Ein aktueller IAB-Kurzbericht (14/2022) widmet sich den Helfertätigkeiten, die im Schnitt vergleichsweise niedrig entlohnt sind. Dies trifft aber nicht für alle diese Tätigkeiten zu. In bestimmten Konstellationen können ausgebildete Fachkräfte auf Helfertätigkeiten höhere Verdienste erzielen als im erlernten Beruf. Die Redaktion des IAB-Forum hat dazu bei Holger Seibert, Barbara Schwengler und Doris Wiethölter nachgefragt.

Wie hat sich der Sektor der einfachen Helfertätigkeiten in den letzten Jahren in Deutschland entwickelt?

Barbara Schwengler

Barbara Schwengler ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsbereich “Betriebe und Beschäftigung” am IAB.

Barbara Schwengler: Die Zahl der Helferjobs ist zwischen 2015 und 2021 überdurchschnittlich gestiegen: Die Gesamtbeschäftigung ist in diesem Zeitraum um 10 Prozent gewachsen, die Helfertätigkeiten sogar um 16 Prozent. Ein stärkeres Wachstum haben nur die Expertentätigkeiten mit 21 Prozent erlebt. Diese setzen akademische Qualifikationen voraus und haben während der Corona-Krise quasi ungebremst weiter zugelegt.

Die Helfertätigkeiten hatten zwar mit Beginn der Corona-Krise einen deutlichen Einbruch zu verzeichnen. Davon haben sie sich aber spätestens im Verlauf des Jahres 2021 wieder erholt, während die Entwicklung der Fachkrafttätigkeiten seit Beginn der Pandemie stagniert.

Zwei Drittel der Beschäftigten, die Helferjobs ausüben, besitzen mindestens eine abgeschlossene Berufsausbildung.

Welche Personengruppen üben denn einfache Helfertätigkeiten aus?

Doris Wiethölter ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Regionalen Forschungsnetz des IAB.

Doris Wiethölter: Besonders viele Helfertätigkeiten finden sich in der Lagerwirtschaft, den Post- und Kurierdiensten, in der Reinigung, der Altenpflege sowie in der Zeitarbeitsbranche. Auch ist es so, dass ausländische Beschäftigte viel häufiger Helfertätigkeiten ausüben als deutsche, da ihnen häufiger Bildungsabschlüsse fehlen oder ihre vorhandenen Abschlüsse hierzulande nicht anerkannt werden. Allerdings, und das ist vielen gar nicht bewusst, besitzen zwei Drittel der Beschäftigten, die Helferjobs ausüben, mindestens eine abgeschlossene Berufsausbildung.

Was für Gründe haben Beschäftigte, trotz eines qualifizierten Berufsabschlusses eine Helfertätigkeit auszuüben?

Dr. Holger Seibert

Dr. Holger Seibert ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Regionalen Forschungsnetz des IAB.

Holger Seibert: Wir haben hier zunächst auf die Löhne geschaut. Mehr Geld kann ja ein guter Anreiz sein. Und in der Tat gibt es einige Konstellationen, in denen es sich lohnt, eine niedrig bezahlte Fachkraftstelle gegen eine besser bezahlte Helferstelle zu tauschen. So liegt das mittlere Bruttoentgelt von Helfertätigkeiten im Jahr 2020 bei 2.357 Euro. Es gibt aber eine Reihe von Fachkrafttätigkeiten, die deutlich niedriger entlohnt sind.

Daneben gibt es natürlich eine Menge anderer denkbarer Gründe, die wir in unseren Daten aber leider nicht messen können. Das wären etwa die Arbeitsbedingungen. Wenn man zum Beispiel in der Gastronomie immer dann arbeiten muss, wenn die Freunde feiern gehen. Oder die oft hohe psychosoziale Belastung in den Pflege- und Erziehungsberufen, die viele Beschäftigte auf Dauer überfordert. Häufig werden berufliche Entscheidungen auch im Haushaltskontext getroffen. Wenn Kinder oder Angehörige zu betreuen sind, stehen vielleicht häufiger Motive wie die Entfernung zum Arbeitsplatz im Vordergrund. Und natürlich können auch ungewollte Jobverluste der Grund für den Wechsel in eine Helfertätigkeit sein – wenn etwa ein größerer Betrieb schließt oder eine Branche zunehmend Personal freisetzt.

Berufswechsel auf eine Helfertätigkeit können zu einem Mangel an Fachkräften führen oder bestehende Engpässe weiter verschärfen.

Welche Gefahr sehen Sie in dieser Entwicklung?

Wiethölter: Solche Berufswechsel können zu einem Mangel an Fachkräften in bestimmten Branchen führen und bestehende Engpässe weiter verschärfen. Wenn wir zum Beispiel auf die Gastronomie oder das Friseurhandwerk schauen, sehen wir das Risiko, dass sich ausgebildete Fachkräfte aufgrund der niedrigen Löhne in ihrer Branche lieber Jobs in besser bezahlten Berufen oder Branchen suchen. Die Gastronomie musste ja mit der Erholung nach der Corona-Pandemie gerade schmerzhaft lernen, dass sie ihrem Personal, das nach der Wiedereröffnung der Restaurants und Bars dort massenweise fehlt, offensichtlich nicht immer wirklich gute Löhne und Arbeitsbedingungen bieten konnte.

Schwengler: Wenn es viele Jobchancen auf Helferniveau gibt, steigt zudem das Risiko, dass Jugendliche ganz auf eine Ausbildung verzichten und nach der Schule die vermeintlich gut bezahlten Helferjobs annehmen, dann aber im weiteren Erwerbsleben ohne Ausbildung und mit langfristig eventuell schlechteren Lohn- und Karriereaussichten dastehen. Auf der anderen Seite können Helfertätigkeiten aber aufgrund der niedrigen Einstiegshürden Berufswechslern und Arbeitslosen gute Wiedereinstiegschancen in den Arbeitsmarkt bieten.

Welche Auswirkung könnten Digitalisierung und Fachkräftemangel auf Helferjobs in der Zukunft haben?

Seibert: Da geht die Diskussion in zwei Richtungen. Einerseits haben Helfertätigkeiten im Schnitt ein sehr hohes Substituierbarkeitspotenzial – sie können also besonders gut durch Computer oder computergesteuerte Maschinen ersetzt werden. Durch die geringen Löhne besteht allerdings ein gewisser Schutz, da die Investitionen in Automatisierung in der Regel recht hoch sind und die menschliche Arbeitskraft daher im Helfersegment doch häufig preiswerter ist. Andererseits wird angeführt, dass Digitalisierung und Automatisierung auch eine neue Nachfrage nach einfachen Tätigkeiten generieren kann – und zwar dann, wenn komplexere Tätigkeiten durch Maschinen und Algorithmen übernommen werden und oftmals nur noch einfache Zwischenschritte durch menschliche Hilfe erledigt werden müssen. Eine solche Entwicklung würde vor allem zulasten der Fachkräfte gehen.

Schwengler: Es kommt hier vor allem auf die Entwicklung der einzelnen Berufe an. Man kann zum Beispiel davon ausgehen, dass die Nachfrage nach Helfertätigkeiten in der Logistik oder im produzierenden Gewerbe weiter sinken dürfte, weil hier die Digitalisierung eine wichtige Rolle spielt. In anderen Bereichen, wie etwa der Alten- und Krankenpflege, die eher weniger digitalisiert werden können, dürften Helfertätigkeiten hingegen auch langfristig nachgefragt werden.

Literatur

Barbara Schwengler, Holger Seibert, Doris Wiethölter (2022): Berufsspezifische Lohnunterschiede: In einigen Helferjobs verdienen Fachkräfte mehr als in ihrem erlernten Beruf. IAB-Kurzbericht Nr. 14.

doi: 10.48720/IAB.FOO.20220719.01

Keitel, Christiane (2022): Helfertätigkeiten werden nicht nur von Ungelernten ausgeübt, In: IAB-Forum 19. Juli 2022, https://www.iab-forum.de/helfertaetigkeiten-werden-nicht-nur-von-ungelernten-ausgeuebt/, Abrufdatum: 25. April 2024