Wirtschaft und Arbeitsmarkt befinden sich in einem grundlegenden technologischen und ökologischen Wandel. Sie sind überdies mit den Folgen der Covid-19-Krise konfrontiert. Forschende aus aller Welt und aus verschiedenen Disziplinen diskutierten auf der sechsten TASKS-Konferenz in Nürnberg, wie sich diese Herausforderungen auf  Arbeitsinhalte und Qualifikationsanforderungen sowie auf Beschäftigte und Betriebe auswirken. Sie lieferten wissenschaftliche Analysen zur Zukunft der Arbeit und gaben Empfehlungen für Politik und Praxis.

Im Mittelpunkt der Konferenz, die das IAB gemeinsam mit dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) und dem Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim veranstaltete, stand der aktuelle Wandel des Arbeitsmarktes: Wie verändert der technologische Wandel den Arbeitsmarkt? Welche Tätigkeiten, Qualifikationen und Anforderungen verlieren oder gewinnen angesichts des digitalen und ökologischen Wandels an Bedeutung? Wie wirkt sich dies auf Betriebe und Beschäftigte aus? Und welche Entwicklungen werden durch die Covid-19-Pandemie verschärft oder verändert?

Diese und andere Fragen diskutierten 50 Forschende aus dem In- und Ausland auf der sechsten internationalen TASKS-Konferenz am 15. und 16. September 2022 im IAB in Nürnberg (der englische Begriff „tasks“ ist hier am ehesten mit dem deutschen Begriff „Tätigkeiten“ zu übersetzen). Die Themen reichten von der Veränderung der Arbeitsinhalte und den Auswirkungen des Einsatzes von Robotern auf die Beschäftigten bis hin zu internationalen Perspektiven auf den technologischen und ökologischen Wandel.

IAB-Direktor Professor Bernd Fitzenberger (im Bild die zweite Person von links) betonte zu Beginn die Relevanz der akademischen Forschung zur Zukunft der Arbeit, aus der sich wichtige Empfehlungen für Politik und Praxis ergäben. Er hob die hohe Qualität der eingereichten Beiträge hervor, die zumeist auf dem „Tasks Approach“ basierten. Er dient als ein wichtiges theoretisches Grundkonzept, um die Auswirkungen technologischer Entwicklungen auf Arbeitsmärkte, Betriebe und Beschäftigte zu analysieren.

Die Tatsache, dass die TASKS-Konferenz nun zum sechsten Mal stattfand, unterstreicht laut Fitzenberger die Bedeutung dieses Ansatzes für die Analyse der Zukunft der Arbeit. BIBB, IAB und ZEW werden nach Fitzenbergers Überzeugung auch weiterhin maßgeblich an der Gestaltung und Weiterentwicklung des „Tasks Approach“ mitwirken.

Vona: „Umschulung und gezielte betriebliche Weiterbildung sind unerlässlich, um die Wirksamkeit grüner Förderprogramme zu verbessern.“

Drei Keynote-Vorträge setzten wichtige Impulse für den Austausch auf diesem Forschungsfeld. Francesco Vona, Professor an der Universität Mailand (im Bild links), erläuterte, wie sich „grüne“ Beschäftigung identifizieren und messen lässt. Die Identifizierung der hierfür erforderlichen Tätigkeiten und Fähigkeiten sei von entscheidender Bedeutung, um die Umstellungskosten zu bewerten und geeignete Weiterbildungsprogramme zu konzipieren.

Insbesondere ingenieurwissenschaftliche und technische Fähigkeiten, für die nicht unbedingt eine Hochschulausbildung benötigt werde,  sind nach Vonas Einschätzung ein äußerst wichtiges Element „grüner“ Berufe. Um die Ausbildung von Arbeitskräften hin zu grünen Berufen zu stärken, seien auf die Umwelt ausgerichtete Förderprogramme erforderlich. Bislang, so Vona, erfordern grüne Berufe oft mehr Qualifikationen als solche in fossilen Industrien,  was sich indes nur teilweise in höheren Löhnen niederschlägt. Ohne ein entsprechendes Gegensteuern könnte dies möglicherweise den Übergang von umweltschädlichen zu grünen Arbeitsplätzen behindern.

Salomons: „Mehr als 60 Prozent der Arbeitsplätze im Jahr 2018 entfallen auf Berufsbezeichnungen, die es 1940 noch nicht gab.“

Im zweiten Hauptvortrag beleuchtet Anna Salomons, Professorin an der Universität Utrecht (im Bild die dritte Person von links), die Entstehung und den Inhalt von neuer Arbeit. Anhand von repräsentativen Daten aus dem US-Zensus zeigte sie, dass mehr als 60 Prozent der Beschäftigten im Jahr 2018 Berufe ausübten, die es unter dieser Bezeichnung im Jahr 1940 noch nicht gab. Auch konstatierte sie eine Polarisierung der Arbeitswelt: Von 1940 bis 1980 kam es demnach zu einer Verschiebung von durchschnittlich bezahlten Produktions- und Büroberufen hin zu hochbezahlten Fachkräften und seit den 1980ern auch zu niedrig bezahlten Dienstleistungen.

Neue Arbeit entsteht für Salomons als Reaktion auf Erweiterungsinnovationen, die menschliche Tätigkeiten ergänzen und somit den Output von Berufen erhöhen, und auf Nachfrageschocks, die die Nachfrage nach bestimmten Berufen steigern. Umgekehrt verlangsamen Automatisierungsinnovationen, die menschliche Tätigkeiten ersetzen, oder Nachfrageschocks, die die Nachfrage nach bestimmten beruflichen Tätigkeiten verringern, das Entstehen neuer Arbeit.

Salomons zufolge steigen Beschäftigung und Lohnsumme in denjenigen Berufen, in denen Ergänzungstechnologien zum Einsatz kommen. Hingegen sinken sie in Berufen, in denen Automatisierungstechnologien an Bedeutung gewinnen. Da sich die Verdrängung von Arbeitskräften durch die Automatisierung seit 1980 offenbar beschleunigt hat, besteht ein zentrales Thema für die künftige Forschung darin, besser zu verstehen, warum sich die relative Bedeutung von Erweiterungs- und Automatisierungstechnologien im Laufe der Zeit verschoben hat.

Cortes: „Die Auswirkungen des technologischen Wandels auf die Beschäftigten hängen nicht nur von deren Qualifikationen ab, sondern auch davon, für welchen Betrieb sie arbeiten.“

Matias Cortes, Professor an der York-Universität in Kanada (im Bild rechts), stellte seine Forschungsarbeiten über technologischen Wandel, Heterogenität von Betrieben und Lohnungleichheit vor. Er beleuchtete dabei den Zusammenhang zwischen technologischem Wandel und der zunehmenden Lohnungleichheit zwischen Betrieben. Dies sei einer der wichtigsten Arbeitsmarkttrends der letzten zwei Jahrzehnte.

Cortes stellte ein theoretisches Modell vor, in dem Betriebe heterogen und Arbeitsmärkte potenziell durch Friktionen gekennzeichnet sind. In diesem Modell trägt der qualifikationsverzerrte technologische Wandel nicht nur zu einer zunehmenden Ungleichheit zwischen Qualifikationsgruppen bei, sondern auch zu einer zunehmenden Ungleichheit zwischen Betrieben – selbst innerhalb derselben Qualifikationsgruppe. Demzufolge hängen die Löhne der Beschäftigten immer stärker von der Art der Betriebe ab, in denen diese tätig sind. Ein Befund der laut Cortes durch Daten des IAB empirisch bestätigt wird.

Diese Erkenntnis ist für die Arbeitsmarktpolitik von großer Bedeutung, da die Förderung von Bildung somit nicht ausreicht, um der steigenden Lohnungleichheit entgegenzuwirken. Zur Verringerung der Lohnungleichheit werden stattdessen verstärkt Maßnahmen benötigt, die technologisch rückständigen Betrieben dabei helfen, diesen Rückstand aufzuholen.

Wie schon bei früheren TASKS-Konferenzen, stand auch diesmal der intensive wissenschaftliche Austausch in einem dynamischen Forschungsfeld zur Zukunft der Arbeit im Fokus. Dabei zeigte sich einmal mehr, dass eine länder- und disziplinübergreifende Forschung gerade auf diesem Gebiet unerlässlich ist.

DOI: 10.48720/IAB.FOO.20221104.01

 

Arntz, Melanie; Ehmann, Kathrin; Lehmer, Florian (2022): TASKS-VI-Konferenz zur digitalen und ökologischen Transformation des Arbeitsmarktes, In: IAB-Forum 4. November 2022, https://www.iab-forum.de/tasks-vi-konferenz-zur-digitalen-und-oekologischen-transformation-des-arbeitsmarktes/, Abrufdatum: 26. April 2024