Smartphones sind mittlerweile für die meisten Menschen selbstverständlicher Bestandteil des Alltags. Erhebliche Teile der täglichen Kommunikation finden damit statt – das gilt nicht nur im Privaten, sondern auch im beruflichen Kontext. Auch Arbeitsplätze werden durch internetfähige Smartphones mehr und mehr mobil. Selbst bei der Jobsuche sind Smartphones und die Nutzung von Apps heute für viele nicht mehr wegzudenken. Für ein Forscherteam des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) Anlass genug, eine neue Studie aufzusetzen, um die Möglichkeiten dieses Mediums für die wissenschaftliche Forschung auszuloten.

Mithilfe einer eigens entwickelten Android-App werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der IAB-SMART-Studie zu Themen wie Arbeitsuche, Kontakte zu Jobcentern oder Smartphone-Nutzung im Beruf befragt. Darüber hinaus ermöglicht die App aber noch mehr: Stimmen die Befragten zu, kann – natürlich nur in anonymisierter Form – auch die Nutzung des Smartphones selbst untersucht werden. Zudem können die Informationen der darin verbauten Sensoren wie zum Beispiel des Schrittzählers für die Forschung erschlossen werden.

Selbstverständlich ist die Teilnahme an der IAB-SMART-Studie freiwillig und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer entscheiden darüber, ob und welchen Zugriff sie auf ihre Smartphone-Daten erlauben wollen. Alle Daten werden ausschließlich in anonymisierter Form erhoben und stehen alleine der Forschung zur Verfügung. Für die Teilnahme an der Studie gibt es eine Aufwandsentschädigung, die abhängig vom Umfang der Beteiligung und der Datenbereitstellung rund 10 bis 15 Euro monatlich betragen kann. Geplant ist ein Erhebungszeitraum von sechs Monaten. Im Video erklärt der Leiter der Studie Prof. Mark Trappmann, wie die IAB-SMART-App funktioniert .

Mit dem Smartphone wissenschaftliche Studien effizienter durchführen

Methodisch geht es bei der Studie um die Erprobung des Smartphones als potenzielles Befragungsinstrument der Zukunft. Bisher kommen Interviewerinnen oder Interviewer zu den Befragten nach Hause oder rufen an, um eine Erhebung durchzuführen. Das ist nicht nur kostspielig, sondern setzt voraus, dass die Zielpersonen bereit sind, die erforderliche Zeit für das Interview aufzubringen. Mit der Erhebung über das Smartphone geht es nun einen Schritt in Richtung des Ideals einer „Zero-Footprint“-Forschung, einer Forschung also, welche die Beanspruchung der Befragten deutlich begrenzen will.

Zudem lassen sich manche Dinge nur schwer durch Standardinstrumente erfragen. Beim Thema Gesundheit zum Beispiel wäre es hilfreich zu erheben, wie viel sich die einzelnen Personen bewegen. Niemand verbringt aber den Tag damit, genau aufzuschreiben, wann er wie viel gelaufen ist. Da ist es für alle Beteiligten praktischer, dies das Smartphone messen zu lassen. Gleiches gilt für die Handy-Nutzung: Wer merkt sich schon, wie oft man das Smartphone in der Hand hält.

Mit dem Smartphone Formen der sozialen Ungleichheit aufdecken

Inhaltlich geht es in der Studie darum, verschiedene Formen der sozialen Ungleichheit und ihre Auswirkungen aufzudecken. Fragen der sozialen Teilhabe und die Sorge, dass Empfänger von Hartz IV langfristig vom sozialen Leben abgehängt werden, beschäftigen Forscherinnen und Forscher innerhalb und außerhalb des IAB schon lange. Mit der Studie lässt sich beispielsweise mehr Aufschluss über Tagesabläufe, Aktionsradien, Medien- und App-Nutzung oder die Kommunikation mit dem sozialen Netzwerk gewinnen. Selbstverständlich wird nicht erhoben, was kommuniziert wird, sondern nur die Tatsache, wann, wie und wie häufig mittels Smartphone Kommunikation stattfindet.

Auch ein unterschiedlicher Zugang zur digitalen Infrastruktur kann zu neuen Formen der sozialen Ungleichheit führen. Nicht jeder, der von zu Hause aus arbeiten möchte oder digitale Medien zur Arbeitsuche nutzen will, kann das verwirklichen – manchmal allein deswegen, weil der Netzzugang schlecht ist oder gar fehlt. Die IAB-SMART-App misst die Netzwerkstärke direkt und macht damit erforschbar, welchen Beitrag eine regional ungleiche Versorgung zu ungleichen Arbeitsmarktchancen leistet.

Zielgruppe der Studie sind Befragte des Panels Arbeitsmarkt und soziale Sicherung

Es sind Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Panel Arbeitsmarkt und soziale Sicherung (PASS), die per Zufall ausgewählt und eingeladen wurden, um auch bei der neuen IAB-SMART-Studie mitzuwirken. Die Zufallsauswahl dient dazu, systematische Verzerrungen auszuschließen. Stimmen die Beteiligten zu, lassen sich ihre Daten aus der IAB-SMART-Studie mit den PASS-Daten verknüpfen – wobei die Anonymität selbstverständlich auch in dieser Hinsicht vollständig gewahrt bleibt.

Die Datenverknüpfung ermöglicht ein viel umfassenderes Bild, als beide Studien jeweils für sich liefern können. Das Setting der zwei Studien unterscheidet sich stark und kann durch die Verschränkung mit den jeweiligen Vorteilen genutzt werden. So findet die PASS-Studie einmal im Jahr statt und fragt unter anderem nach formellen und informellen Wegen der Arbeitsuche von Arbeitslosen und Erwerbstätigen. Zu formellen Suchwegen zählt etwa die Inanspruchnahme von Dienstleistungen der Jobcenter und Arbeitsagenturen oder von Online-Stellenbörsen der Bundesagentur für Arbeit beziehungsweise von privaten Anbietern. Erwartungsgemäß spielt die formelle Suche eine wichtige Rolle: Analysen auf Basis von Befragungsdaten belegen, dass fast alle arbeitsuchenden Personen einen oder mehrere formelle Suchwege verwenden. Daneben nimmt auch die informelle Suche über persönliche Netzwerke eine wesentliche Funktion bei der erfolgreichen Jobsuche ein. In der jährlich stattfindenden PASS-Befragung ist jedoch nur bedingt zu erfassen, wie nützlich die verschiedenen Wege im Einzelnen sind. Fragen zur Jobsuche können hier in der Regel nur summarisch retrospektiv, das heißt rückblickend auf ein ganzes Jahr, gestellt werden.

Die IAB-SMART-App dagegen erlaubt wesentlich genauere Einschätzungen, zum Beispiel zur Arbeitsuche im abgelaufenen Monat oder zum letzten Besuch im Jobcenter. Wenn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der IAB-SMART-Studie zustimmen, können die mit dem Smartphone gemessenen Geopositionen genutzt werden. Das ermöglicht es den Forschenden, nach dem Besuch beim Jobcenter oder der Arbeitsagentur – ganz zeitnah und gezielt – Fragen zur Einschätzung des Erlebten zu stellen.

Verzerrungen vermeiden

Personen, die kein Android-Smartphone besitzen, sind aus technischen Gründen von der Datenerhebung der IAB-SMART-Studie ausgeschlossen. Wenn sich die Nutzer von Android-Smartphones von den Nichtnutzern von Smartphones oder Nutzern von Smartphones mit anderen Betriebssystemen unterscheiden, besteht die Gefahr, dass Ergebnisse verzerrt wären. Mit der Verlinkung zu den PASS-Daten lässt sich einerseits untersuchen, wie sich die Nutzer von Android-Smartphones von Nichtnutzern und Nutzern von Mobiltelefonen mit anderen Betriebssystemen unterscheiden. Andererseits können Verzerrungen untersucht und korrigiert werden, die daraus resultieren, dass ein Teil der eingeladenen Personen nicht an der Studie teilnimmt.

Sensible Daten erfordern strengen Datenschutz

In der Studie werden Daten so sparsam wie möglich erhoben. Beispielsweise benötigen Forschende zur Beantwortung der Frage, ob Erwerbstätige und Arbeitslose jeweils anders „soziales Kapital“ sammeln können, einen Abgleich der Zahl der gespeicherten Kontakte im Telefonbuch im Zeitverlauf. Zusätzlich bedarf es einer Klassifikation der Kontakte nach wahrscheinlicher Herkunft, um zu erfahren, ob es für die Jobsuche von Migrantinnen und Migranten von Vorteil ist, möglichst viele Einheimische zu kennen. Es gibt aber keine Forschungsfrage, für die die Namen der Kontakte selbst benötigt werden. Also werden die Kontakte lediglich ausgezählt und nach ihrer Herkunft klassifiziert. Nur die daraus resultierenden Maßzahlen werden an die Forschenden übermittelt. Die Namen und Adressen selbst werden dagegen nicht gespeichert.

Viel Zeit wurde darauf verwendet, ausführliches Informationsmaterial für die Befragten zu entwickeln. Die Personen, die zur Teilnahme an der Studie eingeladen werden, müssen sich ein umfassendes Bild davon machen können, welche Daten erhoben werden, bevor sie die Entscheidung treffen, ob und in welchem Umfang sie dabei sein wollen. In den Unterlagen wird die Freiwilligkeit der Teilnahme wiederholt betont und detailliert dargestellt, welche Daten wie und wozu erhoben werden sollen. Auch bei der Installation der App werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nochmals über den genauen Umfang der Datenerhebung informiert. Daten werden in der Studie nur erhoben, wenn die Befragten der Datenerhebung separat und explizit zustimmen. Sie müssen aktiv in jedes einzelne Recht (zum Beispiel Erhebung der Geoposition, Erhebung der App-Nutzung) einwilligen. Die Daten werden ausschließlich anonymisiert und nur zu Forschungszwecken verwendet. Namens- und Adressdaten, die zum Anschreiben der Personen verwendet werden, werden zu keinem Zeitpunkt mit den Erhebungsdaten in Verbindung gebracht.

Diese hohen Datenschutzauflagen der Forschung sind ein ganz wesentliches Merkmal, in dem sich die Nutzung der Smartphone-Daten für die Forschung grundlegend von der Nutzung durch kommerzielle App-Anbieter unterscheidet. Viele Firmen erheben bereits ähnliche Daten mit Apps, werten diese jedoch personenbezogen aus.

In dieser Art von Daten steckt ein enormes Potenzial für die Forschung, aber auch für die Entwicklung von Technologien, die unser Leben erleichtern und einen schonenden Umgang mit Ressourcen ermöglichen. Auf der anderen Seite besteht das Bedrohungsszenario einer vollständigen Überwachung und Kontrolle jedes einzelnen Bürgers. Das Anliegen dieser Forschung ist die verantwortungsvolle Erhebung solcher Daten, die negative Auswirkungen auf die Personen ausschließt, die den Zugriff auf ihre Daten erlauben. Sie soll im besten Fall Ergebnisse liefern, mit der sich die Arbeitsvermittlung verbessern oder dem Verlust sozialer Teilhabe nach Arbeitslosigkeit entgegenwirken lässt. Es wäre ein Fehler, diese zunehmend wichtig werdende Datenquelle zu ignorieren oder deren Nutzung ausschließlich Akteuren mit kommerziellen Interessen zu überlassen.

Weitere Informationen: www.iab.de/de/befragungen.aspx und www.iab.de/smart