Seit Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Jahr 2005 beziehen Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit rund doppelt so häufig Leistungen wie solche, die einen deutschen Pass besitzen. Allerdings nehmen sie, mit Ausnahme der Geflüchteten ab 2015, seltener an Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik teil. Hier bleiben Potenziale ungenutzt, da Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die schon seit vielen Jahren in Deutschland leben, von diesen Maßnahmen ebenso stark profitieren wie Deutsche oder Geflüchtete.

Leistungsbeziehende ohne deutsche Staatsangehörigkeit haben darüber hinaus eine geringere Chance, den Leistungsbezug zu verlassen und ein höheres Risiko, erneut auf Leistungen angewiesen zu sein. Dies zeigen Analysen von Kerstin Bruckmeier und Koautoren, die 2021 im IAB-Forum publiziert wurden. Nach einer Studie von Jonas Beste und Mark Trappmann tragen unter anderem Sprachbarrieren dazu bei, dass sich die Betroffenen schwerer tun, den Grundsicherungsbezug zu verlassen (lesen Sie dazu den IAB-Kurzbericht 21/2016). Fehlende oder nicht anerkannte formale Qualifikationen und instabilere Beschäftigungsverhältnisse führen für Migrantinnen und Migranten ebenfalls zu Nachteilen auf dem Arbeitsmarkt, wie zwei Studien von Irena Kogan aus dem Jahr 2011 deutlich machen.

Dass Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit ebenso stark von Förderungen profitieren wie Deutsche, zeigt eine aktuelle Analyse der langfristigen Wirkungen von vier wichtigen Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik, die im Folgenden vorgestellt wird. Ähnlich wirksam sind dieselben Maßnahmen in der kurzen Frist für arbeitslose Geflüchtete im SGB II, wie Zein Kasrin, Bastian Stockinger und Stefan Tübbicke analysiert haben (lesen Sie dazu den IAB-Kurzbericht 7/2021).

Der Analyse lag eine Stichprobe von erwerbsfähigen Arbeitslosen zugrunde, die Arbeitslosengeld II (ALG II) bezogen und zwischen September und November 2012 eine dieser Maßnahmen begonnen hatten. Ebenfalls Teil der Stichprobe waren Vergleichspersonen mit ähnlichen Merkmalen, die aber an keiner dieser Maßnahmen teilgenommen haben, die sogenannten statistischen Zwillinge. Die Wirkungen der Maßnahmen werden als Differenz der mittleren Beschäftigungswahrscheinlichkeit der Teilnehmenden und ihrer statistischen Zwillinge ermittelt und ergeben damit den Maßnahmeeffekt für die tatsächlich Teilnehmenden (sogenannter Average Treatment Effect for the Treated, ATT).

Unterm Strich zeigt sich, dass Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung bei einem Träger (MAT) oder einem Arbeitgeber (MAG) und Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung (FbW) die Beschäftigungsquote der Teilnehmenden verbessert haben – und zwar unabhängig von deren Staatsangehörigkeit. Demgegenüber wirkten sich Arbeitsgelegenheiten (AGH) für keine der untersuchten Gruppen positiv auf die Beschäftigungsquote aus. Allerdings haben diese auch noch eine weitere Zielsetzung, vor allem die Verbesserung der sozialen Teilhabe, was indes nicht Gegenstand der hier präsentierten Analyse war.

Da die Stichprobe bereits im August 2012 gezogen wurde, beziehen sich die Analysen auf Personen, die schon vor der großen Fluchtbewegung ab 2015 in Deutschland wohnten. Über 80 Prozent der Stichprobenmitglieder ohne deutsche Staatsangehörigkeit lebten seit mindestens fünf Jahren in Deutschland, über 55 Prozent sogar seit mehr als zehn Jahren. Es handelt sich also um Menschen, die oft schon seit vielen Jahren in Deutschland leben, aber aufgrund ihrer Migrationsgeschichte und ihrer ausländischen Staatsangehörigkeit am Arbeitsmarkt schlechtere Chancen haben können.

Die Wirkungsanalyse bezieht sich auf einen Zeitraum von sieben Jahren nach Eintritt in die Förderung. Somit können die Wirkungen der Maßnahmen kurzfristig (nach einem Jahr), mittelfristig (nach drei Jahren) und langfristig (nach sieben Jahren) beobachtet werden. Die Analyse stützt sich auf administrative Personendaten der Statistik der Bundesagentur für Arbeit (nähere Informationen zu den verwendeten Daten und zur Methodik siehe Infokasten).

Die Ausgestaltung der untersuchten Maßnahmen unterscheidet sich in wichtigen Aspekten

In dieser Studie werden die folgenden vier wichtigen Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik untersucht:

Sowohl MAT als auch FbW sind in der Regel schulische Maßnahmen, die zum Erwerb arbeitsmarktrelevanter Kenntnisse beitragen können. Dabei sind die MAT im Schnitt kürzer und umfassen die Vermittlung allgemeinerer Kenntnisse, zum Beispiel Bewerbungstrainings. Um an FbW teilnehmen zu können, die oft spezifischere berufsbezogene Kenntnisse vermitteln, erhalten die Leistungsberechtigten Bildungsgutscheine. Diese können sie bei einem Bildungsträger ihrer Wahl einlösen. MAG beinhalten kurzfristige betriebliche Praktika und können daher zum Erwerb spezifischer betrieblicher Kenntnisse und zur Erprobung einer Beschäftigung in einem Betrieb beitragen. AGH sind öffentlich geschaffene Beschäftigungsverhältnisse, die meist einfache Tätigkeiten beinhalten und dazu dienen sollen, sehr arbeitsmarkfernen Leistungsberechtigten gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen und sie darüber hinaus auch wieder an den Arbeitsmarkt heranzuführen.

Die in dieser Studie untersuchten Maßnahmeteilnahmen begannen im Jahr 2012. Zu diesem Zeitpunkt lag der Anteil der Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit in MAT bei 18,7 Prozent, in MAG bei 11,9 Prozent, in FbW bei 16,0 Prozent und in AGH bei 9,6 Prozent. Ihr Anteil am Arbeitslosenbestand im SGB II betrug dagegen 19,1 Prozent. Gemessen daran waren Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit also bei den Teilnehmenden unterrepräsentiert, insbesondere bei den betrieblichen Maßnahmen MAG und AGH (diese Angaben basieren auf 2021 publizierten Zahlen aus dem Datawarehouse der Statistik der Bundesagentur für Arbeit  sowie eigene Berechnungen).

Ab 2017, nach der großen Fluchtbewegung, wurden Geflüchtete verstärkt mit Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik gefördert. Demgegenüber nahmen Menschen etwa aus anderen EU-Ländern oder der Türkei nach wie vor seltener an den Maßnahmen teil.

Die Teilnahme an MAT, MAG und FbW verbessert die Beschäftigungsquote für alle betrachteten Personengruppen

Die Teilnahme an MAT, MAG sowie an FbW verbessert die Beschäftigungsquote sowohl von Männern (siehe Abbildung 1) als auch von Frauen (siehe Abbildung 2). Bei MAT ist dieser Effekt allerdings eher moderat. Je nach betrachteter Wirkungsdauer verbessert sich damit die Wahrscheinlichkeit, einer ungeförderten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachzugehen (im Folgenden als Beschäftigungsquote bezeichnet), um 2 bis 5 Prozentpunkte – weitgehend unabhängig vom Geschlecht und von der jeweiligen Staatsangehörigkeit.

Abbildung 1 zeigt, wie sich unterschiedliche arbeitsmarktpolitische Maßnahmen jeweils ein, drei und sieben Jahre nach Förderbeginn auf ungeförderte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von männlichen Grundsicherungsbeziehern auswirken. Positive Auswirkungen haben insbesondere „Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung bei einem Arbeitgeber“ sowie die „Förderung der beruflichen Weiterbildung“. Eine nur geringe beziehungsweise keine Wirksamkeit haben demgegenüber „Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung durch einen Träger“ sowie Arbeitsgelegenheiten. Dabei sind die Unterschiede zwischen Menschen mit deutscher und solchen mit anderer Staatsangehörigkeit zumeist gering. Quelle: Integrierte Erwerbsbiografien (IEB), Leistungshistorik Grundsicherung (LHG) und weitere administrative Quellen, eigene Berechnungen. © IAB

 

Bei den betrieblichen MAG fallen die Effekte viel höher aus. So ist die Beschäftigungsquote ein Jahr nach Beginn der Maßnahme um 16 bis 21 Prozentpunkte höher als bei Kontrollpersonen, die nicht daran teilgenommen haben (siehe Abbildungen 1 und 2). Möglicherweise sind diese vergleichsweise hohen Beschäftigungswirkungen darauf zurückzuführen, dass ein Teil der MAG-Teilnehmenden im gleichen Betrieb übernommen werden kann. Auch mittel- und langfristig zeigen sich deutliche Beschäftigungswirkungen zwischen 8 und 16 Prozentpunkten. Bei MAG ergeben sich insgesamt keine deutlichen Unterschiede in den Beschäftigungswirkungen zwischen Personen mit und ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Bemerkenswert ist auch, dass die Wirkungen sich nicht wesentlich nach Geschlecht unterscheiden.

Abbildung 2 zeigt, wie sich unterschiedliche arbeitsmarktpolitische Maßnahmen jeweils ein, drei und sieben Jahre nach Förderbeginn auf ungeförderte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von weiblichen Grundsicherungsbezieherinnen auswirken. Positive Auswirkungen haben insbesondere „Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung bei einem Arbeitgeber“ sowie die „Förderung der beruflichen Weiterbildung“. Eine nur geringe beziehungsweise keine Wirksamkeit haben demgegenüber „Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung durch einen Träger“ sowie Arbeitsgelegenheiten. Dabei sind die Unterschiede zwischen Menschen mit deutscher und solchen mit anderer Staatsangehörigkeit zumeist gering. Quelle: Integrierte Erwerbsbiografien (IEB), Leistungshistorik Grundsicherung (LHG) und weitere administrative Quellen, eigene Berechnungen. © IAB

 

Bei den Maßnahmen zur Förderung beruflicher Weiterbildung entfalten sich die vollen Beschäftigungswirkungen erst mittel- und langfristig. Sie liegen nach drei Jahren beziehungsweise sieben Jahren bei rund 10 Prozentpunkten, bei nicht deutschen Teilnehmenden sogar bis zu 14 Prozentpunkten. Dass sich die volle Wirkung erst nach einigen Jahren zeigt, dürfte an der vergleichsweise langen Dauer dieser Maßnahmen liegen. Sie sind für Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit mindestens ebenso wirksam wie für diejenigen mit deutscher Staatsangehörigkeit. Zudem zeigen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Geschlechtern in der mittleren und langen Frist.

Arbeitsgelegenheiten haben dagegen für keine der betrachteten Gruppen signifikant positive Beschäftigungswirkungen (siehe Abbildungen 1 und 2). Kurz- und mittelfristig sind die Wirkungen sogar negativ ( -3 bis -2 Prozentpunkte).

Auch bei einer Differenzierung nach unterschiedlichen ausländischen Staatsangehörigkeiten ergibt sich ein ähnliches Bild

Nachfolgend werden Wirkungsanalysen für vier unterschiedliche Gruppen von Staatsangehörigen präsentiert: deutsche und andere Angehörige aus Staaten der Europäischen Union (Stand 2012) sowie türkische und andere Angehörige aus Staaten außerhalb der Europäischen Union (EU). Diese Unterscheidung basiert auf folgender Überlegung: EU-Staatsangehörige genießen uneingeschränkte Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der Europäischen Union. Türkische Staatsangehörige in Deutschland besaßen im Jahr 2012 nach Zahlen des Statistischen Bundesamts zu 77 Prozent eine zeitlich unbefristete Aufenthaltserlaubnis (zum Beispiel eine Niederlassungserlaubnis). Ihr Anteil lag damit über dem Anteil der Staatsangehörigen aus den Nicht-EU-Ländern insgesamt, die eine zeitlich unbefristete Aufenthaltserlaubnis hatten (59 Prozent, nach eigenen Berechnungen).

Dies ist insofern relevant, als eine befristete Aufenthaltserlaubnis für Arbeitgeber Unsicherheit darüber schafft, wie lange sie ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zukünftig weiterbeschäftigen können. Diese Unsicherheit kann für Arbeitgeber ein Einstellungshemmnis sein, wie Max Friedrich Steinhardt in einer Studie aus dem Jahr 2012 erläutert.

Außerdem spielen persönliche Netzwerke für die Arbeitssuche eine wichtige Rolle, wie Fabienne Liechti in einer Studie aus dem Jahr 2020 nachgewiesen hat. Bezogen auf die vorliegende Studie zeigt sich, dass Leistungsberechtigte, die weder aus EU-Ländern noch aus der Türkei kommen, im Schnitt kürzere Aufenthaltsdauern in Deutschland hatten als Leistungsberechtigte aus eben diesen Ländern. Vermutlich hatten Leistungsberechtigte, die weder aus EU-Ländern noch aus der Türkei kommen, daher auch weniger Zeit, persönliche Netzwerke aufzubauen, die ihnen bei der Jobsuche helfen.

Jedoch können Gruppen, die von Erwerbshindernissen betroffen sind, besonders von einer positiven Signalfunktion einer Maßnahmeteilnahme gegenüber potenziellen Arbeitgebern profitieren, wie Liechti und Koautoren in einer Studie aus dem Jahr 2017 zeigen. Aus dieser Perspektive wären die größten positiven Beschäftigungseffekte der untersuchten Maßnahmen für Personen zu erwarten, die aus Ländern außerhalb der EU und der Türkei nach Deutschland gekommen sind. Andererseits könnten kürzere Aufenthaltsdauern auch mit größeren Sprachschwierigkeiten verbunden sein, was wiederum die Wirkung der Maßnahmen beeinträchtigen könnte.

Die in Abbildung 3 und 4 dargestellten Ergebnisse zeigen, dass MAT, MAG und FbW für alle vier untersuchten Gruppen von Staatsangehörigkeiten positive Wirkungen haben, denn sie erhöhen kurz-, mittel- und langfristig die Beschäftigungsquote. Allerdings sind einige Effekte für EU-Staatsangehörige nicht signifikant. Hier waren die Fallzahlen zum Teil zu gering, um statistisch gesicherte Aussagen zu den Wirkungen einzelner Maßnahmen zu machen.  Dagegen haben AGH für keine der vier betrachteten Staatsangehörigkeiten kurz-, mittel- oder langfristig signifikant positive Beschäftigungswirkungen.

Abbildung 3 zeigt, wie sich unterschiedliche arbeitsmarktpolitische Maßnahmen jeweils ein, drei und sieben Jahre nach Förderbeginn auf ungeförderte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von männlichen Grundsicherungsbeziehern auswirken. Dabei wird zwischen vier unterschiedlichen Gruppen von Staatsangehörigen unterschieden. Positive Auswirkungen haben insbesondere „Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung bei einem Arbeitgeber“ sowie die „Förderung der beruflichen Weiterbildung“. Eine nur geringe beziehungsweise keine Wirksamkeit haben demgegenüber „Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung durch einen Träger“ sowie Arbeitsgelegenheiten. Dabei sind die Unterschiede zwischen Menschen unterschiedlicher Staatsangehörigkeit zumeist gering. Quelle: Integrierte Erwerbsbiografien (IEB), Leistungshistorik Grundsicherung (LHG) und weitere administrative Quellen, eigene Berechnungen. © IAB

Abbildung 4 zeigt, wie sich unterschiedliche arbeitsmarktpolitische Maßnahmen jeweils ein, drei und sieben Jahre nach Förderbeginn auf ungeförderte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von weiblichen Grundsicherungsbeziehenden auswirken. Dabei wird zwischen vier unterschiedlichen Gruppen von Staatsangehörigen unterschieden. Positive Auswirkungen haben insbesondere „Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung bei einem Arbeitgeber“ sowie die „Förderung der beruflichen Weiterbildung“. Eine nur geringe beziehungsweise keine Wirksamkeit haben demgegenüber „Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung durch einen Träger“ sowie Arbeitsgelegenheiten. Dabei sind die Unterschiede zwischen Menschen unterschiedlicher Staatsangehörigkeit zumeist gering. Quelle: Integrierte Erwerbsbiografien (IEB), Leistungshistorik Grundsicherung (LHG) und weitere administrative Quellen, eigene Berechnungen. © IAB

 

 

Die Ergebnisse bestätigen und ergänzen die Befunde früherer Studien

Im IAB-Kurzbericht 7/2021 wurden die kurzfristigen Wirkungen der hier betrachteten Maßnahmen für arbeitslose Geflüchtete, die ab 2013 nach Deutschland kamen und zum Zeitpunkt der Erhebung ALG II bezogen hatten, analysiert. Die Ergebnisse weisen deutliche positive Beschäftigungseffekte von MAG und FbW auf, kleinere positive Effekte von MAT und keine positiven Effekte von AGH. Dabei sind die betrachteten Maßnahmen für Geflüchtete, die relativ kurz in Deutschland lebten, ähnlich effektiv wie für die hier betrachteten Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die schon länger in Deutschland leben.

Insgesamt sind die Befunde zu den kurz- und mittelfristigen Wirkungen von MAT und MAG auch vergleichbar mit denen aus einer Studie von Tamara Harrer und Koautoren aus dem Jahr 2020, in der Wirkungen für eine breitere (beziehungsweise nicht nach Nationalität getrennte) Zielgruppe von ALG-II-Beziehenden für einen Zeitraum von ungefähr vier Jahren untersucht wurden. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zu langfristigen Wirkungen von FbW bekräftigen zudem die Befunde aus einer Studie von Sarah Bernhard aus dem Jahr 2016. Bernhard analysierte darin die langfristigen Wirkungen für Teilnehmende mit und ohne Migrationshintergrund mit Förderbeginn im Jahr 2005.

Demgegenüber decken sich die Ergebnisse zu den Wirkungen von AGH nur teilweise mit denen aus früheren Studien. So haben einerseits Katrin Hohmeyer und Joachim Wolff in einer Studie aus dem Jahr 2007 (IAB-Discussion Paper 32/2007) deutliche positive Beschäftigungswirkungen von Arbeitsgelegenheiten für westdeutsche Frauen mit Migrationshintergrund festgestellt. Für Menschen ohne Migrationshintergrund konnten sie zumindest kleinere positive Effekte identifizieren. Zu ähnlichen Ergebnissen wie die hier vorgelegte Studie kommt hingegen ein IAB-Kurzbericht von Tamara Harrer und Bastian Stockinger, der im Jahr 2019 erschienen ist und der ebenfalls Programmteilnahmen nach der Instrumentenreform von 2012 untersucht. Dieser Kurzbericht zeigt, dass AGH mittelfristig keine positiven Beschäftigungswirkungen aufweist. Die in den Abbildungen 1 bis 4 dargestellten Ergebnisse, die sich ebenfalls auf Förderungen nach der Instrumentenreform beziehen, zeigen sowohl kurz- und mittelfristig als auch langfristig, also nach sieben Jahren, keine positiven Beschäftigungswirkungen von AGH.

Fazit

Die hier präsentierte Studie liefert neue Erkenntnisse zu Beschäftigungswirkungen von Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik im Bereich der Grundsicherung. Ein Fokus liegt auf Personen mit nichtdeutschen Staatsangehörigkeiten, die oft seit vielen Jahren in Deutschland leben, die eine höhere Grundsicherungsbezugsquote als Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit aufweisen und die seltener Zugang zu betrieblichen Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik haben. Nach den hier präsentierten Ergebnissen tragen MAT, MAG und FbW kurz-, mittel- und langfristig dazu bei, die Beschäftigungschancen der Teilnehmenden zu erhöhen. Diese Effekte unterscheiden sich kaum zwischen Menschen unterschiedlicher Staatsangehörigkeit sowie zwischen Männern und Frauen.

Kurzfristig weisen MAG mit 16 bis 21 Prozentpunkten den größten Beschäftigungseffekt auf. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass ein Teil der MAG-Teilnehmenden im gleichen Betrieb übernommen werden kann. Mittel- bis langfristig weisen auch FbW mit 10 bis 14 Prozentpunkten einen sehr großen Effekt für deutsche sowie nichtdeutsche Teilnehmende auf, was an der verbesserten Qualifikation durch die Teilnahme liegen dürfte. Interessanterweise sind die mittelfristigen Beschäftigungswirkungen von FbW für Männer und die langfristigen Beschäftigungswirkungen für Frauen ohne deutsche Staatsangehörigkeit sogar tendenziell größer als für jene mit deutscher Staatsangehörigkeit.

Angesichts der vergleichsweise hohen Wirksamkeit einer MAG wäre daher eine Anregung, die Teilnahmewahrscheinlichkeit von Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit gezielt zu erhöhen, auch für diejenigen, die schon seit vielen Jahren in Deutschland leben. Dabei könnten beispielsweise in Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern Strategien zur Verbesserung der Teilnahmemöglichkeit dieser Zielgruppe erarbeitet werden.

Daten und Methoden

Die Studie verwendet die auf Daten der Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) beruhenden administrativen Längsschnittdatensätze Integrierte Erwerbsbiographien (IEB) und Leistungshistorik Grundsicherung (LHG) sowie weitere administrative Quellen. Zur Stichprobe gehören alle arbeitslosen Personen im Alter von 15 bis 57 Jahren, die am 31. August 2012 Arbeitslosengeld II erhielten und in den Monaten September bis November 2012 an einer dieser vier Maßnahmen teilnahmen: MAT, MAG, FbW, AGH. Zur Stichprobe gehört zudem als potenzielle Kontrollgruppe eine 20%-ige Zufallsauswahl von Personen im Alter von 15 bis 57 Jahren, die ebenfalls am 31. August 2012 arbeitslos waren und Arbeitslosengeld II bekamen, jedoch in den Monaten September bis November 2012 an keiner dieser Maßnahmen teilnahmen.
Zur Evaluation der Wirkungen der Maßnahmen verwendet die Studie die Methode des „Propensity Score Matching“. Dabei werden den Teilnehmenden nicht teilnehmende Kontrollpersonen zugeordnet. Diese sollen den Teilnehmenden möglichst ähnlich sein, gemessen an einer Vielzahl beobachtbarer Merkmale. Dazu zählen zum Beispiel Bildungsniveau, Alter, Erwerbserfahrung, Dauer des Leistungsbezugs, Haushaltsmerkmale sowie regionale Merkmale.

Literatur

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