Sabine Fleger betreut zusammen mit Kolleginnen und Kollegen die Telefonhotline des infas Instituts für angewandte Sozialwissenschaft, das die jährlichen Befragungen für das Panel „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ im Auftrag des IAB durchführt. Mit welchen Anliegen sich Anrufer an sie wenden, was bei den Gesprächen zu beachten ist und welche Erfahrungen sie im Laufe der Jahre dabei gemacht hat, erzählt Sabine Fleger im Interview.

Frau Fleger, Sie betreuen seit vielen Jahren die Telefonhotline. Wer ruft da alles bei Ihnen an?

Grundsätzlich rufen bei uns Teilnehmer aller derzeit von infas durchgeführten Studien an. Die Studienteilnehmer kennen unsere Servicenummer und können sich jederzeit mit ihren Anliegen an uns wenden. Dafür ist unsere Hotline täglich zwischen acht und 18 Uhr besetzt. Pro Tag gehen bei uns durchschnittlich 60 bis 80 Anrufe ein. Natürlich häufen sich die Anrufe bei erhöhtem Studienaufkommen und in bestimmten Phasen – beispielsweise kurz nach dem Versand der Studieninformationen.

„Pro Tag gehen bei uns durchschnittlich 60 bis 80 Anrufe ein.“

Mit welchen Anliegen wenden sich die Studienteilnehmer typischerweise an Sie?

Die Anliegen sind sehr unterschiedlich. Oft wünschen sich die Anrufer detailliertere Informationen zur Studie und zum Auftraggeber oder möchten mehr über den Sinn und Zweck der Studie erfahren. Typisch sind auch Fragen nach der Adressherkunft oder dem Datenschutz. Manchmal rufen Personen nur an, um ein kurzes Feedback zur Studie zu geben oder ihre neue Adresse mitzuteilen. Im Allgemeinen muss man zwischen zwei verschiedenen Personengruppen unterscheiden: Zum einen gibt es Personen, die schon sehr lange an einer Studie teilnehmen und mit deren Ablauf bestens vertraut sind. Dieser Personenkreis hat bereits gute Erfahrungen mit der Studie gemacht und ist weniger skeptisch. Anders ist das bei Personen, die zum ersten Mal von uns kontaktiert werden. Hier ist die Skepsis naturgemäß etwas höher, und wir müssen am Telefon mehr Aufklärungsarbeit leisten und anfängliche Bedenken aus dem Weg räumen.

„Ich merke auch, dass Studienteilnehmer sehr an den Studienergebnissen interessiert sind und durch ihre Teilnahme eine Möglichkeit sehen, Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen.“

Wie ist das bei den Teilnehmenden an dem Panel „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“? Haben diese besondere Anliegen?

Mein Eindruck ist, dass die Befragten sehr datensensibel sind und häufig Informationen über die Herkunft der Adresse erhalten möchten. Ich merke auch, dass die Studienteilnehmer sehr an den Studienergebnissen interessiert sind und durch ihre Teilnahme eine Möglichkeit sehen, Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen. Was die Studie in meinen Augen außerdem besonders macht, ist die große Vielfalt an Menschen mit ganz unterschiedlichen Biografien, Kulturen und individuellen Lebensgeschichten.

Können Sie an der Hotline denn immer alle Sprachen und Anliegen bedienen?

Wir beherrschen an der Hotline mehrere Sprachen und haben jetzt extra auch einen Arabisch sprechenden Mitarbeiter eingestellt. Damit wir alle Fragen beantworten können, müssen wir uns ständig weiterbilden und uns neues Wissen über die Studien aneignen. Auch wenn sich die Anliegen der Anrufer durchaus wiederholen, hat jede Studie ihre Besonderheiten. Wenn ich aber doch einmal nicht selbst weiterweiß, halte ich mit den Projektbeteiligten Rücksprache und rufe die Anrufer wieder zurück. Alle Wünsche der Studienteilnehmer können wir allerdings nicht erfüllen. Anrufer, die beispielsweise mit der Ministerin persönlich sprechen wollen, können wir leider nicht ans Bundesministerium für Arbeit und Soziales durchstellen.

 „Jeder Fall ist anders, da muss man empathisch und authentisch sein.“

Welchen Personenkreis haben Sie besonders zu schätzen gelernt? Über welche Anrufe freuen Sie sich am meisten?

Also, ich mag Personen, die sich wirklich darüber freuen, dass sie an der Studie teilnehmen können und uns jedes Jahr wieder aufs Neue anrufen. Manche kennen wir schon beim Namen. Viele von ihnen benutzen das Interview als Gelegenheit, um ihr eigenes Leben und ihre berufliche Situation zu reflektieren. Sehr interessant sind auch Anrufer, die eher ungewöhnliche Anliegen vortragen oder mitten in der Nacht – etwa um vier Uhr früh – auf den Anrufbeantworter sprechen und sich bei uns für die Studie bedanken. Neben diesen eher erfreulichen Anrufen bekommen wir an der Hotline aber auch immer wieder traurige Geschichten und Schicksalsschläge mit. Beispielsweise, wenn eine Person im Haushalt gestorben ist und der Partner das Interview absagen muss.

„Die Hotline sehe ich als eine Schnittstelle zwischen infas, dem Auftraggeber und der sozialen Realität.“

Wie würden Sie eigentlich Ihre Rolle bei infas definieren? Warum benötigt man eine Telefonhotline?

Die Hotline sehe ich als eine Schnittstelle zwischen infas, dem Auftraggeber und der sozialen Realität. Wir befinden uns genau an der Grenze. Es geht gewissermaßen um eine Vermittlungsrolle. Wir müssen die Personen da abholen, wo sie gerade stehen. Gerade, wenn es um zunächst abstrakte Dinge wie eine wissenschaftliche Studie oder datenschutzrechtliche Angelegenheiten geht, müssen wir viel Vermittlungs- und Aufklärungsarbeit leisten. Ganz wichtig ist, den Bedürfnissen der Menschen entsprechend zu reagieren. Es geht letztlich immer um eine konkrete Person. Es gibt kein Patentrezept. Jeder Fall ist anders, da muss man empathisch und authentisch sein.

 „Ja, man merkt schon gesellschaftliche Trends.“

Haben sich die Anliegen der Anrufenden über die Zeit hinweg geändert? Können Sie im Spiegel der Hotline irgendwelche gesellschaftlichen Trends erkennen?

Ja, man merkt schon gesellschaftliche Trends. Klar, der Datenschutz ist ein Dauerthema. Davon unabhängig fließen aber auch immer wieder aktuelle politische Themen – wie die Flüchtlingspolitik oder die Angst vor dem Terrorismus – in die Telefonate ein. Ich habe außerdem den Eindruck, dass den Befragten Fragen um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sehr wichtig geworden sind.

Was macht für Sie den Reiz Ihrer Tätigkeit aus?

Die Betreuung der Telefonhotline ist eine sehr abwechslungsreiche und lebendige Tätigkeit. Wir werden von unseren Anrufern immer wieder aufs Neue überrascht. Besonders interessant ist, dass man die soziale Wirklichkeit und die Vielfalt der Menschen, die hier leben, ganz anders als im Alltag kennenlernt.

Zur Person

Sabine Fleger ist nach Abschluss ihres Studiums der Erziehungswissenschaft, Soziologie und Philosophie (MA) an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn seit 2010 als Mitarbeiterin bei infas tätig. Parallel dazu arbeitet sie im pädagogischen Bereich, beispielsweise von 2004 bis 2015 an der Pythagoras Matheschule in Bonn. Zu ihren Arbeitsschwerpunkten gehören die Rücklaufverarbeitung sowie die Koordination und Betreuung der Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmer.

Die Fragen stellte Daniel Meyer, derzeit als Doktorand am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln tätig.