Transkript des Videointerviews „Wandel der Arbeitswelt – zeitlich, räumlich, angstfrei Dr. Stefanie Gundert und Stefanie Wolter im Interview“ Frage: Die Zukunft der Arbeitswelt ist vielfältig und bunt. Genauso wie die Forschung dazu. Das Wissenschaftsjahr 2018 widmet sich diesem Thema. Das IAB beteiligt sich daran nicht zuletzt mit der von Ihnen organisierten Konferenz „Wissenschaft trifft Praxis: Wandel der Arbeitswelt“. Wie grenzt man ein so ausuferndes Thema ein? Gundert: Der Wandel der Arbeitswelt ist in der Tat ein sehr vielgestaltiges Thema. Entwicklungen wie die Globalisierung, die Digitalisierung und auch der demografische Wandel tragen dazu bei, dass sich die Arbeitswelt in vielen verschiedenen Bereichen grundlegend verändert. Bei unserer Tagung fokussieren wir die Frage, wie Erwerbsformen und die Arbeitsorganisation in den Betrieben sich wandeln und wie sich das auf die Gesundheit der Beschäftigten auswirkt. Ein weiteres Thema sind neue Herausforderungen im Bereich Qualifizierung und soziale Sicherung. Wolter: Bei der Organisation haben wir darauf geachtet, dass wir sowohl Fachexperten, die aus dem wissenschaftlichen Bereich kommen, einladen, als auch Praktiker, damit wir eine gute Mischung haben und auch eine lebhafte Diskussion. Frage: Der Wandel der Arbeitswelt macht vielen Menschen Angst. Sie fürchten vor allem, den Arbeitsplatz zu verlieren. Diese Sorge haben Sie erforscht. Zu welchen Ergebnissen sind Sie gekommen? Gundert: Unsere Studie zeigt, dass Arbeitnehmer eher um die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes besorgt sind, wenn sie relativ leicht durch Computer oder Roboter ersetzbar sind. Die Mehrheit hat aber keine Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Frage: Wer ist eher durch Roboter ersetzbar? Gundert: Zu den Berufsgruppen, die sehr leicht durch Roboter ersetzbar sind, gehören beispielsweise die Fertigungsberufe in der Industrie. Das können Berufe sein im Maschinen-, Fahrzeug-, Anlagenbau. Dann haben wir auf der anderen Seite Berufe, die ein eher geringes Risiko haben, durch die Digitalisierung wegzufallen. Das sind Berufe, die stärker kommunikative Fähigkeiten erfordern. Hier wären beispielsweise zu nennen, soziale und kulturelle Dienstleistungsberufe, wie das Erziehen oder Unterrichten von Kindern. Frage: Woran liegt es, dass sich die Mehrheit sicher fühlt in ihren Jobs? Gundert: Das kann ganz unterschiedliche Gründe haben. Die wahrgenommene Arbeitsplatzsicherheit hängt nicht zuletzt davon ab, ob und wie schnell Betriebe digitale Innovationen überhaupt einführen. Mit der Einführung neuer Technologien muss nicht unbedingt ein Stellenabbau einhergehen, wenn es den Betrieben gelingt, die Aufgabenprofile ihrer Beschäftigten entsprechend anzupassen. Frage: Sie befassen sich mit einem ganz anderen Aspekt des digitalen Wandels. Sie erforschen das räumlich und zeitlich entgrenzte Arbeiten. Wie hat sich dieser Trend entwickelt im Zuge des digitalen Wandels? Wolter: In unserer Studie, das ist ganz überraschend, sehen wir, dass der Anteil der Betriebe, die Homeoffice ermöglichen, zunimmt. Das waren 2014 noch ungefähr 13 Prozent, jetzt liegen wir bei 36 Prozent. Auf der Beschäftigtenseite ändert sich überhaupt nichts. Das ist ungefähr ein Drittel der Beschäftigten, die zumindest gelegentlich von zu Hause ihre Tätigkeit verrichten. Frage: Gibt es konkrete Beispiele, in welchen Berufssparten eher Homeoffice genutzt wird? Wolter: Man muss da ganz klar unterscheiden zwischen Angestellten und solchen Beschäftigten, die sich als klassische Arbeiter definieren. Arbeiter machen zum Beispiel nie Homeoffice. Das ist ja auch gut vorstellbar: Niemand nimmt seinen Bus oder sein Fertigungsband mit nach Hause. Während bei Angestellten es durchweg verbreitet ist. Viele Bürojobs in der Verwaltung - da ist Homeoffice gang und gäbe. Frage: Auf welcher Hierarchieebene nimmt das eher zu? Wolter: Da gibt es unterschiedliche Aspekte, die bei Homeoffice eine Rolle spielen. Zum einen ist es das, was man als bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie kennt, wo Eltern die Möglichkeit nutzen, während ihrer Arbeitszeit Homeoffice zu leisten und dadurch flexibler auf Familienansprüche zu reagieren. Und zum anderen sind es auch häufig Führungskräfte, die dann außerhalb ihrer Arbeitszeit am Abend noch E-Mails checken oder Projekte abarbeiten. Frage: Homeoffice gibt es ja schon seit einigen Jahren. In Zeiten des schnellen digitalen Wandels, hat es da noch zugenommen in bestimmten Bereichen? Gibt es da noch einen verstärkten Trend zum Homeoffice? Wolter: Unter den Beschäftigten sehen wir da gar keinen Trend. Und es gibt ja auch, wenn man die Presse liest, die Gegentrends, dass man versucht, dieses Homeoffice ein bisschen einzudämmen, indem sie zum Beispiel am Feierabend keine E-Mails mehr zulassen. Oder das Beispiel von IBM, die ganz klar sagen: „Wir holen unsere Beschäftigten zurück ins Unternehmen.“