Angesichts knapper Arbeitskräfte fällt es Betrieben immer schwerer, offene Stellen zu besetzen. Als Folge des demografischen Wandels ist zu erwarten, dass sich dieser Mangel weiter verschärft. So wird etwa die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter bis 2035 infolge der Demografie deutlich abnehmen. Es gibt jedoch eine Reihe von Ansätzen, um das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen trotz einer stark alternden Bevölkerung zu stabilisieren.

Die Altersstruktur der in Deutschland ansässigen Bevölkerung zeichnet den Rückgang des Arbeitskräfteangebots am Arbeitsmarkt vor. Berechnungen des IAB zeigen: Ohne Außenwanderung und steigende Erwerbsquoten würde die Zahl der Personen, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht, bis zum Jahr 2035 um über sieben Millionen sinken (lesen Sie dazu auch den IAB-Kurzbericht 25/2021 von Johann Fuchs und anderen).

Doch steigende Erwerbsquoten und Zuwanderung sind nicht die einzigen Stellschrauben, um der demografischen Schrumpfung entgegenzuwirken. Denn für das Arbeitsangebot ist nicht nur entscheidend, wie viele Personen prinzipiell dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, sondern auch, wie viele von ihnen tatsächlich erwerbstätig sind und wie hoch die geleistete Arbeitszeit ist.

Das Beschäftigungswachstum wurde während der vergangenen zwei Jahrzehnte durch die steigenden Erwerbsquoten unterstützt. Und es ist davon auszugehen, dass die Erwerbsbeteiligung weiterhin zunehmen kann. Potenziale sind zunächst dort zu finden, wo die Erwerbsbeteiligung derzeit noch vergleichsweise niedrig ist.

Insbesondere bei Älteren und bei Frauen mit ausländischer Staatsangehörigkeit sind deutlich höhere Erwerbsquoten möglich

Ein nach Alter, Staatsangehörigkeit und Geschlecht differenzierter Blick zeigt: Die Erwerbsquoten der Männer liegen in den mittleren Jahrgängen bereits bei über 90 Prozent, hier ist nur noch wenig Luft nach oben. Die Erwerbsquoten deutscher Frauen liegen in dieser Altersgruppe bei 85 bis 90 Prozent, könnten also noch in begrenztem Umfang steigen. Die Erwerbsbeteiligung der Frauen mit nichtdeutscher Staatsbürgerschaft liegt dagegen derzeit um bis zu 20 Prozentpunkte darunter. Eine höhere Quote scheint bei ihnen durchaus denkbar.

Potenziale liegen aber auch in der zunehmenden Erwerbsbeteiligung Älterer. So sind die Erwerbsquoten der 60- bis 64-Jährigen noch bis zu 20 Prozentpunkte niedriger als die der 55- bis 59-Jährigen. Vor zwanzig Jahren betrug dieser Unterschied sogar bis zu 40 Prozentpunkte. Infolge der Rente mit 67 dürfte in den höheren Altersgruppen eine weitere Zunahme der Erwerbsbeteiligung wahrscheinlich sein.

Auf Basis dieser Befunde lassen sich drei optimistische Szenarien berechnen:

  1. der Anstieg der Erwerbsquoten von Frauen ohne deutsche Staatsangehörigkeit im Alter zwischen 15 und 59 Jahren auf das Erwerbsniveau von deutschen Frauen
  2. die vollständige Angleichung der Erwerbsquoten deutscher Frauen an die der deutschen Männer im Alter von 30 bis 59 Jahren
  3. der Effekt eines Anstiegs der Erwerbsquoten der 60- bis 64-Jährigen und 65- bis 69-Jährigen jeweils auf das Niveau der Altersgruppe darunter.

Den Berechnungen zufolge gäbe es in Deutschland im Jahr 2035 insgesamt 3,4 Millionen zusätzliche Erwerbspersonen, wenn alle drei Szenarien wie geschildert einträten. Der Löwenanteil von 2,4 Millionen resultiert aus der steigenden Erwerbsbeteiligung Älterer.

Allerdings lässt die Wirkung höherer Erwerbsquoten bei sinkenden Bevölkerungszahlen nach. Denn der Effekt, dass 2035 noch ein Teil der Baby-Boomer auf dem Arbeitsmarkt ist, ist nicht von Dauer. Er nimmt in den Folgejahren wieder ab, wenn diese den Arbeitsmarkt verlassen. Die bis 2035 rechnerisch möglichen Zuwächse durch eine höhere Erwerbsbeteiligung von deutschen und ausländischen Frauen fallen mit 0,6 beziehungsweise 0,4 Millionen zwar schwächer, aber immer noch substanziell aus.

Durch höhere Erwerbsquoten ließe sich also das Arbeitsangebot erheblich steigern. Dazu müssen ältere Beschäftigte möglichst gut und lange in den Arbeitsmarkt integriert werden und bleiben. Erhebungen von Judith Czepek und anderen (siehe IAB-Kurzbericht 16/2017) haben gezeigt, dass etwa kürzere und flexiblere Arbeitszeiten effektiv dazu beitragen, Personal im Rentenalter im Unternehmen zu halten. Zudem müssen gerade Ältere in belastenden Berufen verstärkt Tätigkeiten ausüben, die ihren Stärken entsprechen. Und sie müssten hierfür systematisch qualifiziert werden.

Um höhere Frauenerwerbsquoten zu realisieren, muss die formal ja schon bestehende Gleichberechtigung am Arbeitsmarkt besser als bisher umgesetzt werden. So zeigen Forschungsergebnisse von Katrin Drasch und anderen aus dem Jahr 2020, dass Frauen ihre Erwerbstätigkeit immer noch stark an familiäre Aufgaben anpassen. Der Ausbau von Kinderbetreuungsangeboten und flexible, familienkompatible Arbeitszeiten sind wesentliche Faktoren, um die Erwerbstätigkeit von Müttern zu erhöhen. Forschungsergebnisse von Tanja Carstensen aus dem Jahr 2020 zeigen zudem, dass mobiles Arbeiten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wesentlich erleichtert.

Zu- und Abwanderung: Es geht auch darum, die Bleibebereitschaft zu verbessern

Ein starker Hebel für das Arbeitskräftepotenzial liegt aber nicht nur in der Hebung inländischer Personalreserven, sondern auch in der Migration. Deren Arbeitsangebotseffekt hängt wesentlich von der Altersstruktur der Zu- und Abwandernden ab. Zu- wie Fortzüge werden stark von Personen im erwerbsfähigen Alter dominiert, die das Arbeitsangebot unmittelbar beeinflussen. Wanderungen von Kindern und Rentnern spielen für das Arbeitsangebot bis 2035 hingegen nur eine untergeordnete Rolle.

Gegenüber einem Szenario ohne Wanderungen ergibt sich bei einem positiven jährlichen Wanderungssaldo von 100.000 Personen bis 2035 ein positiver Potenzialeffekt von circa 1,5 Millionen Personen. Dabei wird unterstellt, dass die Alters- und Geschlechtsstruktur dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre entspricht. Dass hier allerdings große Abweichungen auftreten können, zeigt sich beispielhaft an der jüngsten Fluchtbewegung aus der Ukraine, die sich vorwiegend aus Frauen und Kindern zusammensetzt. Grundsätzlich steigert jeder Wanderungsgewinn von zusätzlichen 100.000 Personen das Potenzial an Arbeitskräften um etwa 2,1 Prozent.

Im Jahr 2021 lag der Wanderungssaldo bei knapp 330.000 Personen, in erster Linie bedingt durch die hohe Zuwanderung von 1,14 Millionen Menschen mit nicht deutscher Staatsangehörigkeit. Die durchschnittliche jährliche Bruttozuwanderung im Zeitraum von 2010 bis 2019 lag mit 1,28 Millionen Personen nur leicht darüber, obwohl die Zuwanderung in den Jahren 2015 und 2016 sehr hoch war. Gleichzeitig waren die vergangenen beiden Pandemie-Jahre von niedriger Abwanderungsbereitschaft geprägt. So lag die jährliche Emigrationsquote der ausländischen Bevölkerung 2020 und 2021 bei rund 7 Prozent – und damit deutlich unter dem Durchschnitt der 2010er Jahre (9,1 %). Um langfristig einen ähnlich hohen oder gar höheren Wanderungssaldo wie im vergangenen Jahr zu realisieren, ist das Zusammenspiel von künftigem Zuwanderungs- und Abwanderungsverhalten entscheidend.

Dabei gilt zu beachten: Jeder Zuzug erhöht den Bevölkerungsbestand und damit die Bezugsgröße der Fortzugsquote. Bleibt die Fortzugsquote konstant, müssen die Zuzüge stetig steigen, damit der Wanderungssaldo stabil bleibt. Eine Beispielrechnung: Bei einer dauerhaften Abwanderungsquote von 9,1 Prozent müsste die jährliche Zuwanderung von Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit von aktuell 1,14 Millionen auf 1,64 Millionen im Jahr 2035 steigen, um einen dauerhaften Saldo von 330.000 Personen zu ermöglichen. Für einen Saldo von 400.000 Personen müsste die jährliche Zuwanderung bis dahin sogar auf 1,79 Millionen Personen anwachsen.

Eine solche Größenordnung zu erreichen, dürfte allerdings nicht leicht werden. Denn die Herkunftsländer der aktuell größten Zuwanderungsgruppen, die mittel- und osteuropäischen Staaten, befinden sich selbst im demografischen Wandel. Dies erschwert tendenziell eine hohe Zuwanderung nach Deutschland.

Geht man hingegen von einer dauerhaften jährlichen Zuwanderung von 1,14 Millionen Personen wie im Jahr 2021 aus, ließe sich ein konstanter Wanderungssaldo von 330.000 Personen nur dann erreichen, wenn die Abwanderungsbereitschaft der in Deutschland lebenden ausländischen Bevölkerung deutlich sinkt. Die Fortzugsquote müsste dann von heute 7 auf rund 5,5 Prozent pro Jahr sinken, bei einem Saldo von 400.000 Person sogar auf 4,7 Prozent. Solche Dimensionen wurden allerdings in den letzten 50 Jahren nie erreicht.

Um dauerhaft höhere Wanderungssalden zu erzielen, müssten also sowohl die Zuzugszahlen als auch die Bleibebereitschaft steigen. Für Erstere ist eine offene Zuwanderungspolitik wichtig. So ist angesichts des speziellen deutschen Qualifikationssystems zu empfehlen, die Hürde eines anerkannten Bildungsabschlusses bei Zuzug abzusenken. Das im März 2020 in Kraft getretene Fachkräfteeinwanderungsgesetz geht nach Einschätzung von Herbert Brücker und anderen (lesen Sie dazu die IAB-Stellungnahme 4/2019) in die richtige Richtung, dürfte aber wohl nicht ausreichen.

Migrationspolitik ist aber immer auch Integrationspolitik. Wer die Bleibebereitschaft verbessern will, muss darauf hinwirken, dass sich Zugewanderte in Deutschland bestmöglich integrieren können. Hier geht es etwa um die Anerkennung von Kompetenzen, gezielte berufsbegleitende Qualifizierung und Sprachförderung, aber auch um klare Perspektiven für Aufenthaltsrecht und Familiennachzug oder -mitzug (lesen Sie dazu einen Beitrag von Johann Fuchs und Enzo Weber aus dem Jahr 2021).

Auch Erreichen von Vollbeschäftigung würde das demografische Minus am Arbeitsmarkt mildern

Negative Beschäftigungswirkungen des demografischen Wandels können nicht nur durch höhere Erwerbsbeteiligung und Migration ausgeglichen werden, sondern auch durch Senkung der Arbeitslosigkeit. Vollbeschäftigung ist grundsätzlich erreicht, wenn alle Menschen, die eine Arbeit aufnehmen können und wollen, auch Arbeit bekommen (lesen Sie zum Ziel der Vollbeschäftigung auch den IAB-Kurzbericht 15/2014 von Enzo Weber). Dies wäre bei einer Arbeitslosenquote von 2 bis 3 Prozent gegeben.

Dabei geht es einerseits um Sucharbeitslosigkeit: Selbst wenn der Arbeitsmarkt aufnahmefähig ist, befinden sich zu jedem Zeitpunkt Menschen auf der Suche nach Arbeit. Vorübergehend sind damit immer Menschen arbeitslos. Zudem wird stets eine gewisse Zeit benötigt, um auftretenden strukturellen Problemen wie fehlender Passung zwischen Angebot und Nachfrage (Mismatch) zu begegnen. Außerdem gibt es in Rezessionen eine vorübergehend höhere (konjunkturelle) Arbeitslosigkeit.

Wie Enzo Weber bereits im oben erwähnten IAB-Kurzbericht argumentiert hat, wäre Vollbeschäftigung im Jahr 2030 prinzipiell erreichbar. Eine solche Entwicklung ist auch zu Zeiten demografischer Schrumpfung kein Automatismus. Mit der zunehmenden Verknappung von Arbeitskräften bietet sich aber die Chance, durch arbeitsmarktpolitische Anstrengungen in den Bereichen Vermittlung, Beschäftigungsfähigkeit und Qualifizierung dem Ziel der Vollbeschäftigung näherzukommen.

Nimmt man für das Jahr 2035 eine Arbeitslosenquote von 2,5 Prozent an, so ergäbe sich eine zusätzliche Beschäftigung von 1,3 Millionen Personen. Zudem ist davon auszugehen, dass eine Vollbeschäftigungssituation weitere Personen, etwa aus der Stillen Reserve, für den Arbeitsmarkt aktivieren würde.

Arbeitszeit: Viele Menschen in Teilzeit und Minijobs würden gerne länger arbeiten

Eine Ausweitung der Arbeitszeiten von Beschäftigten mit Verlängerungswünschen könnte ebenfalls weitere Erwerbspotenziale erschließen. Damit würde sich zwar nicht die Zahl der Arbeitskräfte erhöhen, sehr wohl aber das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen. Derzeit arbeiten laut IAB-Arbeitszeitrechnung fast 40 Prozent aller Beschäftigten in Teilzeit. 12 Prozent der männlichen und 8 Prozent der weiblichen Beschäftigten gaben nach Daten des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2020 an, unfreiwillig Teilzeit zu arbeiten, konnten also keine Vollzeitstelle finden. Außerdem möchte ein Teil der Teilzeitbeschäftigten die Arbeitszeit um einige Stunden aufstocken.

Wie Enzo Weber und Franziska Zimmert im IAB-Kurzbericht 13/2018 zeigen, ist Unterbeschäftigung, also der Wunsch nach mehr Arbeitsstunden, bei beschäftigten Frauen stark mit Familienarbeit verbunden. Ebendies verhindert oftmals die Auflösung der Diskrepanz zwischen gewünschter und tatsächlicher Arbeitszeit. Dagegen arbeiten Beschäftigte mit höheren Bildungsabschlüssen und größerer beruflicher Autonomie häufiger länger, als es ihren tatsächlichen Präferenzen entspricht. Dieses Problem ist allerdings angesichts der in diesen beruflichen Positionen vielfach sehr hohen Arbeitsbelastung mitunter nur schwer zu lösen.

Genaueren Aufschluss über das Ausmaß der Arbeitszeitwünsche von Beschäftigten in unterschiedlichen Erwerbsformen geben Befragungsergebnisse aus dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP), einer repräsentativen Längsschnittbefragung in deutschen Haushalten (siehe Tabelle). Demnach haben sich die Arbeitszeitwünsche trotz der Covid-19-Pandemie zwischen 2019 und 2020 nur geringfügig verändert.

Die Tabelle zeigt die Arbeitszeitwünsche nach Erwerbsformen für die Jahre 2019 und 2020. Quelle: SOEP 2019 und 2020 (SOEP-Core v37, EU-Edition), eigene hochgerechnete Auswertungen. © IAB

Der Wunsch, die Arbeitszeit zu verlängern, ist bei geringfügig Beschäftigten mit rund 44 Prozent am stärksten ausgeprägt. Könnten sie ihre Verlängerungswünsche realisieren, läge ihre Arbeitszeit durchschnittlich bei rund 23 Wochenstunden, also im Bereich der sozialversicherungspflichtigen Teilzeitbeschäftigung. Im Schnitt würden die Minijobber ihre tatsächliche Wochenarbeitszeit damit gerne um 13 Stunden erhöhen. Diese zusätzlichen Arbeitsstunden entsprechen bei einer Wochenarbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten von circa 38 Stunden einem Vollzeitäquivalent von immerhin knapp 700.000 Stellen.

Aber auch ein Viertel der Teilzeitbeschäftigten äußerte Verlängerungswünsche: Sie würden ihre Arbeitszeit gerne um knapp 10 Stunden auf 32 Stunden, also in den Bereich der vollzeitnahen Teilzeit, erhöhen. Dieses Potenzial an zusätzlichen Arbeitsstunden entspricht umgerechnet ebenfalls annähernd 700.000 Vollzeitäquivalenten.

Die Unterbeschäftigung insgesamt entspricht derzeit also rein rechnerisch einer Personenzahl von knapp 1,4 Millionen (siehe Abbildung), auch wenn hohe Anforderungen der Betriebe hinsichtlich Qualifikation oder Beruf sowie regionale Unterschiede verhindern dürften, dass dieses Potenzial vollständig ausgeschöpft wird.

Das Balkendiagramm zeigt, wie sich das Arbeitszeitpotenzial von Beschäftigten in Teilzeit und in Minijobs, die gerne länger arbeiten würden zwischen 2000 und 2020 entwickelt hat. Dieses lag im Jahr 2000 bei rund 1,3 Millionen Vollzeitäquivalenten, stieg bis 2009 auf 2 Millionen Vollzeitäquivalente und sank bis 2020 wieder auf rund 1,4 Millionen Vollzeitäquivalente. Während das Arbeitszeitpotenzial der Verlängerungswünsche von Teilzeitbeschäftigten die meiste Zeit deutlich geringer war als das der Minijobber, haben sich die Anteile zwischenzeitlich stark angenähert. Quelle: SOEP 2000-2020 (SOEP-Core v37, EU-Edition), IAB-Arbeitszeitrechnung, eigene hochgerechnete Auswertungen. © IAB

Den aufgeführten Arbeitszeit-Potenzialen der Unterbeschäftigung stehen die Verkürzungswünsche von anderen Beschäftigten gegenüber. Diese sind allerdings schwieriger zu realisieren als Verlängerungswünsche, wie eine Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit aus dem Jahr 2018 zeigt. Vor allem finanzielle Gründe oder eine hohe Arbeitslast hindern diese Beschäftigten häufig daran, ihre Arbeitszeit tatsächlich zu reduzieren. Jedoch gibt es auch hier betriebliche Möglichkeiten, den Präferenzen von Beschäftigten nach mehr Freizeit entgegenzukommen und trotzdem den Arbeitsumfang hochzuhalten, zum Beispiel über eine individuellere, lebensphasenorientiertere Arbeitszeitgestaltung und mobiles Arbeiten.

In ihrem 2018 publizierten IAB-Kurzbericht diskutieren Enzo Weber und Franziska Zimmert eine Reihe von Ansätzen, wie sich Arbeitszeitdiskrepanzen vermeiden oder abbauen lassen. Dazu gehören Rahmenbedingungen, die insbesondere Frauen in ihrer Erwerbstätigkeit unterstützen, wie eine partnerschaftliche Aufgabenteilung, umfassende und flexible Kinderbetreuungsmöglichkeiten sowie bessere steuerliche Anreize für eine Ausweitung der Erwerbstätigkeit von Ehefrauen.

Bei Minijobs ist an eine Regelung zu denken, die sicherstellt, dass Betriebe diese weiterhin möglichst einfach und flexibel einsetzen können und zugleich deren steuer- und abgabenrechtliche Begünstigung vermeidet. Auch die Betriebe selbst können hier ihren Beitrag leisten, etwa indem sie die oft sehr starre Trennung zwischen Voll- und Teilzeit abbauen und so das Risiko einer Teilzeitfalle verhindern, oder indem sie flexiblere Arbeitszeitmodelle fördern. So könnte zum Beispiel vermehrtes Arbeiten im Homeoffice mehr Wochenstunden ermöglichen, da sich dadurch die Pendelzeiten verkürzen.

Fazit

Die demografische Entwicklung würde ohne Außenwanderung und steigende Erwerbsquoten bis zum Jahr 2035 zu einem Rückgang des Arbeitskräfteangebots um sieben Millionen Personen führen. Dem können eine höhere Erwerbsbeteiligung (bis zu 3,4 Millionen Personen zusätzlich bei günstigster Entwicklung), insbesondere von Älteren und Frauen, sowie positive Zuwanderungssalden (plus 3,7 Millionen Personen bei einem jährlichen Saldo von 330.000) entgegenwirken. Auch Vollbeschäftigung (plus 1,3 Millionen Personen) und eine präferenzgerechte Ausweitung der Arbeitszeiten (plus 1,4 Millionen Personen, in Vollzeitstellen gemessen) könnten weitere Potenziale erschließen.

Es ist in der Summe also möglich, die demografische Schrumpfung des Erwerbspersonenpotenzials auszugleichen, wenn die aufgezeigten Maßnahmen erfolgreich umgesetzt werden können. Zur langfristigen Stabilisierung des Erwerbspersonenpotenzials über 2035 hinaus wird es aber auch darauf ankommen, dass in den kommenden Jahren die Geburtenrate steigt.

Das muss keineswegs mit einer stärkeren Arbeitsmarktintegration von Frauen in Widerspruch stehen. So zeigt sich in der OECD seit den 1990er Jahren ein positiver Zusammenhang zwischen Frauenerwerbsquote und Geburtenrate. Entscheidend dafür ist eine Gesellschaft, in der sich Beruf und Familie gut vereinbaren lassen. Da sich Geburten erst mit großer Verzögerung am Arbeitsmarkt auswirken, kommt es allerdings schon heute auf Faktoren wie umfassende Kinderbetreuungsangebote, partnerschaftliche Aufgabenteilung, flexible individuelle Arbeitsmodelle und familienpolitische Unterstützung an. Auch planbare Rahmenbedingungen und eine effektive Krisenpolitik können sich positiv auf das Geburtenverhalten auswirken, da sie die Unsicherheit für junge Familien reduziert.

Literatur

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit (2018): BAuA-Arbeitszeitbefragung: Arbeitszeitwünsche von Beschäftigten in Deutschland.

Brücker, Herbert; Jaschke, Philipp; Keita; Sekou; Konle-Seidl, Regina (2019): Fachkräfteeinwanderung aus Drittstaaten: Zum Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat. IAB-Stellungnahme Nr. 4.

Carstensen, Tanja (2020): Orts- und zeitflexibles Arbeiten: Alte Geschlechterungleichheiten und neue Muster der Arbeitsteilung durch Digitalisierung. In: Zeitschrift für Arbeitswissenschaft 74, S. 195-205.

Czepek, Judith; Gürtzgen, Nicole; Moczall, Andreas; Weber, Enzo (2017): Halten rentenberechtigter Mitarbeiter in den Betrieben: Vor allem kürzere und flexiblere Arbeitszeiten kommen zum Einsatz. IAB-Kurzbericht Nr. 16.

Drasch, Katrin; Götz, Susanne; Diener, Katharina (2020): Die Arbeitsmarktsituation von Frauen. In: Rauch A. und S. Tophoven (Hrsg.): Integration in den Arbeitsmarkt. Stuttgart.

Fuchs, Johann; Söhnlein, Doris; Weber, Brigitte (2021): Projektion des Erwerbspersonenpotenzials bis 2060: Demografische Entwicklung lässt das Arbeitskräfteangebot stark schrumpfen. IAB-Kurzbericht Nr. 25.

Fuchs, Johann; Weber, Enzo (2021): Migrationspolitik wird bei der Integration gewonnen. In: Makronom, 02.11.2021.

Statistisches Bundesamt (2022): Qualität der Arbeit – Unfreiwillig Teilzeitbeschäftigte. 16.09.2022.

Weber; Enzo (2014): Das Ziel der Vollbeschäftigung in Deutschland: Fern, aber erreichbar.IAB-Kurzbericht Nr. 15.

Weber, Enzo; Zimmert, Franziska (2018): Arbeitszeiten zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Wie Diskrepanzen entstehen und wie man sie auflöst. IAB-Kurzbericht Nr. 13.

In aller Kürze

  • Die demografische Entwicklung würde ohne Zuwanderung und steigende Erwerbsquoten bis zum Jahr 2035 zu einem Rückgang des Arbeitskräfteangebots um sieben Millionen Personen führen.
  • Bei sehr günstiger Entwicklung der Erwerbsbeteiligung könnten bis 2035 insbesondere bei Älteren und Frauen bis zu 3,4 Millionen zusätzliche Erwerbspersonen aktiviert werden.
  • Eine wunschgemäße Ausweitung der Arbeitszeiten könnte bis 2035 Erwerbspotenziale von bis zu 1,4 Millionen Vollzeitäquivalenten erschließen.
  • Ein jährlicher Wanderungssaldo von 330.000 Personen würde das Erwerbspersonenpotenzial bis zum Jahr 2035 um circa 3,7 Millionen erhöhen.
  • Um diese Potenziale zu heben, kommt es auf Faktoren wie Arbeitszeitflexibilisierung, Ausbau des Kinderbetreuungsangebots oder systematische Qualifizierungsmaßnahmen für Ältere sowie auf eine offene Zuwanderungspolitik mit stärkerer Integration von Eingewanderten an.

 

doi: 10.48720/IAB.FOO.20221121.01

Hellwagner, Timon; Söhnlein, Doris; Wanger, Susanne; Weber, Enzo (2022): Wie sich eine demografisch bedingte Schrumpfung des Arbeitsmarkts noch abwenden lässt, In: IAB-Forum 21. November 2022, https://www.iab-forum.de/wie-sich-eine-demografisch-bedingte-schrumpfung-des-arbeitsmarkts-noch-abwenden-laesst/, Abrufdatum: 24. April 2024