niedrigqualifiziert sind und so billig sind, dass sich Automatisierung nicht lohnt. Ich habe mit David Autor am MIT darüber diskutiert. Er hat zugegeben, dass wir in Deutschland - mit der starken Facharbeiterschaft und mit der dualen Ausbildung - durchaus die Chance haben, auch mittlere Qualifikationen in das digitale Zeitalter hinüberzubekommen. Wenn wir die mittleren Qualifikationen weiterentwickeln, wenn wir uns kümmern. Deutlichere Automatisierungsrisiken sehe ich allerdings bei den Niedrigqualifizierten. Um die werden wir uns kümmern müssen, wenn wir Arbeitsplätze erhalten wollen. Frage: Die Niedrigqualifizierten sind also am stärksten betroffen vom Wandel der Arbeitswelt. Was muss man tun, um die Folgen der Automatisierung für diese Gruppe zu mildern? Albrecht: Qualifizierung ist der Schlüssel, um Beschäftigung zu erhalten. Es wird immer mehr auch um individuelle Beschäftigungsfähigkeit gehen. Die müssen wir erhalten, die müssen wir ausbauen. D.h. Wir müssen schauen, dass Unternehmen bei ihren Weiterbildungsangeboten nicht nur die Hochqualifizierten weiterqualifizieren, sondern auch die mittleren Qualifikationsstufen upskillen. Denn die Anforderungen an mittlere Tätigkeiten werden deutlich zunehmen, vom Bedienen einer Maschine zum Überwachen einer Maschine, um nur ein Beispiel zu nennen. Und bei den Niedrigqualifizierten wird es häufig um das Nachholen von Berufsabschlüssen gehen. Das werden Unternehmen zum Teil machen, aber da sehe ich auch die Arbeitslosenversicherung in der Pflicht. Denn es wäre ja viel besser, Arbeitslosigkeit zu verhindern und so präventiv zu agieren durch Qualifizierung, als später Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Frage: Wie kann man Kindern aus weniger wohlsituierten Familien helfen, den Übergang in die wechselvolle und unsichere Arbeitswelt der Zukunft zu meistern? Albrecht: Unsere Idee ist, dass man perspektivisch allen Menschen, die ins Berufsleben starten, ein Startguthaben mitgibt. Denn wenn es stimmt, dass man öfter den Beruf wechseln muss, man sich weiterqualifizieren muss und öfter wechselt zwischen abhängiger Beschäftigung und Selbstständigkeit, dann sind das Übergänge, die man finanzieren muss. Die Idee ist, ein Startguthaben mitzugeben, damit alle, egal ob sie aus einem reichen oder nicht so reichen Elternhaus kommen, die Möglichkeit haben, sich beruflich zu verändern, sich weiterzubilden und so einen erfolgreichen Berufsweg zu gehen. Frage: Wie sehen Sie die Rolle der Betriebsräte bei der Vorbereitung Deutschlands auf das digitale Zeitalter? Albrecht: Ich glaube, dass Betriebsräte und die Mitbestimmung entscheidend sind bei der Gestaltung der digitalen Arbeitswelt, weil wir sehr viel weniger One-size-fits-all-Lösungen für die ganze Wirtschaft per Gesetz dekretieren können. Wir werden in den Betrieben viele differenzierte Lösungen brauchen. Das gilt auch für den Bereich der Weiterbildung. Zum Beispiel glaube ich, dass Betriebsräte sicherstellen müssen, dass die gesamten Belegschaften - auch die Niedrigerqualifizierten – mitgenommen werden. Aber auch das können wir nicht per Gesetz machen. Die Anforderungen in den Betrieben sind sehr unterschiedlich. Das muss vor Ort ausgehandelt werden. Ich glaube, da müssen wir die Rechte und Möglichkeiten von Betriebsräten auch stärken, das zu tun.