Transkript Videointerview Lutz Bellmann Titel: Bildung und Betriebe im digitalen Zeitalter Interview mit Prof. Lutz Bellmann, Leiter des Forschungsbereichs „Betriebe und Beschäftigung” am IAB 1. Frage: Welche Wirtschaftsbranchen in Deutschland zählen zu den Gewinnern und welche zu den Verlierern der Digitalisierung? Bellmann: Zu den Gewinnern der Digitalisierung gehören die Branchen, die Geräte und Software produzieren, die direkt zur Digitalisierung eingesetzt werden. Die beispielsweise Robotersysteme bauen, die die Vernetzung von Maschinen und Menschen mit Soft- und Hardware begleiten. Zu den Verlierern gehören die Branchen, die unter Exportdruck stehen, aber denen es gerade nicht gelingt, rechtzeitig mit Produkten auf den Markt zu kommen, so dass sie ihre Kunden an Wettbewerber verlieren. 2. Frage: Können Sie Beispiele für Gewinner- und Verliererbranchen nennen? Bellmann: Das kann man nicht so allgemein sagen. Es kommt darauf an, dass die Firmen das Beste daraus machen, indem sie geeignete Software und Hardware nutzen, um ihre Organisationen und ihre Prozesse zu verbessern. Und wenn sie das schaffen, dann sind sie auch erfolgreich. Insofern kann es eigentlich überall Verlierer und Gewinner geben. Das ist ein offenes Spiel. 3. Frage: Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf die betriebliche Aus- und Weiterbildung? Bellmann: Die betriebliche Aus- und Weiterbildung muss stark reformiert werden, weil in der bisherigen Ausbildung die Konzentration auf den Ausbildungsplatz selber sehr stark im Vordergrund stand. Jetzt kommt es aber stärker darauf an, die Zusammenhänge und die Zusammenarbeit mit anderen Beschäftigten im Betrieb, aber auch mit Betriebsexternen zusammenzubringen. Das erfordert zusätzliche Kompetenzen bei den Auszubildenden. Bei denjenigen, die die Ausbildung schon vor vielen Jahren abgeschlossen haben, kommt es jetzt darauf an, etwas zu lernen, was außerhalb ihres bisherigen Wirkungsbereichs lag, stärker anderes einzubeziehen, was durch die Vernetzung sehr schnell an den eigenen Arbeitsplatz herangebracht werden kann. 4. Frage: Wie sieht die Situation bei Geringqualifizierten aus? Bellmann: Die Geringqualifizierten sind in verschiedenen Bereichen tätig. Oftmals sind sie nicht in einem allgemeinen Sinne geringqualifiziert, sondern besitzen eher keinen formalen berufsbildenden Abschluss. Das heißt, sie haben durchaus Kompetenzen, auch solche mit neuen Medien und neuen Methoden umzugehen. Allerdings gibt es auch Gruppen von Beschäftigten, die nicht gewohnt sind, sich ständig weiterzuentwickeln und ihre Kompetenzen zu erweitern. An diese Gruppe heranzukommen ist sehr schwierig, aber die Herausforderung, vor die uns die Digitalisierung stellt. 5. Frage: Welche Rolle könnte das digitale Lernen spielen? Bellmann: Das digitale Lernen ist aus verschiedenen Gründen besonders interessant für die Betriebe, aber auch für die Beschäftigten. Einerseits ist es etwas Neues, das ist immer schön, mal aus den alten Bahnen herauszukommen. Aber darüber hinaus ist der Bedarf der Auszubildenden und der Beschäftigten, Neues zu lernen, deutlich gestiegen, wie unsere Untersuchungen zeigen. Und manchmal kommen die Betriebe und andere Weiterbildungsträger gar nicht dazu, soviel anzubieten, wie jetzt nachgefragt wird. Und die digitalen Medien sind eben in der Lage, auch den großen Andrang an Lernwilligen zu bewältigen. Dann ist es natürlich auch möglich, in viel kürzerer Zeit und dann, wenn es einem passt, entsprechend zu lernen, was ja auch ein großer Vorteil ist in anderen Bereichen. Wenn man zum Beispiel Sport treiben will, ist das ja auch völlig üblich.