Der demografische Wandel ist mittlerweile auch in den Betrieben angekommen. Nach Daten der Bundesagentur für Arbeit gab es im Jahr 2017 gut sechs Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte im Alter von 55 bis unter 65 Jahren – und damit mehr als doppelt so viele wie im Jahr 2000. Aber geht die steigende Beschäftigung Älterer in den deutschen Unternehmen auch mit einem verstärkten Einsatz altersspezifischer Personalmaßnahmen einher? Aufschluss hierüber geben die aktuellen Daten des IAB-Betriebspanels.

Entgegen gängiger Vorurteile sind Ältere nicht zwangsläufig weniger belastbar als Jüngere. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass ihre persönlichen Fähig- und Fertigkeiten mit den Anforderungen des Arbeitsmarktes übereinstimmen oder in Übereinstimmung gebracht werden. Dies ist die Grundidee des Konzepts der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit, wie es Juhani Ilmarinen in einer 2006 erschienenen Studie entwickelt hat.

Um die Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit bis zum Eintritt in den Ruhestand zu erhalten, spielen zum einen individuelle Ressourcen wie Motivation oder Gesundheit eine wichtige Rolle. Zum anderen kommt es entscheidend auf die arbeitsplatzspezifischen Anforderungen und Gegebenheiten an.

Mit einer alterns- beziehungsweise altersgerechten Arbeitsgestaltung können Betriebe dazu beitragen, die Arbeitsfähigkeit ihrer Beschäftigten aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern. Neben Maßnahmen der Arbeitsplatz- und Arbeitszeitgestaltung kommt hierbei der Weiterbildung, der Gesundheitsförderung, aber auch dem Verhalten der Vorgesetzten eine große Bedeutung zu.

Ohne Berücksichtigung der Altersteilzeit hat die Verbreitung von betrieblichen Maßnahmen für Ältere zugenommen

Solche personalpolitischen Maßnahmen für ältere Arbeitnehmer spielen allerdings in der betrieblichen Praxis bislang eine eher untergeordnete Rolle. Seit dem Jahr 2006 ist der Anteil der Betriebe, die Ältere beschäftigen und mindestens eine altersspezifische Maßnahme durchführen, mit rund 17 Prozent praktisch unverändert geblieben (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Anteil der Betriebe, die spezifische Maßnahmen für Ältere durchführen

Ein differenzierteres Bild ergibt sich, wenn man berücksichtigt, dass die Verbreitung der Altersteilzeit seither stark zurückgegangen ist. Denn diese Maßnahme zielt im Unterschied zu den anderen Instrumenten – zumindest in ihrer Ausgestaltung als Blockmodell, der mit Abstand am häufigsten gewählten Variante – eher auf eine vorzeitige Ausgliederung der Beschäftigten als auf einen möglichst langen Verbleib im Betrieb.

Ohne die Altersteilzeit ist der Anteil der Betriebe, die zumindest eine altersspezifische Maßnahme durchführen, zwischen 2006 und 2015 von 11 auf 15 Prozent gestiegen. Nimmt man überdies Kleinbetriebe mit weniger als 20 Beschäftigten aus, so liegt dieser Anteil 2015 bei 36 Prozent – das ist eine Zunahme um 11 Prozentpunkte gegenüber dem Jahr 2006.

Sieben Prozent der Betriebe bieten ihren älteren Beschäftigten Weiterbildungen an

Zu den am stärksten verbreiteten personalpolitischen Instrumenten für ältere Mitarbeiter zählten im Jahr 2015 Weiterbildungsmaßnahmen. Dabei setzten die Betriebe eher auf „allgemeine“, also altersgemischte, Maßnahmen der Weiterbildung – weniger auf Fortbildungen, die sich speziell an Ältere richten.

Allerdings gaben mit sieben Prozent wenige Betriebe an, ihre älteren Beschäftigten in Weiterbildungsmaßnahmen einzubeziehen. Die Gründe dafür liegen sowohl im Entscheidungsverhalten der Arbeitgeber als auch bei den älteren Beschäftigten selbst: So dürften beide Seiten Kosten und Nutzen einer Weiterbildungsinvestition vor dem Hintergrund der verbleibenden Beschäftigungsdauer gegeneinander abwägen und in vielen Fällen zu dem Schluss kommen, dass sich eine Weiterbildung nicht mehr lohnt.

Aus individueller Perspektive könnten zudem auch Lernhemmungen oder eine gewisse Zufriedenheit mit dem bereits Erreichten gegen eine Weiterbildungsbeteiligung sprechen, aus betrieblicher Perspektive möglicherweise die Einschätzung, dass ältere Beschäftigte weniger lernfähig und lernbereit sind als jüngere.

Darüber hinaus gaben jeweils fünf Prozent der Betriebe an, die Leistungsanforderungen älterer Beschäftigter anzupassen oder altersgemischte Arbeitsgruppen einzusetzen. Ebenfalls fünf Prozent boten ihren Mitarbeitern Altersteilzeit an. Die Verbreitung der Altersteilzeit ist allerdings deutlich zurückgegangen, was auch mit dem Auslaufen der finanziellen Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit zu tun haben dürfte. Weitere vier Prozent der Betriebe bezogen ihre älteren Mitarbeiter in Maßnahmen zur Gesundheitsförderung ein, drei Prozent sagten aus, die Arbeitsplätze für Ältere besonders auszustatten.

Großbetriebe bieten wesentlich häufiger altersgerechte Maßnahmen an als Kleinbetriebe

Die Frage, ob ein Betrieb altersgerechte Maßnahmen praktiziert oder nicht, hängt von verschiedenen Faktoren ab. So steigt die Verbreitung der hier betrachteten Instrumente mit der Betriebsgröße stark an (siehe Abbildung 2). Dies ist wenig erstaunlich, da größere Betriebe eher über die organisatorischen und finanziellen Voraussetzungen verfügen, um zum Beispiel spezielle Maßnahmen der Weiterbildung oder Gesundheitsförderung durchzuführen. Zudem ist in größeren Betrieben die Anzahl der älteren Beschäftigten naturgemäß höher, so dass sich ein Angebot an altersgerechten Aktivitäten eher lohnt.

Allerdings ist anzunehmen, dass auch in vielen kleinen Betrieben informell mehr für die älteren Arbeitnehmer getan wird, als es die in quantitativen Befragungen wie dem IAB-Betriebspanel erhobenen Daten vermuten lassen. Gleichwohl spricht einiges dafür, dass der Anteil der älteren Beschäftigten, denen altersspezifische Maßnahmen zuteilwerden, in Großbetrieben in der Regel höher ausfallen dürfte als in Kleinbetrieben.

Abbildung 2: Anteil der Betriebe mit Maßnahmen für ältere Beschäftigte steigt mit zunehmender Betriebsgröße

Tarifgebundene Betriebe und Betriebe mit Betriebsrat bieten häufiger Maßnahmen für ältere Beschäftigte an

Aus weiteren Untersuchungen ist bekannt, dass der Einsatz altersgerechter Maßnahmen auch vom Kontext der Arbeitsbeziehungen abhängt. So bieten Betriebe mit einem Betriebsrat und Betriebe, die in einen Tarifvertrag eingebunden sind, eher Maßnahmen an, die zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit beitragen.

Wie eine aktuelle Studie von Lutz Bellmann und Koautoren für die Hans-Böckler-Stiftung zeigt, kommt vor allem jenen Tarifverträgen eine besondere Bedeutung zu, die demografischen Aspekten explizit Rechnung tragen. Exemplarisch sei hier der Demografie-Tarifvertrag der Chemieindustrie genannt, die als erste Branche einen Tarifvertrag entwickelt hat, der sich mit den Herausforderungen des demografischen Wandels beschäftigt.

Die Arbeitgeber lassen sich in ihrem personalpolitischen Handeln aber nicht nur von institutionellen Rahmenbedingungen leiten, sondern auch von ihrem Arbeitskräftebedarf. So zeigt beispielsweise eine im Jahr 2011 erschienene Studie von Lutz Bellmann und Ute Leber, dass Betriebe dann verstärkt in die Weiterbildung ihrer älteren Beschäftigten investieren, wenn sie Schwierigkeiten haben, auf dem externen Arbeitsmarkt Fachkräfte zu finden. Ältere Arbeitnehmer scheinen für diese Betriebe also ein wichtiges Potenzial zur Fachkräftesicherung zu sein, und durch den Einsatz entsprechender Maßnahmen versuchen sie, ihre Beschäftigten möglichst lange im Betrieb zu halten.

Fazit

Altersgerechte Personalmaßnahmen spielen trotz der steigenden Beschäftigung Älterer in den deutschen Betrieben nach wie vor eine untergeordnete Rolle, auch wenn der Anteil der Betriebe, die entsprechende Instrumente einsetzen, zwischen 2006 und 2015 gestiegen ist, wenn man den Sonderfall der Altersteilzeit ausklammert.

Allerdings dürften viele Betriebe Personalmaßnahmen für die ganze Belegschaft einsetzen und dabei nicht zwischen verschiedenen Beschäftigten- oder Altersgruppen differenzieren. Ältere gelten vielleicht oftmals gar nicht als eine Beschäftigtengruppe, für die spezielle Maßnahmen erforderlich sind. Denkbar ist aber auch, dass in vielen Betrieben eher situative Lösungen praktiziert werden, die von Erhebungen wie dem IAB-Betriebspanel nicht hinreichend abgebildet werden können.

Schließlich sei angemerkt, dass im IAB-Betriebspanel Informationen nur zum Angebot, nicht aber zur Intensität altersgerechter Maßnahmen erhoben werden. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die aktiven Betriebe in den vergangenen Jahren anteilig mehr Beschäftigte etwa in Maßnahmen der Gesundheitsförderung oder der Weiterbildung einbezogen haben.

Wie sich das betriebliche Angebot an altersgerechten Personalmaßnahmen weiter entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Angesichts zunehmender Fachkräfteengpässe auf dem Arbeitsmarkt müssen die Betriebe künftig noch mehr tun, wenn sie ihre älteren Beschäftigten im Betrieb halten möchten. Im Sinne einer vorausschauenden Personalpolitik kommt es dabei auch wesentlich darauf an, bereits frühzeitig in die Beschäftigungsfähigkeit des Personals zu investieren und nicht erst im Alter damit zu beginnen.

Literatur

Bellmann, Lutz; Brandl, Sebastian; Dummert, Sandra; Guggemos, Peter; Leber, Ute; Matuschek, Ingo: Altern im Betrieb. Studie der Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf (im Erscheinen).

Bellmann, Lutz; Leber, Ute (2011): Betriebliche Weiterbildung Älterer als Strategie zur Sicherung des Fachkräftebedarfs. In: Sozialer Fortschritt, Bd. 60, H. 8, S. 168–175.

Ilmarinen, Juhani (2006): Towards a longer worklife. Ageing and the quality of work-life in the European Union. Helsinki: Finnish Institute of Occupational Health, Ministry of Social Affairs and Health


Daten und Methoden

Das IAB-Betriebspanel enthält neben einem jährlichen Fragenprogramm auch Schwerpunktfragen, die nur in einzelnen Wellen erhoben werden. Die hier ausgewerteten Fragen zur altersspezifischen Personalpolitik wurden in den Jahren 2006, 2008, 2011 und 2015 gestellt. Bei den dargestellten Werten handelt es sich um hochgerechnete Angaben.

Bellmann, Lutz; Dummert, Sandra; Leber, Ute (2018): Nur eine Minderheit der Betriebe führt spezifische Personalmaßnahmen für Ältere durch, In: IAB-Forum 8. Oktober 2018, https://www.iab-forum.de/nur-eine-minderheit-der-betriebe-fuehrt-spezifische-personalmassnahmen-fuer-aeltere-durch/, Abrufdatum: 24. April 2024