In ihrem IAB-Kurzbericht 10/2017 haben Torsten Lietzmann und Claudia Wenzig untersucht, ob und wie die Arbeitszeitwünsche von Frauen und Männern vom Haushaltskontext abhängen. Darüber hinaus liegt der Fokus des Berichts vor allem auf den Einstellungen von 18- bis 60-jährigen Frauen zur Erwerbstätigkeit von Müttern und zur externen Betreuung von Kindern. Die Ergebnisse beruhen auf der Haushaltsbefragung „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ (PASS); für diesen Bericht wurden die Antworten von 6.500 Frauen und 5.600 Männern in Deutschland ausgewertet. Sieben Fragen an die beiden Autoren


PASS ist eine repräsentative Haushaltsbefragung mit einem sehr breiten Fragenspektrum zur Arbeitsmarkt-, Sozialstaats- und Armutssituation in Deutschland. Warum haben Sie für Ihren Kurzbericht gerade diesen Themenausschnitt gewählt?
Erwerbstätigkeit von Müttern trägt entscheidend dazu bei, die finanzielle Situation der Familien zu verbessern und beispielsweise das Risiko von SGB-II-Leistungsbezug zu verringern. Eine erfolgreiche Vereinbarkeit von Familie und Beruf gilt als Grundvoraussetzung für die Integration von Müttern in die Erwerbstätigkeit. Daher haben wir uns in einem größeren Projekt mit der Erwerbstätigkeit von Müttern und der Inanspruchnahme institutioneller Kinderbetreuung auseinandergesetzt. Für den Kurzbericht haben wir den Fokus dann stärker auf die Einstellungen zu Beruf und Familie gelegt, konkret ab wann eine Mutter wieder arbeiten kann bzw. ein Kind außerhalb der Familie betreut werden kann. Insgesamt gibt es da wenige Anhaltspunkte aus empirischen Studien.

Dr. Claudia Wenzig ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im IAB, Forschungsbereich “Panel Arbeitsmarkt und soziale Sicherung”.

Fast zwei Drittel der erwerbstätigen Männer wünschen sich kürzere Arbeitszeiten. Bei den Frauen sind es im Schnitt 45 Prozent; bei ihnen fallen die Unterschiede zwischen Wunsch und Wirklichkeit viel heterogener aus als bei den Männern und hängen deutlich vom Haushaltskontext ab. Spiegelt sich darin ein bestimmtes Rollenverständnis wider?
In der Tat zeigt unsere Analyse, dass Frauen mit jüngeren Kindern seltener erwerbstätig sind als kinderlose und wenn, dann mit einer geringeren durchschnittlichen Arbeitszeit. Gerade diese Frauen sind es, die sich zu einem größeren Anteil eine Ausweitung der Erwerbstätigkeit wünschen. Bei Männern hingegen sind die Arbeitszeitwünsche weitgehend unabhängig von der Familiensituation. Mit unserer Analyse wollen wir uns der Frage nähern, inwieweit hinter diesen geschlechtsspezifischen Unterschieden in der gelebten Arbeitsteilung ein entsprechendes Rollenverständnis steht oder andere strukturelle Gründe dafür verantwortlich sind.

Im Schnitt möchte gut ein Viertel der erwerbstätigen Frauen die Arbeitszeit erhöhen. Warum wird das – insbesondere jetzt, in Zeiten guter Arbeitsmarktlage – nicht realisiert?
Dafür gibt es eine Reihe von möglichen Erklärungen: das Fehlen passender Kinderbetreuungsangebote, keine passenden Arbeitsmöglichkeiten oder auch bestimmte Erwerbsorientierungen und Einstellungen zur Kinderbetreuung. Letzteres haben wir im Kurzbericht genauer betrachtet: Gerade junge Mütter können sich eine schnellere Rückkehr in den Job vorstellen. Hier würde eine umfassendere Erwerbstätigkeit zum Verständnis der Mutterrolle passen. Wahrscheinlich wird es aber „den“ einen Grund, warum die gewünschte Erhöhung des Erwerbsumfangs nicht realisiert wird, nicht geben.

Die Fragen zur Berufstätigkeit von Müttern und zur außerfamiliären Kinderbetreuung setzen jeweils am Alter des Kindes an. Hier werten Sie nur die Antworten der befragten Frauen aus. Warum? Und: Ist es nicht so, dass sich die Einstellungen der Männer zu diesen Themen auch auf die Einschätzungen der Frauen auswirken könnten?
Wir haben uns bei den Auswertungen zunächst auf die Frauen gestützt, da sie faktisch ihre Erwerbstätigkeit an die jeweilige Familienkonstellation anpassen. Männer dagegen bleiben weitestgehend bei ihrer Erwerbsbeteiligung und auch ihrem Erwerbsumfang. Das war der erste Schritt der Auswertungen. In unserer Panelbefragung haben wir auch Männer zu ihren Einschätzungen gefragt und können auswerten, inwieweit die Einstellungen von Paaren übereinstimmen oder abweichen. Das wollen wir zu einem späteren Zeitpunkt analysieren.

Dr. Torsten Lietzmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im IAB, Forschungsgruppe
 “Grundsicherungsbezug
und Arbeitsmarkt”
.

Bei der Erwerbstätigkeit von Müttern unterscheiden Sie zwischen Teilzeit und Vollzeit und dem jeweils angemessenen Alter des Kindes. Was sind hier die interessantesten oder auch überraschende Ergebnisse?
Interessant war zum einen die Bandbreite der berichteten Einstellungen: das durchschnittliche Alter des Kindes, ab dem eine Mutter wieder Teilzeit erwerbstätig sein kann, lag bei drei Jahren und zwei Monaten. Knapp 44 Prozent der Frauen können sich eine solche Erwerbstätigkeit vorstellen, wenn das Kind noch unter drei Jahren alt ist. Knapp 40 Prozent legen die Altersgrenze ins Kindergartenalter (drei bis unter sechs Jahre) und knapp 17 Prozent sogar erst ins Schulalter ab sechs Jahren. Bei einer Vollzeit-Erwerbstätigkeit fällt das berichtete Alter des Kindes noch höher aus. Die Mehrheit sieht dies erst ab sechs Jahren als angemessen an.
Diese Bandbreite bedingt zum andern auch eine differenzierte Einschätzung unterschiedlicher Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Für einen guten Teil besteht Potenzial für eine Ausweitung der Erwerbstätigkeit, wenn die Rahmenbedingungen der Betreuungsinfrastruktur vorhanden sind. Dieses Potenzial ist allerdings begrenzt, da diese Mütter eher eine erweiterte Teilzeit- als eine Vollzeittätigkeit wünschen. Ein ebenfalls relevanter Teil der Mütter kann sich eine frühzeitige Erwerbstätigkeit nicht vorstellen.

Wenn es um die externe Kinderbetreuung und das aus Sicht der Befragten angemessene Alter des Kindes geht, spielt eine entscheidende Rolle, ob die Betreuung nur stundenweise oder ganztags außerhalb der Familie stattfinden soll. Was kam bei diesen Fragen zutage?
Auch hier zeigt sich, dass die Spannweite der Altersgrenze groß ist. Im Durchschnitt liegt die Altersgrenze des Kindes für eine stundenweise Betreuung bei 2 Jahren und 7 Monaten, für eine Ganztagsbetreuung bei 5 Jahren und 4 Monaten. Wenn man sowohl die Einstellungen zur Erwerbstätigkeit als auch zur Kinderbetreuung vergleicht, erscheint für uns noch interessant, dass grundsätzlich die Altersgrenzen hinsichtlich der Kinderbetreuung niedriger ausfallen als bezüglich der Erwerbstätigkeit der Mütter. Dies spricht dafür, dass die Motive der Inanspruchnahme institutioneller Kinderbetreuung nicht allein bei der Ermöglichung einer Erwerbstätigkeit liegen, sondern auch die frühkindliche Bildung eine Rolle spielt.

Was beeinflusst die Einstellungen zur Erwerbstätigkeit von Müttern und zur externen Kinderbetreuung maßgeblich?
Es sind mehrere Einflussgrößen, die die Einstellungen zur Erwerbstätigkeit und zur Inanspruchnahme der Kinderbetreuung beeinflussen. Zum einen sicherlich das Alter der Frau selbst und die aktuelle Haushaltskonstellation, also ob es einen Partner gibt, wie viele Kinder im Haushalt leben und wie alt diese sind.  Jüngere Frauen und Mütter von jüngeren Kindern setzen die Altersgrenze des Kindes durchschnittlich niedriger an, ab dem eine Mutter wieder arbeiten kann bzw. ein Kind außerfamiliär betreut werden kann. Außerdem zeigte sich noch, dass Frauen aus Ostdeutschland  und Frauen mit einem höheren Bildungsniveau sich ebenfalls eine frühere Rückkehr und eine frühere Kinderbetreuung vorstellen können.

Wie können Mütter, die wieder arbeiten wollen, oder ihre Arbeitszeit erhöhen wollen, am besten unterstützt werden?
Aus anderen Studien weiß man, dass ein gutes Angebot von flexiblen Kinderbetreuungsmöglichkeiten eine entscheidende Rahmenbedingung darstellt, dass Frauen ihre Erwerbswünsche realisieren können. Und da in Deutschland – sowohl in Ostdeutschland und noch mehr in Westdeutschland – noch kein bedarfsgerechtes Betreuungsangebot existiert, erachten wir dies als immer noch wichtige Stellschraube, dass Mütter ihre Arbeitswünsche realisieren können.

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellten Nadine Segert-Hess und Elfriede Sonntag.

Wenn wir Sie auf weitere Ergebnisse dieser Studie neugierig gemacht haben, finden Sie den kompletten Kurzbericht 10/2017 zum kostenlosen Download auf der Internetseite des IAB.