Titel: Werden Computer bald unsere Jobs erledigen? Interview mit Dr. Britta Matthes, Leiterin der Arbeitsgruppe „Berufliche Arbeitsmärkte“ am IAB Frage: Die Frey/Osborne-Studie besagt, dass in den USA rund jeder zweite Job durch Automatisierung wegfallen könnte. Inwiefern kann man die Ergebnisse dieser Studie auf Deutschland übertragen? Matthes: Die Ergebnisse von Frey/Osborne auf Deutschland zu übertragen gelingt deswegen vor allem nicht, weil das System in Amerika und Deutschland sehr unterschiedlich ist. Einer der wichtigsten Beispiele dafür ist, dass wir das duale Ausbildungssystem in Deutschland haben und in Amerika kein solches System existiert, um eher auf der mittelqualifizierten Ebene Jugendliche auszubilden und eine berufliche Qualifikation anzubieten. Deswegen geht das eigentlich nicht, dass man die beiden Länder direkt vergleicht und damit auch die Automatisierbarkeitsrisiken auf Deutschland unmittelbar überträgt. Frage: Das duale Ausbildungssystem in Deutschland geht einher mit klar definierten Berufen, die teilweise durch die Digitalisierung bedroht sind. Was ist in diesem Zusammenhang die Grundidee des Job-Futuromaten? Matthes: Der Job-Futuromat ist ein Online-Tool, das ich zusammen mit der ARD im Rahmen der letztjährigen Themenwoche entwickelt habe. Für mich ist es sehr wichtig, dass der Job-Futuromat nicht nur vermittelt, wie gut oder wie schlecht ein Beruf durch Maschinen ersetzbar ist. Wichtig ist, dass man dort im weiter unten stehenden Teil auch einstellen kann, wie stark der Arbeitsplatz, den ich unmittelbar einnehme, durch Maschinen ersetzbar ist. Das heißt, selbst wenn ein Zerspanungsmechaniker zu 74 Prozent durch Maschinen ersetzbar ist, heißt das nicht, dass jeder Zerspanungsmechaniker auf seinem Arbeitsplatz zu 74 Prozent ersetzbar ist. Denn es gibt eben Zerspanungsmechaniker, die automatisierbare Tätigkeiten erledigen und es gibt Zerspanungsmechaniker, die vielleicht aufgrund der Digitalisierung gar nicht mehr so viele automatisierbare Tätigkeiten erledigen. Dann ist der Automatisierbarkeitsgrad klein. Frage: Warum ist der Automatisierungsgrad in den USA viel höher als in Deutschland? Matthes: Einer der wichtigsten Unterschiede zwischen Amerika und Deutschland ist auch, dass wir eine sehr unterschiedliche Akzeptanz von Technologien für das persönliche Leben, aber auch für die Arbeitswelt haben. Ich würde jetzt nicht nur Amerika sehen, sondern wenn man typische asiatische Länder anschaut, dann ist die Euphorie, mit solchen neuen Technologien umzugehen, einfach so umwerfend. Oder wenn man nach Amerika schaut, diese Fitness-Armbänder. Fast jeder trägt in Amerika Fitnessarmbänder. In Deutschland ist das eher eine Subkultur, die sich damit beschäftigt. Das heißt, diese Akzeptanz von neuen Technologien ist in Deutschland deutlich niedriger ausgeprägt. Und das bedeutet letzten Endes auch, dass wir in Deutschland viel vorsichtiger sind, mit solchen Technologien umzugehen. Es dauert deutlich länger, bis solche Technologien akzeptiert sind. Und es bedeutet auch immer, dass Arbeitnehmer mit Ängsten viel mehr konfrontiert sind, oder sie selbst auch haben, als wenn eine generelle Technologieaffinität existiert. Frage: Welche Rolle werden Computerspiele in der Arbeitswelt der Zukunft spielen? Matthes: Das ist eine wichtige Geschichte in der Zukunft, dass Computerspiele in der Lage sein können, zwei Dinge zu tun: 1. Einmal können Computerspiele dazu beitragen, Weiterbildung zu individualisieren. Denn wenn Computerspiele gut programmiert sind, dann erreicht man, wie man das kennt, wenn man ein niedrigeres Qualifikationsniveau hat oder nicht so genau Bescheid weiß in einem Computerspiel, ein niedrigeres Level. Die Aufgaben, die man da erledigt, sind diesem Level angepasst. Das heißt, Lernen ist individualisierter durch Computerspiele. Das ist das eine. Das andere ist: Wenn es tatsächlich so ist, und das sieht man bei Flugzeugpiloten, die sind ja von vielen Aufgaben befreit während des Fluges. Das bedeutet aber auch, dass ihre Aufmerksamkeit eher reduziert ist, wenn sie da im Flugzeug 12 Stunden sitzen. Das Problem ist, wenn es dann zu einer kritischen Situation kommt, dann müssen die Piloten sehr schnell sehr aktiv sein und auch die richtigen Entscheidungen in kürzester Zeit treffen können. Computerspiele helfen dann dabei, dieses Aufmerksamkeitslevel relativ weit oben zu halten und sozusagen das geistige Einschlafen zu verhindern. Das könnte tatsächlich in naher Zukunft erforderlich sein, nicht nur bei Piloten, sondern bei vielen anderen Berufen auch. Frage: Wie können Roboter helfen, Jugendliche für klassische Berufe im Handwerk zu begeistern? Matthes: Ich glaube, dass es wichtig wäre, auch ein Umlenken bei den dualen Ausbildungsberufen so herbeizuführen, dass gerade die Integration von neueren Technologien klassische Berufe, wie den Tischler, attraktiver machen können. Wenn man sich vorstellt: Der Tischler ist eigentlich von seiner Grundvorstellung ein kreativer Beruf, aber er ist auch damit verbunden, dass man Staub schlucken muss, dass man vielleicht schwere körperliche Arbeiten verrichten muss. Die Digitalisierung kann dabei helfen, dass der Beruf eine gute Kombination zwischen Technologie und den kreativen Möglichkeiten des Tischlers bietet. Damit trägt Technologie zu einer Humanisierung dieser Tätigkeit und damit auch zu einer höheren Attraktivität dieses Berufes bei. Das bedeutet aus meiner Sicht, dass solche Berufe attraktiver werden können, wenn man die Digitalisierung ernst nimmt und Bestandteile, die möglich sind, in die Ausbildung integriert und letzten Endes im Erwerbsleben auch realisiert. Frage: Wie sollten Jugendliche ihre Berufswahl treffen in Zeiten der Digitalisierung? Matthes: In Deutschland haben wir das größte Problem damit, dass wir immer noch in dem Glauben verhaftet sind, dass mit einer Berufswahl am Ende der Schule eigentlich schon das ganze Erwerbsleben vorgeschrieben ist. Der Punkt ist, dass aufgrund der technologischen Veränderungen man eigentlich gar nicht mehr so richtig sagen kann, ob die Berufswelt von heute in 10 oder 20 Jahren so vorhanden sein wird, wie wir sie aus den letzten 30 oder 40 Jahren her kennen. Das bedeutet, die Jugendlichen stehen derzeit unter so einem Druck, Entscheidungen zu treffen, die sie gar nicht so treffen können. Deswegen ist meine Schlussfolgerung, dass Jugendliche sich verstärkt für einen ersten Schritt einer wie auch immer aussehenden Erwerbskarriere entscheiden müssen, aber auch Korrekturen im späteren Erwerbsleben noch vornehmen können. Wir müssen die Jugendlichen von diesem Entscheidungsdruck entlasten und sagen: „Ihr werdet Euren Weg schon richtig gehen. Entscheidet Euch jetzt pragmatisch für etwas, das Euch jetzt interessiert und was evtl. auch den Möglichkeitsraum eröffnet, dann ganz andere Entscheidungen treffen zu können.