Im zweiten Quartal 2019 gab es bundesweit rund 1,39 Millionen offene Stellen auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Gegenüber dem ersten Quartal 2019 stieg die Zahl der offenen Stellen um rund 9.000, gegenüber dem zweiten Quartal 2018 um 175.000. Das geht aus der IAB-Stellenerhebung hervor, einer regelmäßigen Betriebsbefragung des IAB. Gegenüber dem Jahr 2010 ist die Arbeitsmarktanspannung in Ost- und Westdeutschland deutlich angestiegen. Viele Betriebe berichten nach wie vor von Schwierigkeiten bei der Personalsuche.

In Westdeutschland waren im zweiten Quartal 2019 rund 1.090.000 offene Stellen zu vergeben, in Ostdeutschland rund 299.000. Der steigende Bestand an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten geht einher mit einer weiterhin hohen Personalnachfrage. Die Dringlichkeit hat jedoch etwas nachgelassen: Der Anteil der erst später zu besetzenden Stellen ist gegenüber dem Vorquartal um 2,1 Prozentpunkte auf nun 25,7 Prozent angewachsen.

Im Verarbeitenden Gewerbe fiel die Zahl der offenen Stellen leicht auf 151.000. Gegenüber dem Vorquartal sind das rund 12.000 und im Vergleich zum Vorjahresquartal 3.000 Stellen weniger. Auch bei den Unternehmensnahen Dienstleistungen ist eine leichte Abwärtsbewegung zu beobachten. Im zweiten Quartal 2019 waren mit knapp 367.000 offenen Stellen 15.000 weniger zu besetzen als im Vorquartal, jedoch etwa 34.000 mehr als im entsprechenden Vorjahresquartal. In anderen Branchen setzt sich die starke Personalnachfrage fort. So bewegt sich die Zahl der offenen Stellen im Baugewerbe mit 143.000 Stellen auf Rekordniveau. Bei den Sonstigen Dienstleistungen ist mit rund 367.000 offenen Stellen der zweithöchste Wert seit 1992 zu verzeichnen.

Die wieder gestiegene Zahl der offenen Stellen wirft die Frage auf, ob dies zunehmende Fachkräfteengpässe signalisiert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Zahl der offenen Stellen nur eine Seite der Medaille darstellt: die Arbeitskräftenachfrage. Für die Beurteilung der Arbeitskräfteanspannung ebenso wichtig ist aber auch das Arbeitskräfteangebot. Einen Teil des Arbeitsangebots stellen neben beschäftigten Arbeitsuchenden auch arbeitslose Personen. Aufschlussreich ist daher, die ie aktuelle Arbeitslosen-Stellen-Relation, die auch regelmäßig auf der IAB-Homepage veröffentlicht wird. Zur besseren Veranschaulichung lässt sich der üblicherweise negative Zusammenhang zwischen Arbeitslosen und offenen Stellen auch grafisch darstellen, Ökonomen sprechen hier von der sogenannten Beveridge-Kurve.

Bei der Untersuchung verschiedener Teilarbeitsmärkte (hier Ost- und Westdeutschland) sind allerdings die Größenunterschiede durch Normierung der Indikatoren zu berücksichtigen. Es werden deshalb im folgenden Ost-West-Vergleich statt der Zahl der offenen Stellen und der Zahl der Arbeitslosen die Vakanzquote und die Arbeitslosenquote betrachtet.

Seit Kurzem stehen die endgültigen Beschäftigtenzahlen bis zum vierten Quartal 2018 zur Verfügung. Die Abbildung zeigt für alle Jahre seit 2010 die jeweiligen Kombinationen aus Vakanz- und Arbeitslosenquote im vierten Quartal, getrennt für Ost- und Westdeutschland. In dieser Abbildung stellen alle Punkte auf einer Gerade durch den Ursprung dasselbe Verhältnis aus Vakanz- und Arbeitslosenquote dar. Je steiler diese Gerade verläuft, desto angespannter ist der Arbeitsmarkt, und desto wahrscheinlicher sind Fachkräfteengpässe. Es zeigt sich, dass seit 2010 die Arbeitsmarktanspannung deutlich angestiegen ist, im Osten allerdings (ausgehend von einem niedrigeren Niveau) deutlich stärker als im Westen. Dies spiegelt insbesondere den Aufholprozess des ostdeutschen Arbeitsmarkts gegenüber dem in Westdeutschland wider. Zusätzlich kommen aber auch demografische Faktoren wie die bis 2012 zu beobachtende Nettobinnenabwanderung zum Tragen. Betriebe berichten in beiden Landesteilen mittlerweile ähnlich oft von Schwierigkeiten beim Stellenbesetzungsprozess.

Zusammenhang zwischen Vakanzquoten und Arbeitslosenquoten in Ost- und Westdeutschland in den Jahren 2010 bis 2018

Dunkel hinterlegte Bereiche gehen mit einer im Verhältnis zur Arbeitslosenquote höheren Vakanzquote einher. Der Ost-West-Vergleich zeigt, dass die ostdeutsche Vakanzquote im vierten Quartal 2018 mit 4,1 Prozent deutlich über dem westdeutschen Niveau mit 3,3 Prozent lag. Relativ zum Beschäftigtenbestand inklusive offener Stellen werden von den Betrieben hier mehr offene Stellen gemeldet (siehe Abbildung). Auch im zweiten Quartal 2019 würde sich dieser Unterschied unter Nutzung prognostizierter Beschäftigtenzahlen mit 3,5 beziehungsweise 2,9 Prozent fortschreiben.

Gleichzeitig ist die Arbeitslosenquote im Osten seit 2010 deutlich zurückgegangen, so dass die Betriebe in beiden Landesteilen mittlerweile von vergleichbaren Schwierigkeiten bei der Besetzung von Stellen berichten. Doch dies ist eine Durchschnittsbetrachtung. Bei einer detaillierteren Analyse würden sich große Unterschiede innerhalb der hier betrachteten Regionen sowie zwischen unterschiedlichen Berufen zeigen. So zeigt sich auf der Basis der IAB-Stellenerhebung ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. Hinzu kommen auch Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Räumen.

Neben der Entwicklung von betrieblichen Engpässen am Arbeitsmarkt lassen sich mit dieser Abbildung auch Aussagen zur Effizienz des Arbeitsmarkts treffen. Je näher ein Punkt am Achsenschnittpunkt liegt, desto effizienter funktioniert in der Regel der Arbeitsmarkt. Im Nullpunkt würden in einer Idealwelt ohne Informationsasymmetrien oder regionale Friktionen alle Arbeitslosen sofort einen passenden Job finden. Die im Ost-West-Vergleich höhere ostdeutsche Vakanz- aber auch Arbeitslosenquote deutet auf stärkere Passungsprobleme am ostdeutschen Arbeitsmarkt hin. Dies zeigt, dass sich trotz einer vergleichbaren Arbeitslosen-Stellen-Relation die Struktur im Osten vom westdeutschen Arbeitsmarkt nach wie vor unterscheidet. Der Osten ist zum Beispiel durch eine starke klein- und mittelständische Unternehmenslandschaft geprägt, die bei den Stellen einen noch größeren Schwerpunkt bei nicht akademischen Tätigkeitsfeldern hat. Auch beim Arbeitsangebot zeigt sich das. So ist Ostdeutschlands Vorsprung beim Hochqualifiziertenanteil mittlerweile verlorengegangen, wie eine Studie des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) belegt.

 

Die IAB-Stellenerhebung

Das IAB untersucht mit der IAB-Stellenerhebung viermal jährlich das gesamte Stellenangebot, also auch jene Stellen, die den Arbeitsagenturen nicht gemeldet werden. Im zweiten Quartal 2019 wurden Antworten von 9.000 Arbeitgebern aller Wirtschaftsbereiche ausgewertet. Aktuelle Zahlen zur (langfristigen) Entwicklung der offenen Stellen sowie weiterer Kenngrößen auf Basis der IAB-Stellenerhebung finden Sie auf der IAB-Homepage.

 

Literatur

Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) (Hrsg.): Vereintes Land – drei Jahrzehnte nach dem Mauerfall. Halle (Saale) 2019.

 

 

Kubis, Alexander (2019): IAB-Stellenerhebung 2/2019: Hohe Personalnachfrage stützt den Arbeitsmarkt, In: IAB-Forum 15. August 2019, https://www.iab-forum.de/iab-stellenerhebung-2-2019-hohe-personalnachfrage-stuetzt-den-arbeitsmarkt/, Abrufdatum: 18. April 2024