Seit der Einführung des Elterngeldes im Jahr 2007 steigt der Anteil von Vätern, die nach der Geburt eines Kindes ihre Erwerbstätigkeit zugunsten von Kinder­betreuung unterbrechen. Der IAB-Kurzbericht 1/2023 zeigt nun unter anderem auf, wie sich eine Erwerbsunterbrechung der Väter auf die Arbeitsmarktrückkehr der Mütter auswirkt. Die Redaktion des IAB-Forum hat dazu bei Corinna Frodermann, Ann-Christin Bächmann und Andreas Filser nachgefragt.

Wenn das erste Kind auf die Welt kommt, müssen die Eltern planen, wie sie die Erwerbsunterbrechung aufteilen und die Elternzeit gestalten. Für welche Aufteilung entscheiden sie sich, statistisch gesehen?

Portrait Corinna Frodermann

Dr. Corinna Frodermann ist Mitarbeiterin im Bereich Panel Arbeitsmarkt und soziale Sicherung (PASS) am IAB.

Corinna Frodermann: Unsere Daten zeigen auf Basis von Geburten zwischen 2007 und 2013, dass sich die meisten verheirateten Paare nach wie vor für ein sehr traditionelles Modell entscheiden. Das bedeutet: Die Mutter nimmt Elternzeit, um sich um das Kind zu kümmern, während der Vater weiterarbeitet und seine Erwerbstätigkeit nicht unterbricht.

Andreas Filser: Wir stellen aber auch einen langsamen Wandel weg von dieser einseitigen Verteilung fest. Seit der Elterngeld-Reform vor 16 Jahren steigt der Anteil von Vätern, die Elternzeit in Anspruch nehmen, kontinuierlich an. Allerdings beschränken sich die meisten von ihnen dabei auf zwei Monate. Das heißt, auch in diesen Fällen übernimmt die Mutter den Großteil der Betreuung alleine. Dass Väter diese Rolle ausfüllen, bleibt die Ausnahme.

Das traditionelle Familien- und Erwerbsmodell trägt zentral zu Geschlechterungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt bei.

Das heißt, nach wie vor herrscht das traditionelle Familienmodell. Warum ist das problematisch?

Portrait Ann-Christin Bächmann

Dr. Ann-Christin Bächmann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Leibniz-Institut für Bildungsverläufe in Bamberg.

Ann-Christin Bächmann: Das traditionelle Familien- und Erwerbsmodell trägt zentral zu Geschlechterungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt bei. Entscheiden sich Paare dafür, geht das meistens mit zahlreichen Karrierenachteilen für die Mütter einher. Studien zeigen, dass gerade diese langen familienbedingten Auszeiten für Frauen problematisch sind, genauso wie die Tatsache, dass viele von ihnen nach einer solchen Erwerbsunterbrechung zunächst in Teilzeit wieder einsteigen. Die Karrierenachteile reichen dann von schlechteren Aufstiegschancen über geringere Weiterbildungsmöglichkeiten bis hin zu deutlichen Lohneinbußen.

Frodermann: Und die Folgen dieser Lohneinbußen sind dabei keinesfalls trivial. Geringere Löhne bedeuten nicht nur kurzfristig niedrigere Konsumstandards und finanzielle Abhängigkeit vom Partner, sondern sie setzen sich über den Lebensverlauf fort und münden letztlich auch in geringeren Rentenansprüchen.

Filser: Außerdem konnten erste Studien für Deutschland bereits zeigen, dass die Aufteilung der Elternzeit auch längerfristige Auswirkungen auf die Aufteilung der Hausarbeit und Kinderbetreuung in der Partnerschaft hat. Engagieren sich Väter schon frühzeitig bei der Kinderbetreuung, dann wird das in den nachfolgenden Jahren ebenfalls eher der Fall sein.

Und wie wirkt es sich auf die Arbeitsmarktrückkehr der Mütter aus, wenn die Väter ebenfalls Elternzeit nehmen?

Portrait Andreas Filser

Dr. Andreas Filser ist Mitarbeiter im Bereich Forschungsdatenzentrum (FDZ) am IAB.

Filser: Hier sehen wir in unseren Daten ganz klar einen positiven Zusammenhang: Mütter, deren Partner sich substanziell an der Elternzeit beteiligen, also mehr als zwei Monate Elternzeit nehmen, kehren schneller auf den Arbeitsmarkt zurück.

Bächmann: Bei einer stärkeren Beteiligung der Väter kehren die Mütter außerdem mit höherer Wahrscheinlichkeit in Vollzeit zurück. Sie sehen sich deshalb auch seltener den Karrierenachteilen gegenüber, die mit einer Teilzeittätigkeit einhergehen. Detaillierte Langzeitauswertungen stehen noch aus, aber wir können jetzt schon sagen: Die Aufteilung von Care- und Erwerbsarbeit im direkten Anschluss an die Geburt des ersten Kindes ist eine Richtungsentscheidung für die Erwerbsverläufe beider Eltern – mit allen bereits erwähnten Folgen.

Eine Erhöhung der Partnermonate würden viele Eltern in Anspruch nehmen.

Die Regierung plant, das Elterngeld um einen weiteren Partnermonat zu erweitern. Was erwarten Sie von dieser Reform?

Frodermann: Wir sehen ganz klar, dass sich Väter stark an den gesetzlichen Möglichkeiten orientieren. Momentan bekommt ein Paar statt zwölf Monaten vierzehn Monate finanzielle Kompensation, wenn jeder Elternteil mindestens zwei Monate Elterngeld bezieht. Das hat zur Folge, dass Väter ihre Erwerbsunterbrechung meist auf die Dauer dieser zwei Partnermonate beschränken, die bei Nichtinanspruchnahme verfallen würden. Nicht umsonst werden diese zusätzlichen Monate häufig als „Vätermonate“ bezeichnet.

Filser: Dementsprechend gehen wir davon aus, dass eine Erhöhung der Partnermonate von vielen Eltern in Anspruch genommen werden würde. Die Reform wäre ein Schritt in die richtige Richtung, wenn dann viele Väter nach der Geburt eines Kindes tatsächlich drei Monate unterbrechen.

Bächmann: Wir vermuten aber auch, dass dieser zusätzliche Partnermonat nicht maßgeblich dazu beitragen wird, dass die Sorge- und Erwerbsarbeit zwischen Müttern und Vätern gleicher verteilt wird. Wenn, wie angenommen, ein großer Teil der Väter ihre Elternzeit auf die drei Monate beschränkt, reduziert das die Geschlechterungleichheiten nur wenig. Wir sehen in unseren Daten bereits, dass eine Unterbrechung der Väter nur für die Dauer der Partnermonate für die Erwerbstätigkeit der Mütter kaum einen Unterschied macht.

Die Unternehmen könnten den Vätern durch eine familienfreundliche Betriebskultur die Sorge vor Karrierenachteilen nehmen.

Was könnte denn die Politik darüber hinaus tun, um noch mehr Anreize für eine Gleichverteilung der Erwerbsunterbrechung zu setzen?

Filser: Wir sehen verschiedene politische Stellschrauben. Zum einen könnte die Politik zum Beispiel Anreize dafür schaffen, dass Väter und Mütter ihre Elternzeit nicht gleichzeitig nehmen, sondern Väter eine gewisse Zeit hauptverantwortlich für die Kinderbetreuung zuständig sind, ganz nach dem finnischen Vorbild. Wir wissen aus ersten Studien, dass alleinige Elternzeitmonate des Vaters auch nachhaltig eine egalitärere Aufteilung der Kinderbetreuung im Paar zur Folge haben, deutlich mehr als gemeinsame Elternzeiten.

Frodermann: Dazu kommt, dass viele Väter vor einer längeren Elternzeit zurückschrecken, weil sie Karrierenachteile fürchten. Das verstärkt sich noch, wenn sie mit ihrem Wunsch, mehr Zeit mit der Familie zu verbringen, etwa in ihrem Betrieb auf Unverständnis stoßen. Hier ist es wichtig, Väter zu ermutigen und Vorbilder zu schaffen. Das ist einerseits von Seiten der Politik möglich. Aber auch Unternehmen sind gefragt: Sie könnten den Vätern durch eine familienfreundliche Betriebskultur die Sorge vor Karrierenachteilen nehmen.

Bächmann: Und nicht zu vergessen: Um die Erwerbsbeteiligung beider Elternteile zu fördern, sind natürlich gute und umfangreiche Kinderbetreuungsangebote unerlässlich. Zwar wurde über die letzten Jahre schon viel in den Ausbau der Betreuung investiert, doch die Plätze reichen nach wie vor nicht aus, und durch Personalmangel in den Einrichtungen ist die Betreuung oft unsicher. Außerdem decken die Betreuungszeiten häufig keine Vollzeiterwerbstätigkeit ab. Das führt dann wieder dazu, dass mindestens ein Elternteil die Arbeitszeit reduziert. Und das ist in den meisten Fällen die Frau – mit den bekannten Konsequenzen.

Literatur

Frodermann, Corinna; Filser, Andreas; Bächmann, Ann-Christin (2023): Elternzeiten von verheirateten Paaren: Mütter kehren meist schneller auf den Arbeitsmarkt zurück, wenn ihre Ehepartner Elternzeit nehmen. IAB-Kurzbericht Nr. 1.

doi: 10.48720/IAB.FOO.20230207.01

Keitel, Christiane (2023): „Die Aufteilung von Care- und Erwerbsarbeit ist eine Richtungsentscheidung für die Erwerbsverläufe beider Eltern“, In: IAB-Forum 7. Februar 2023, https://www.iab-forum.de/die-aufteilung-von-care-und-erwerbsarbeit-ist-eine-richtungsentscheidung-fuer-die-erwerbsverlaeufe-beider-eltern/, Abrufdatum: 19. April 2024