In der politischen Debatte wird häufig suggeriert, dass Handelsprotektionismus Arbeitsplätze im Inland erhalten oder sogar schaffen könnte. Die Weltwirtschaft funktioniert jedoch nicht so einfach, da der internationale Handel mit Produkten und Dienstleistungen in globalen Wertschöpfungsketten organisiert ist. Waren, die weiterverarbeitet und nicht für den Endverbrauch verwendet werden, spielen im internationalen Handelsverkehr eine wichtige Rolle. Die Verschärfung von Handelsbarrieren für diese sogenannten „Zwischenprodukte“ kann für die Wirtschaft sehr teuer werden und zu einem Verlust von Arbeitsplätzen in den vernetzten Branchen führen.

Verfechter von Schutzzöllen möchten die nationale Produktion steigern, entweder als Ergebnis einer größeren Produktionsmenge durch lokale Unternehmen oder durch mehr ausländische Direktinvestitionen. Der Import würde durch Schutzzölle teurer, sodass lokale Unternehmen mehr produzieren würden, um die fehlenden Importe auszugleichen. Multinationale Unternehmen würden in Produktionsstätten investieren, die sich geographisch nahe am Verbraucher befinden, um Handelsbarrieren zu umgehen. Das politische Ziel ist es, die lokalen Beschäftigungszahlen in der so geschützten Branche zu erhöhen, indem Arbeitsplätze erhalten und neue geschaffen werden.

Internationaler Handel und Direktinvestitionen wachsen parallel

Dies ist eine ziemlich vereinfachte Sichtweise auf den internationalen Handel. Dabei wird unterstellt, dass höhere Zölle zu weniger Importen führen und so die ausländischen Direktinvestitionen im Inland gesteigert werden. Wäre die Sichtweise korrekt, müsste man eine negative Korrelation zwischen internationalem Handel und ausländischen Direktinvestitionen erwarten. Doch anhand der Daten ergibt sich ein anderes Bild (siehe Abbildung 1). In den letzten 30 Jahren nahmen der internationale Handel und die ausländischen  Direktinvestitionen gleichzeitig zu, womit sich eine positive Korrelation zwischen den beiden Variablen zeigt. Die deutsche Wirtschaft bildet dabei keine Ausnahme.

Bis Mitte der 1980er Jahre gab es nur eine schwache Korrelation zwischen Handel und Direktinvestitionen im Ausland. Seitdem ist die Beziehung jedoch ganz klar positiv. Dies bedeutet, dass die Motivation für Direktinvestitionen im Ausland nicht allein darin liegt, den lokalen Markt zu unterstützen, sondern potenziell auch im Export in Drittländer beziehungsweise im Rückimport in das Ursprungsland.

Bis zu einem gewissen Grad kann die positive Korrelation mit der Existenz des Handels von Zwischenprodukten erklärt werden. Ein einzelnes Produkt kann aus mehreren Teilen bestehen, die wiederum an vielen verschiedenen Standorten produziert werden können. Die endgültige Fertigstellung sowie der mit dem Produkt verbundene Kundenservice müssen ebenfalls nicht im gleichen Land stattfinden. Die Fragmentierung des Produktionsprozesses und die Produktionsverlagerung ins Ausland tragen zu einem höheren Handelsvolumen bei und sind häufig mit großen Investitionen im Ausland verbunden. Die globalen Wertschöpfungsketten sind ein vorherrschender Faktor im heutigen internationalen Handel. Zwischenprodukte, die Teil der globalen Wertschöpfungsketten sind, machen einen großen Teil des internationalen Handels aus.

In der folgenden Abbildung ist der Anteil der Zwischenprodukte an allen Importen nach Deutschland aus einigen ausgewählten Ländern dargestellt. Im Jahr 2017 waren beispielsweise 58 Prozent aller aus den USA nach Deutschland importieren Primär- und Industriegüter Zwischenprodukte, das heißt Waren, die im weiteren Produktionsprozess eingesetzt werden und nicht für den Endverbrauch gedacht sind, wie zum Beispiel Papier für Bücher oder Zeitungen.

Handelsbarrieren für Vorleistungsgüter sind besonders kostspielig

Die Wirtschaftswissenschaftler Mary Amiti und Jozef Konings haben in ihrer Studie von 2007 gezeigt, dass die Liberalisierung des Handels mit Zwischenprodukten für das Produktionswachstum besonders vorteilhaft sein kann, mehr noch als die Reduzierung von Handelsbarrieren für Endprodukte. Wenn man dieses Argument umkehrt, ergibt sich Folgendes: Protektionismus kann sich negativer auswirken, wenn er auf Zwischenprodukte abzielt, zumindest weil Chancen auf Wirtschaftswachstum verpasst werden.

Vergleicht man den Anteil deutscher Importe von Zwischenprodukten an allen importierten Primär- und Industriegütern aus den USA und China (siehe Abbildung 2) sieht man zunächst, dass der Anteil der Zwischenprodukte aus den USA fast doppelt so groß ist wie der Anteil der Zwischenprodukte aus China. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass höhere Handelsbarrieren für alle US-Importe nach Deutschland im Vergleich zu höheren Handelsbarrieren für chinesische Importe kostenintensiver wären. Das Handelsvolumen muss hierbei ebenfalls berücksichtigt werden (siehe Abbildung 3): Im Jahr 2017 war China der größte Handelspartner Deutschlands in Bezug auf Importe aller Arten von Waren. Die USA stehen mit sechs Prozent aller deutschen Importe an vierter und Großbritannien mit drei Prozent an elfter Stelle. Ein höheres Handelsvolumen mit Zöllen zu belegen, würde potenziell zu höheren gesamtwirtschaftlichen Kosten führen.

Die USA haben Handelszölle für Stahl und Aluminium eingeführt. Ein Handelskonflikt zwischen den USA und China hat sich entwickelt, der zurzeit weiter eskaliert. Der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union kann ebenfalls zu wesentlichen Handelsbarrieren führen, wenn keine entsprechende Einigung erzielt wird. In diesem Kontext ist es wichtig zu verstehen, dass Branchen sehr eng miteinander verbunden sind. Wenn die Regelungen in einer Branche geändert werden, kann sich dies wesentlich auf andere Branchen auswirken. Zur Analyse der wirtschaftlichen Auswirkungen des Protektionismus ist es notwendig, den größeren Zusammenhang zu erfassen und sich nicht nur auf ein einzelnes Produkt oder eine einzelne Branche zu konzentrieren. Handelsbarrieren führen aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer Störung der etablierten Produktionsketten und zu einem geringeren Volumen an ausländischen Direktinvestitionen im Inland. Dies steht in Übereinstimmung mit der positiven Korrelation zwischen Handel und ausländischen Direktinvestitionen, die aus den oben genannten Daten hervorgeht. Damit wären Handelsbarrieren der globalen Produktion und der Beschäftigungsentwicklung abträglich.

Fazit

In Bezug auf die Handelspolitik ist die multilaterale Reduktion von Handelsbarrieren vorteilhaft für die Weltwirtschaft und die Beschäftigung. Argumente für den Protektionismus, die sich auf die Schaffung von Arbeitsplätzen beziehen, sollten immer im größeren Kontext diskutiert werden. Der Erhalt einiger Arbeitsplätze in einer Branche kann gleichzeitig dazu führen, dass sehr viel mehr Arbeitsplätze in anderen, mit dieser Branche verbundenen Industriezweigen gefährdet werden. Dieser Zusammenhang gilt nicht nur für andere Produktionszweige, sondern auch für Dienstleistungen. Kundenservice und Marketing- oder Vertriebsnetzwerke bieten auch lokale Arbeitsplätze. Selbst wenn ein Land Vergeltungsmaßnahmen aufgrund seiner protektionistischen Handelspolitik umgehen kann, wird, abhängig davon, wie sehr die geschützten Produkte oder Branchen miteinander verbunden sind, dennoch die eigene Wirtschaft geschädigt.

Literatur

Amiti, Mary; Konings, Jozef (2007): Trade Liberalization, Intermediate Inputs, and Productivity: Evidence from Indonesia. In: American Economic Review, Bd. 97, S. 1611–1638.

OECD: STAN-Datenbank, Abruf am 21.01.2019.

The World Bank, World Development Indicators (2017): Foreign direct investment, net outflows (% of GDP), Abruf am 21.01.2019.

The World Bank (2007): World Development Indicators, Merchandise trade (% of GDP), Abruf am 21.01.2019.

United Nations Statistics Division: UN Comtrade, Abruf am 13.05.2019.

Stepanok, Ignat (2019): Sichert Protektionismus Arbeitsplätze?, In: IAB-Forum 7. Juni 2019, https://www.iab-forum.de/sichert-protektionismus-arbeitsplaetze/, Abrufdatum: 19. April 2024