Im zweiten Quartal 2022 gab es bundesweit 1,93 Millionen offene Stellen. Damit wurde der im Vorquartal gemessene Rekord nochmals übertroffen. Gegenüber dem ersten Quartal 2022 stieg die Zahl der offenen Stellen um rund 189.500 oder 11 Prozent, im Vergleich zum zweiten Quartal 2021 um 764.400 oder 66 Prozent. Dieses Ergebnis zeigt die IAB-Stellenerhebung, eine regelmäßige Betriebsbefragung des IAB.

Von den 1,93 Millionen offenen Stellen waren 1,47 Millionen sofort oder zum nächstmöglichen Termin, 457.800 später zu besetzen. In Westdeutschland waren 1,18 Millionen, in Ostdeutschland 292.000 Stellen sofort zu besetzen. Insgesamt gab es im zweiten Quartal 2022 im Westen rund 1,55 Millionen offene Stellen, im Osten rund 376.200. Diese Niveaus stellen Rekordwerte der Befragung für beide Landesteile dar.

Trotz erheblicher Rezessionsgefahren ist die Zahl der offenen Stellen also weiter stark gestiegen und liegt damit auf einem historisch hohen Niveau. Die an vielen Stellen beobachteten Fach- und Arbeitskräfteengpässe spiegeln sich in den Angaben der Betriebe deutlich wider und führten im ersten Halbjahr zu einem steigenden Personalbedarf in fast allen Branchen. Arbeitsmarktrisiken, zum Beispiel infolge von Lieferproblemen aufgrund des Ukraine-Kriegs, sind in den betrieblichen Angaben zu den offenen Stellen noch nicht erkennbar.

Die durchschnittlichen Rekrutierungskosten liegen bei rund 1.300 Euro je Neueinstellung

Jede Neueinstellung ist für den Betrieb mit Rekrutierungskosten verbunden. Im Rahmen der IAB-Stellenerhebung werden sowohl der betriebliche Zeitaufwand bei einer sozialversicherungspflichtigen Stellenbesetzung in Arbeitsstunden als auch die zusätzlich anfallenden direkten Rekrutierungskosten (sogenannte weitere Kosten) erhoben. Der betriebliche Arbeitsaufwand in Stunden umfasst dabei den gesamten zeitlichen Aufwand der Stellenbesetzung von der Formulierung der Ausschreibung über Bewerberauswahl und Einstellungsgespräche bis hin zum Abschluss des Arbeitsvertrags. Die „weiteren Kosten“ können für den Betrieb zum Beispiel durch das Schalten von Anzeigen, die Einbindung von (externen) Headhuntern oder die Fahrkostenerstattung bei Bewerbungsgesprächen anfallen.

Hochgerechnet gaben die Betriebe im Jahr 2021 für sozialversicherungspflichtige Neueinstellungen einen Arbeitsaufwand von durchschnittlich 16,9 Stunden an. Darüber hinaus entstanden ihnen dafür nach eigenen Angaben weitere Kosten von durchschnittlich 814 Euro (siehe Abbildung).

Eine sozialversicherungspflichtige Neueinstellung ist für die Betriebe im Schnitt mit einem Aufwand von 17 Arbeitsstunden verbunden. Dabei sind die Unterschiede zwischen kleineren und größeren Betrieben relativ gering. Die weiteren Rekrutierungskosten belaufen sich im Schnitt auf gut 800 Euro. Allerdings sind diese für kleinere Betriebe unter 50 Beschäftigten mit rund 600 Euro nicht einmal halb so groß wie für Betriebe ab 250 Beschäftigten, die dafür im Schnitt über 1.300 Euro bezahlen. Quelle: IAB-Stellenerhebnung, eigene Berechnung

Der mit Rekrutierungen verbundene Arbeitsaufwand unterscheidet sich nicht signifikant zwischen kleineren, mittleren und größeren Betrieben. Die weiteren Kosten fallen jedoch bei kleineren Betrieben (bis 49 Beschäftigte) mit 556 Euro signifikant geringer aus als bei mittelgroßen Betrieben (50 bis 249 Beschäftigte) oder bei großen Betrieben (mindestens 250 Beschäftigte), wo im Schnitt Kosten von 907 beziehungsweise 1.142 Euro entstehen.

Das könnte neben einer höheren Zahlungsfähigkeit von Großbetrieben zum Beispiel auch an der unterschiedlichen Zusammensetzung der Belegschaft liegen. So ist der Anteil von spezialisierten Berufen, zum Beispiel von Forschungs- und Entwicklungspersonal, in größeren Betrieben typischerweise höher. Um Personal für diese hoch spezialisierten Tätigkeiten zu finden und das Vorhandensein der dafür erforderlichen Fähigkeiten beurteilen zu können, muss in der Regel ein höherer Aufwand betrieben werden. Dies schließt kostenintensive Rekrutierungswege ein.

Im Rahmen der IAB-Stellenerhebung werden keine Informationen zu den Arbeitskosten erhoben, die mit dem Zeitaufwand in Arbeitsstunden beim betrieblichen Einstellungsprozess verbunden sind. Die Arbeitsmarktberichterstattung der Bundesagentur für Arbeit beziffert jedoch den Median-Bruttomonatsverdienst von Vollzeitbeschäftigten für die Berufsgruppe „Personalwesen und -dienstleistung (Code 715)“ auf 4.555 Euro. Unterstellt man für eine Vollzeitkraft eine monatliche Arbeitszeit von 160 Stunden, so ergibt sich daraus rechnerisch ein durchschnittlicher Bruttolohn von 28,47 Euro pro Stunde.

Die Betriebe geben für eine sozialversicherungspflichtige Neueinstellung einen durchschnittlichen Aufwand von 16,9 Arbeitsstunden an. Multipliziert mit dem Bruttostundenlohn ergibt sich so ein direkter Arbeitskostensatz pro Neueinstellung von 482 Euro. Grob geschätzt gaben die Betriebe im Jahr 2021 also bei sozialversicherungspflichtigen Neueinstellungen zusammen mit den direkten weiteren Kosten im Schnitt circa 1.296 Euro pro Einstellung aus (siehe Tabelle).

Tab.: Betriebliche Rekrutierungskosten bei sozialversicherungspflichtigen Neueinstellungen  (Beispielrechnung)

Bruttomonatsentgelt (Median) in Berufsgruppe 715 (Personalwesen und -dienstleistung) im Dezember 2021 pro Vollzeitkraft   4.555,00 Euro
Monatliche Arbeitszeit (Vollzeit)   160 Stunden
Durchschnittlicher Bruttostundenlohn    28,47 Euro/Stunde
Durchschnittlicher Aufwand in Arbeitsstunden 2021   16,9 Stunden
Durchschnittliche Arbeitskosten pro Neueinstellung 2021   482 Euro
Durchschnittliche weitere Kosten pro Neueinstellung 2021   814 Euro
Durchschnittliche Rekrutierungskosten pro Neueinstellung 2021   1296,29 Euro

Quelle: BA-Statistik, IAB-Stellenerhebung; eigene Berechnungen. © IAB

Samuel Mühlemann und Harald Pfeifer schätzen auf Basis der BIBB-Kosten-Nutzen-Erhebung 2007 (BIBB-Cost-Benefit-Survey/BIBB-CBS) in ihrem 2016 publizierten Beitrag nicht nur die Rekrutierungskosten, sondern auch die mit einer Neueinstellung verbundenen Einarbeitungskosten. Für das Jahr 2007 kommen sie auf Gesamtkosten pro Neueinstellung von rund 4.700 Euro. Dabei entfällt mit rund 1.600 Euro rund ein Drittel dieser Summe auf die Rekrutierungskosten einer Neueinstellung. Die verbleibenden zwei Drittel lassen sich auf Einarbeitungskosten, zum Beispiel für Weiterbildung, oder auf eine anfänglich verminderte Produktivität der eingestellten Arbeitskräfte zurückführen. Die in der IAB-Stellenerhebung 2021 auf rund 1.300 Euro bezifferten Rekrutierungskosten liegen geringfügig unter der Schätzung von Mühlemann und Pfeifer.

Die IAB-Stellenerhebung

Das IAB untersucht mit der IAB-Stellenerhebung viermal jährlich das gesamte Stellenangebot, also auch jene Stellen, die den Arbeitsagenturen nicht gemeldet werden. Im ersten Quartal 2022 wurden Antworten von rund 7.500 Arbeitgebern aller Wirtschaftsbereiche ausgewertet. Aktuelle Zahlen zur (langfristigen) Entwicklung der offenen Stellen sowie weiterer Kenngrößen auf Basis der IAB-Stellenerhebung finden Sie auf der IAB-Webseite.

Literatur

Muehlemann, Samuel; Pfeifer, Harald (2016): The Structure of Hiring Costs in Germany: Evidence from Firm-Level Data. In: Industrial Relations, Vol. 55, No. 2, S. 193–218.

DOI: 10.48720/IAB.FOO.20220811.01

Kubis, Alexander; Popp, Martin (2022): IAB-Stellenerhebung 2/2022: Offene Stellen mit 1,93 Millionen auf erneutem Allzeithoch, In: IAB-Forum 11. August 2022, https://www.iab-forum.de/iab-stellenerhebung-2-2022-offene-stellen-mit-193-millionen-auf-erneutem-allzeithoch/, Abrufdatum: 29. March 2024