Die Wirtschaft in Deutschland setzt ihren moderaten Aufschwung fort. Für 2017 prognostiziert das IAB ein Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts von 1,4 Prozent. Der Aufwärtstrend der Erwerbstätigkeit hält ebenfalls an: Hier erwartet das IAB ein Plus von 670.000 Personen, die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wird sogar um 760.000 Personen zunehmen. 

Gesamtwirtschaftliche Entwicklung

Trotz weltwirtschaftlicher Risiken ging der moderate Konjunkturaufschwung im Jahr 2016 weiter. Das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) nahm gegenüber dem Vorjahr um 1,9 Prozent zu. Grundsätzlich ist zu erwarten, dass sich diese Entwicklung fortsetzen wird. Die aktuellen Konjunkturindikatoren zeichnen ein positives Bild. Wichtigste Wachstumsstütze bleibt der inländische Konsum. Weltwirtschaftlich bestehen dagegen Risiken etwa durch die ökonomischen Probleme in Schwellenländern und die Folgen der Brexit-Entscheidung.

Die angekündigte expansive Fiskalpolitik der neuen US-Regierung dürfte das Wachstum kurzfristig erhöhen, der geplante protektionistische Kurs könnte die Weltwirtschaft dagegen schwächen. Insgesamt erwarten wir für 2017 ein Wachstum des realen BIP von 1,4 Prozent (Prognoseintervall ±0,7 Prozentpunkte), wobei eine deutlich geringere Zahl von Arbeitstagen mit -0,3 Prozentpunkten zu Buche schlägt.

Arbeitsmarktentwicklung im Überblick

Die Erwerbstätigkeit folgt seit elf Jahren einem Aufwärtstrend, mit kurzer Unterbrechung im Krisenjahr 2009. Die Arbeitslosigkeit nahm deutlich ab, zuletzt sank sie seit dem Jahr 2014 moderat. Mittlerweile ist der tiefste Stand seit 25 Jahren erreicht. Dennoch sind weiterhin strukturelle Probleme sichtbar. Dazu gehört beispielsweise, dass Arbeitslose mit ihrer Qualifikation oft nicht zu den Bedarfen der Betriebe passen oder regionale Diskrepanzen von Angebot und Nachfrage auftreten. Auch ist ein beträchtlicher Teil der Arbeitslosen in der Grundsicherung sehr lange ohne Beschäftigung.

Die Grundverfassung des deutschen Arbeitsmarkts ist allerdings gut. Dies zeigt sich unabhängig von der aktuellen konjunkturellen Lage: Die Beschäftigung reagiert seit der Krise 2009 relativ schwach auf das gesamtwirtschaftliche Auf und Ab, wie eine Studie von Sabine Klinger und Enzo Weber aus dem Jahr 2014 zeigt. Während der Bedarf an Arbeitskräften weiter ausgesprochen hoch ist, wird das Potenzial für weitere Beschäftigungszunahmen perspektivisch an seine Grenzen geraten, so eine Untersuchung von Johann Fuchs, Doris Söhnlein und Brigitte Weber von 2017.

Ohne die Effekte der Flüchtlingszuwanderung würde das Erwerbspersonenpotenzial in diesem Jahr kaum noch wachsen, so Johann Fuchs und Enzo Weber in einer Studie von 2016. Das zusätzliche Potenzial der Flüchtlinge tatsächlich in großem Umfang in Beschäftigung umzumünzen, braucht Zeit. Investitionen in Bildung und Sprachkompetenz versprechen dabei aber große fiskalische und gesamtwirtschaftliche Vorteile, wie Stefan Bach et al. und Gerd Zika et al. in aktuellen Untersuchungen aus diesem Jahr deutlich machen.

Die stärkere Knappheit von Arbeitskräften führt dazu, dass Betriebe sich Beschäftigte auch unabhängig von der aktuellen konjunkturellen Lage sichern. Dies lässt sich am deutlich sinkenden Entlassungsrisiko ablesen, welches auf dem niedrigsten Wert seit der Wiedervereinigung liegt. Das entlastet die Arbeitslosigkeit und trägt wesentlich zum starken Beschäftigungsanstieg bei. Auf der Einstellungsseite nehmen die Schwierigkeiten dagegen zu, die Dauer der Stellenbesetzungen steigt. Das niedrige Entlassungsrisiko könnte auch dazu beigetragen haben, dass mit der Einführung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns kaum negative Beschäftigungswirkungen offensichtlich wurden, so Lutz Bellmann et al. in einer Studie von 2016. Auch für den Prognosezeitraum gehen wir von keinen größeren Beschäftigungseffekten aus.

Über das Jahr 2017 werden mehr und mehr Flüchtlinge für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Naturgemäß nehmen dann Arbeitslosmeldungen zu. Auch ist weiterhin eine starke Teilnahme an Integrationskursen und arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zu erwarten. Wir rechnen mit Effekten der Flüchtlingszuwanderung seit 2015 auf die Änderung der jahresdurchschnittlichen Arbeitslosigkeit 2017 von +60.000 Personen. Die Wirkung auf die Änderung der Erwerbstätigkeit wird auf +70.000 geschätzt.

Entwicklung der Arbeitslosigkeit

Neben den Effekten der Flüchtlingszuwanderung zeigt sich eine günstige Entwicklung der Arbeitslosigkeit, die in der Gesamtwirkung bis zuletzt überwog. Diese resultiert aus der guten konjunkturellen Lage und der zunehmenden Knappheit von Arbeitskräften. Für die nächsten drei Monate lässt die Arbeitslosigkeitskomponente des IAB-Arbeitsmarktbarometers mit 102,3 Punkten einen weiteren Rückgang erwarten. Für den Jahresdurchschnitt 2017 ergibt sich eine Abnahme der Arbeitslosigkeit um 160.000 auf 2,53 Millionen Personen (Prognoseintervall ±70.000).

Ein Drittel aller Arbeitslosen ist im SGB III registriert. Im Februar 2017 betraf dies saisonbereinigt 880.000 Personen, während im Bereich des Zweiten Sozialgesetzbuchs (SGB II) 1,72 Millionen Personen arbeitslos gemeldet waren. Zuletzt verlief die Entwicklung im Rechtskreis SGB II rechnerisch deutlich günstiger als im Bereich des Dritten Sozialgesetzbuchs (SGB III), vor allem weil arbeitsmarktpolitische Maßnahmen – unter anderem für Flüchtlinge – im Bereich der Grundsicherung stärker ausgeweitet wurden.

Dagegen stagnierte die Arbeitslosigkeit im Versicherungssystem im Jahresverlauf 2016 beinahe – die Aufnahme arbeitsloser Flüchtlinge überdeckte in diesem Rechtskreis den weiteren Rückgang der Arbeitslosigkeit. Zudem werden seit Januar 2017 Personen, die ergänzend zum Arbeitslosengeld aus dem Versicherungssystem auch Arbeitslosengeld II beziehen („Aufstocker“), vermittlerisch von der Agentur für Arbeit und nicht mehr vom Jobcenter betreut. Entsprechend erhöhte sich die Zahl der Arbeitslosen im SGB III im Januar um rund 60.000 Personen, während die Zahl im SGB II um ebendiesen Wert abnahm.

Diese Effekte wirken sich auf den prognostizierten Jahresdurchschnitt 2017 aus. Obwohl sich die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt generell in beiden Rechtskreisen fortsetzt, ist grundsätzlich mit einem stärkeren Abbau der Arbeitslosigkeit in der Grundsicherung zu rechnen. Im Jahresverlauf wird dies überlagert durch die vermehrten Arbeitslosmeldungen von Flüchtlingen, die nach den Asylverfahren im SGB II registriert werden.

Insgesamt werden im Jahresdurchschnitt 2017 860.000 Arbeitslose im SGB III betreut werden. Dies entspricht einem Anstieg gegenüber 2016 um knapp 40.000 Personen. Das Plus ist durch den Rechtskreiswechsel der arbeitslosen Aufstocker bedingt. Die SGB-II-Arbeitslosigkeit nimmt deutlich ab: Wir erwarten einen Rückgang um 190.000 auf 1,68 Mio. Personen. Der durchschnittliche Anteil an der Gesamtarbeitslosigkeit sinkt im Jahr 2017 um 3,3 Prozentpunkte auf 66,1 Prozent.

Entwicklung der Erwerbstätigkeit und der Arbeitszeit

Die Erwerbstätigkeit wird weiter steigen. Die Beschäftigungskomponente des IAB-Arbeitsmarktbarometers liegt weit im positiven Bereich. Für die Erwerbstätigkeit erwarten wir im Jahresdurchschnitt 2017 eine Zunahme um 670.000 auf 44,26 Millionen Personen (Prognoseintervall ±100.000). Die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten stellen die größte Grup­pe unter den Erwerbstätigen. Seit 2005 ist nicht nur ihre absolute Zahl um 20 Prozent auf 31,50 Millionen im Jahr 2016 gestiegen. Auch der Anteil an allen Erwerbstätigen hat in dieser Zeit von 67 Prozent auf gut 72 Prozent zugenommen. Für das laufende Jahr rechnen wir mit einem weiteren Zu­wachs um 760.000 auf 32,26 Millionen Personen, der sowohl von der Teilzeit- als auch Vollzeitbeschäftigung getragen wird. Dabei handelt es sich um den stärksten Anstieg seit der Wiedervereinigung. Insgesamt werden 2017 so viele Menschen wie nie zuvor einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach­gehen: 5,91 Millionen mehr als im Jahr 2005.

Die durchschnittliche Arbeitszeit aller Erwerbstätigen wird im Jahr 2017 mit 1.353 Stunden um fast elf Stunden (-0,8 %) niedriger liegen als 2016, hauptsächlich infolge der niedrigeren Zahl von Arbeitstagen. Die weiter steigende Erwerbstätigkeit führt auch 2017 trotz Rückgängen bei der jährlichen Arbeitszeit pro Erwerbstätigem zu einem höheren Arbeitsvolumen: Das Produkt aus durchschnittlicher Arbeitszeit und Erwerbstätigenzahl nimmt im laufenden Jahr um 0,7 Prozent auf 59,86 Milliarden Stunden zu. Bei einem BIP-Wachstum von 1,4 Prozent erhöht sich die Stundenproduktivität 2017 um 0,7 Prozent.

Entwicklung des Erwerbspersonenpotenzials

Bei unveränderter demografischer Alterung und weiterhin steigender Erwerbsbeteiligung der einheimischen Bevölkerung nimmt das Erwerbspersonenpotenzial im Jahr 2017 wie schon in den Vorjahren aufgrund der Migration zu.

Die Zahl der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge sinkt nach Angaben des Bundesministeriums des Inneren seit Monaten. Daten aus dem Ausländerzentralregister deuten darüber hinaus auf eine sich abschwächende  Zuwanderung aus dem EU-Raum hin, so Herbert Brücker et al. in einer Studie von 2017. Dennoch bewegt sich das Migrationsgeschehen auf hohem Niveau. Vor diesem Hintergrund schätzen wir den Wanderungssaldo für 2016 auf 520.000 und für 2017 auf 490.000 Personen.

Der unverändert wirkende langfristige Trend einer alternden Bevölkerung reduzierte das Erwerbspersonenpotenzial – isoliert betrachtet – im Jahr 2016 um 290.000 Arbeitskräfte, so Johann Fuchs, Doris Söhnlein und Brigitte Weber in ihrer aktuellen Untersuchung. Für das laufende Jahr wird der Effekt auf 310.000 geschätzt.

Aufgrund der guten Arbeitsmarktlage stieg die Erwerbsbeteiligung, insbesondere von Frauen und Älteren, im Jahr 2016 stärker als erwartet. Damit ergibt sich für 2016 ein Verhaltenseffekt von 280.000 zusätzlichen Arbeitskräften. Im laufenden Jahr erwarten wir einen Verhaltenseffekt von 260.000 Personen.

Nachdem das Erwerbspersonenpotenzial 2016 um fast 540.000 Arbeitskräfte gestiegen ist, dürfte sich für 2017 – im Zusammenspiel aus demografischer Entwicklung, Erwerbsbeteiligung und Migration – noch einmal eine Zunahme von beinahe 320.000 ergeben. Wir prognostizieren damit eine Zahl von 46,76 Millionen Erwerbspersonen.

Die ausführliche Fassung der IAB-Arbeitsmarktprognose finden Sie im IAB-Kurzbericht 9/2017.

 

Literatur

Bach, Stefan; Brücker, Herbert; Deuverden, Kristina van; Haan, Peter; Romiti, Agnese; Weber, Enzo (2017):  Fiskalische und gesamtwirtschaftliche Effekte: Investitionen in die Integration der Flüchtlinge lohnen sich. IAB-Kurzbericht Nr. 2.

Bellmann, Lutz; Bossler, Mario; Dütsch, Matthias; Gerner, Hans-Dieter; Ohlert, Clemens (2016): Folgen des Mindestlohns in Deutschland: Betriebe reagieren nur selten mit Entlassungen. IAB-Kurzbericht Nr. 18.

Bundesministerium des Inneren (2017): 14.289 Asyl­su­chen­de im Februar 2017. Pressemitteilung 09.03.2017. Zugriff: 9.3.2017.

Brücker, Herbert; Hauptmann, Andreas; Sirries, Steffen; Vallizadeh, Ehsan (2017): Zuwanderungsmonitor. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Aktuelle Berichte, Nürnberg. Zugriff 9.3.2017.

Fuchs, Johann; Hummel, Markus; Hutter, Christian; Klinger, Sabine; Wanger, Susanne; Weber, Enzo; Zika, Gerd (2017): IAB-Prognose 2017: Der Arbeitsmarkt stellt neue Rekorde auf. IAB-Kurzbericht, 09/2017.

Fuchs, Johann; Weber, Enzo (2016): Effekte der Flüchtlingsmigration auf das Erwerbspersonenpotenzial. Aktuelle Berichte, 22/2016, IAB.

Fuchs, Johann; Söhnlein, Doris; Weber, Brigitte (2017): Projektion des Erwerbspersonenpotenzials bis 2060: Arbeitskräfteangebot sinkt auch bei hoher Zuwanderung. IAB-Kurzbericht Nr. 6.

Klinger, Sabine; Weber, Enzo (2014): Seit der Großen Rezession: schwächerer Zusammenhang von Konjunktur und Beschäftigung. Wirtschaftsdienst, Nr. 94, S. 756-758.

Zika, Gerd; Maier, Tobias; Mönnig, Anke (2017): Auswirkungen der Zuwanderung Geflüchteter auf Wirtschaft und Arbeitsmarkt. Berechnungen mit den BIBB-IAB-Qualifikations- und Berufsfeldprojektionen. Heft 184, Wissenschaftliche Diskussionspapiere, BIBB, 2017.