12. Mai 2025 | Bildung und Qualifizierung
In der Covid-19-Pandemie sank das Weiterbildungsinteresse deutlich

Angesichts des Fachkräftemangels und der fortschreitenden technologischen Entwicklung gewinnt Weiterbildung zunehmend an Bedeutung. Daher ist es wichtig zu verstehen, welche Faktoren für die Weiterbildungsentscheidungen von Betrieben und Individuen von Bedeutung sind.
Weiterbildungsentscheidungen werden nicht nur von betrieblichen und persönlichen Gegebenheiten beeinflusst, sondern auch von der allgemeinen Arbeitsmarktsituation. Aufschlussreich ist hier eine aktuelle Studie der Autorinnen dieses Beitrags, die darin den Einfluss der Covid-19-Pandemie und der jüngsten Energiekrise auf das individuelle Weiterbildungsinteresse untersucht haben.
Die Studie stützt sich auf Daten zu Suchanfragen in Google zum Thema „Weiterbildung“. Dabei handelt es sich um tagesaktuelle Google-Trends-Daten (ausführliche Erläuterungen finden Sie im Infokasten „Daten und der Interpretation der dargestellten Werte“).
Zu Beginn der Pandemie brach das Interesse an Weiterbildung deutlich ein
Zunächst zeigt sich, dass das Weiterbildungsinteresse zwischen dem Beginn der Covid-19-Pandemie im Frühjahr 2020 und September 2022 tendenziell rückläufig war – gemessen an der Suchintensität nach den Begriffen „Weiterbildung“, „Fortbildung“ oder „Umschulung“. Besonders stark war der Rückgang während der beiden Lockdowns im Frühjahr 2020 und im Winter 2020/2021, in denen Weiterbildungskurse in Präsenz verboten waren.
Im ersten Lockdown ging die Suchintensität besonders stark zurück. Im Vergleich zum Februar 2020, der rechnerisch eine durchschnittliche Suchintensität von 64 Punkten aufwies, sank diese im April 2020 mit einem Rückgang um 19 Punkte am deutlichsten. Nach einer kurzzeitigen Erholung der Zahlen ging das Weiterbildungsinteresse während des zweiten Lockdowns abermals merklich um bis zu 10 Punkte zurück. Nach dem Ende des zweiten Lockdowns stieg die Suchintensität wieder, sank allerdings mit Beginn der Energiekrise aufgrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine erneut (siehe Abbildung 1).
Zugleich stieg das Interesse an Online-Weiterbildung während der Pandemie deutlich (siehe Abbildung 1). Suchanfragen, die „online“ sowie einen der Begriffe „Weiterbildung“, „Fortbildung“ oder „Umschulung“ beinhalteten und damit einen spezifischen Ausschnitt der gesamten Suchanfragen zu Weiterbildungsthemen bilden, nahmen mit Beginn der Pandemie deutlich zu.
Dieser Anstieg war besonders ausgeprägt während der Lockdowns im April 2020 und im Januar 2021, als Präsenzveranstaltungen nicht möglich waren. Im Vergleich zum Februar 2020, als die Suchintensität bei rund 14 Punkten lag, war diese im April 2020 um bis zu 20 Punkte und im Januar 2021 29 Punkte höher.
Schließungen von Schulen und Kitas sowie Kurzarbeit hatten potenziell Einfluss auf das Weiterbildungsinteresse
Die Ursachen für das rückläufige Interesse an Weiterbildung sind zweifellos vielfältig. Angesichts der komplexen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen während der Pandemie lassen sich jedoch keine eindeutigen kausalen Zusammenhänge ableiten. Eine plausible Erklärung für den Rückgang des Interesses an Weiterbildungsmaßnahmen insgesamt liegt sicherlich in den pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen, die Präsenzveranstaltungen phasenweise verboten oder nur stark eingeschränkt zuließen. Daher mussten viele Weiterbildungskurse unterbrochen oder abgesagt werden (lesen Sie dazu einen 2020 im IAB-Forum publizierten Beitrag von Lutz Bellmann und anderen).
Die Schließungen von Schulen und Kindergärten belasteten darüber hinaus vor allem Eltern stark und ließen ihnen auch weniger Zeit, sich um Weiterbildungen zu kümmern. Dies lässt sich unter anderem daran ablesen, dass die Suchintensität nach dem Begriff „Notbetreuung“ insbesondere während der beiden Lockdown-Phasen deutlich zunahm (siehe Abbildung 2).
Die sprunghafte Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld zu Beginn der Pandemie verdeutlicht die wirtschaftliche Unsicherheit, der sich viele Unternehmen gegenübersahen. (siehe Abbildung 2 zur Entwicklung der Suchintensität nach „Kurzarbeit“). Dies hat sich auch auf die betrieblichen Weiterbildungsinvestitionen ausgewirkt. So zeigen verschiedene Studien, dass solche Investitionen während wirtschaftlicher Krisen zurückgehen (lesen Sie dazu auch einen Beitrag von Christoph Müller sowie einen Artikel von Barbara Schwengler und Ute Leber, die im IAB-Forum erschienen sind). Dieser Rückgang betrieblicher Weiterbildungsaktivitäten könnte wiederum ein geringeres Weiterbildungsinteresse auf Seiten der Beschäftigten zur Folge haben.
Ein möglicher Grund für das gesteigerte Interesse an Online-Weiterbildung wiederum könnte darin liegen, dass Beschäftigte zunächst erlernen mussten, mit den durch die Pandemie veränderten Arbeitsbedingungen umzugehen und deshalb nach passenden virtuellen Weiterbildungsangeboten suchten. Insbesondere mussten sie sich mit dem Arbeiten und Kommunizieren im virtuellen Raum und den dafür erforderlichen digitalen Lösungen vertraut machen (lesen Sie dazu auch eine 2021 erschienenen Analyse von Corinna Kleinert und anderen). Dies ist unter anderem an der stark erhöhten Suchintensität nach gängigen Videokonferenz-Programmen wie Zoom, Skype, WebEx und Microsoft Teams ablesbar (siehe Abbildung 2).
In den ostdeutschen Ländern war der Rückgang des Weiterbildungsinteresses besonders stark
Zu Beginn der Pandemie ging das Weiterbildungsinteresse regional sehr unterschiedlich stark zurück (siehe Abbildung 3). Besonders deutlich war der Rückgang in den ostdeutschen Bundesländern. Auch das Interesse an Online-Weiterbildung nahm im Osten weniger stark zu als im Westen oder ging – mit der Ausnahme Sachsens – sogar zurück.
Dies könnte an der höheren Arbeitslosenquote und der damit verbundenen größeren wirtschaftlichen Unsicherheit in den ostdeutschen Bundesländern liegen. Denn damit kam der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz von Beschäftigten im Osten womöglich noch höhere Priorität zu als im Westen, sodass das Thema „Weiterbildung“ noch stärker in den Hintergrund gerückt sein könnte.
Ein weiterer Faktor könnte sein, dass in Ostdeutschland mehr Frauen als in Westdeutschland vollzeiterwerbstätig sind. Sie sind daher stärker auf Kinderbetreuungseinrichtungen angewiesen als westdeutsche Frauen, bei denen traditionelle Familienmodelle und private Betreuungsstrukturen stärker verbreitet sind. Der pandemiebedingte Einbruch bei den Betreuungsangeboten könnte daher in den ostdeutschen Ländern bewirkt haben, dass das Weiterbildungsinteresse dort stärker gesunken ist als in den westdeutschen Ländern.
Fazit
Die Covid-19-Pandemie und die Energiekrise haben dazu geführt, dass das Interesse an Weiterbildung insgesamt vorübergehend zurückgegangen ist, während speziell Online-Weiterbildungsformate mit Beginn der Pandemie stark und nachhaltig an Bedeutung gewonnen haben. Diese Verschiebung hat neben den verhängten Kontaktbeschränkungen und der stark gestiegenen wirtschaftlichen Unsicherheit mit den veränderten Arbeitsbedingungen zu tun. Beschäftigte nutzten insbesondere verstärkt Videokonferenz-Programme, was den Bedarf an entsprechenden (Online-)Weiterbildungen erhöht hat.
Zudem hatten Eltern wegen geschlossener Kinderbetreuungseinrichtungen weniger Zeit, sich weiterzubilden. Auch wenn sich etwa im Rahmen von Kurzarbeit theoretisch die Möglichkeit bietet, Zeiten des Arbeitsausfalls zur Weiterqualifizierung der betroffenen Beschäftigten zu nutzen, zeigen Lutz Bellmann und andere in einer Untersuchung aus dem Jahr 2020, dass Betriebe diese Möglichkeit zu Beginn der Pandemie kaum nutzten. Der wichtigste Grund hierfür war, dass die Betriebe nicht absehen konnten, wann sie ihre Geschäftstätigkeit wieder in vollem Umfang aufnehmen konnten.
Außerdem dürfte Kurzarbeit das betriebliche Engagement in diesem Bereich reduziert haben, weil sich viele Unternehmen in einer wirtschaftlich schwierigen Situation auf das wirtschaftliche Überleben konzentrieren. Gleichzeitig zeigten sich deutliche regionale Unterschiede, wobei der Rückgang in den ostdeutschen Bundesländern besonders stark ausfiel.
Das deutlich gestiegene Interesse an Videokonferenz-Programmen zeigt, dass viele Beschäftigte während der Pandemie digitale Kompetenzen aufgebaut haben. Bildungsträger tun also gut daran, verstärkt auf digitale oder hybride Lernformate zu setzen, die den Teilnehmenden mehr Flexibilität ermöglichen.
Die hier präsentierten Befunde beziehen sich allerdings auf die Entwicklung des Weiterbildungsinteresses während der Covid-19-Pandemie, welche die Rahmenbedingungen für Teilnahme an Weiterbildung in sehr starker und spezifischer Form eingeschränkt hat. Sie lassen sich daher nicht ohne Weiteres auf andere Krisensituationen übertragen.
Daten und Interpretation der dargestellten Werte
Google-Trends-Daten stehen in Echtzeit zur Verfügung und können tages-, wochen- oder monatsaktuell abgerufen werden. Im Vergleich zu traditionellen Datenquellen, die häufig nur jährlich erscheinen, bieten sie den Vorteil, feine zeitliche Veränderungen präzise nachvollziehen zu können. Die Daten zeigen, wie häufig bestimmte Schlagworte über die Google-Suchmaschine gesucht werden, und ermöglichen so Einblicke in Interessen und Trends.
Die Suchintensität beziehungsweise das Suchinteresse, auf das in diesem Artikel eingegangen wird, basiert auf einem Suchanfragen-Index, der durch Google Trends bereitgestellt wird. Dieser Index spiegelt das relative Interesse an bestimmten Suchbegriffen im Laufe der Zeit innerhalb eines Bundeslandes wider. Dabei wird nicht die absolute Anzahl an Suchanfragen gemessen, sondern ein relativer Wert, der Vergleiche des Suchinteresses innerhalb einer Region über einen bestimmten Zeitraum hinweg ermöglicht.
Die Suchintensität innerhalb einer Region über einen bestimmten Zeitraum wird so normiert, dass der Zeitpunkt mit der höchsten Popularität des Suchbegriffs den Wert 100 erhält. Alle anderen Werte werden relativ zu diesem Höchstwert angegeben. Die Autorinnen analysieren konkret, wie sich die monatlichen Suchanfragen nach den Begriffen „Weiterbildung“, „Umschulung“ und „Fortbildung“, die Interesse an Weiterbildung ausdrücken, verändert haben. Das Suchinteresse an Online-Weiterbildung wird durch Suchanfragen erfasst, die das Wort „online“ mit den genannten Begriffen kombinieren.
In aller Kürze
- Eine Analyse von Google-Trends-Daten zeigt, dass das Interesse an Weiterbildung während der Pandemie und während der Energiekrise zu Beginn des Ukraine-Kriegs rückläufig war. Besonders stark war der Rückgang während der Lockdowns.
- Gleichzeitig nahm das Interesse an Online-Weiterbildung mit Beginn der Pandemie stark zu und blieb bis zum Ende des Beobachtungszeitraums im September 2022 auf einem höheren Niveau als vor der Pandemie.
- Mögliche Gründe für diese beiden Entwicklungen können in den Kontaktbeschränkungen, in zeitlichen Restriktionen aufgrund der Schließung von Betreuungseinrichtungen und der hohen wirtschaftlichen Unsicherheit während der Pandemie liegen.
- Eine verstärkte Nutzung von Videokonferenz-Programmen seit Beginn der Pandemie könnte zu einem verstärkten Interesse an (Online-)Weiterbildungen in diesem Bereich geführt haben.
- Es zeigen sich regionale Unterschiede bei der Entwicklung des Weiterbildungsinteresses. Es ging vor allem in den ostdeutschen Bundesländern mit Beginn der Pandemie zurück. Dies könnte an Unterschieden in der wirtschaftlichen Situation und an einer stärkeren Nutzung externer Kinderbetreuungsangebote in Ostdeutschland liegen.
Literatur
Bellmann, Lutz; Gleiser, Patrick; Kagerl, Christian ; Koch, Theresa; König, Corinna ; Kruppe, Thomas; Lang, Julia; Leber, Ute; Pohlan, Laura; Roth, Duncan; Schierholz, Malte ; Stegmaier, Jens; Aminian , Armin (2020): Weiterbildung in der Covid-19-Pandemie stellt viele Betriebe vor Schwierigkeiten. In: IAB-Forum, 9.12.2020.
Dauth, Christine; Lang, Julia (2024): Continuing vocational training in times of economic uncertainty: an event-study analysis in real time. In: Journal for Labour Market Research, 58:14.
Kleinert, Corinna; Zoch, Gundula; Vicari, Basha; Ehlert, Martin (2021): Work-related online learning during the Covid-19 pandemic in Germany. Zeitschrift Für Weiterbildungsforschung, 44(3), S. 197–214.
Müller, Christoph (2024): Weiterbildung in der Covid-19-Krise: Nicht alle profitieren gleichermaßen vom Ausbau des E-Learnings. In: IAB-Forum, 22.2.2024.
Schwengler, Barbara; Leber, Ute (2023): Die betriebliche Weiterbildung nahm im dritten Jahr der Corona-Krise wieder an Fahrt auf. In: IAB-Forum, 19.9.2023.
Bild: insta_photos/stock.adobe.com
DOI: 10.48720/IAB.FOO.20250512.01
Dauth, Christine; Lang, Julia (2025): In der Covid-19-Pandemie sank das Weiterbildungsinteresse deutlich, In: IAB-Forum 12. Mai 2025, https://www.iab-forum.de/in-der-covid-19-pandemie-sank-das-weiterbildungsinteresse-deutlich/, Abrufdatum: 14. May 2025
Diese Publikation ist unter folgender Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht: Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International (CC BY-SA 4.0): https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de
Autoren:
- Christine Dauth
- Julia Lang