Um die Teilhabe von Menschen mit Schwerbehinderung am Arbeitsleben zu fördern, müssen Unternehmen in Deutschland, die nicht eine bestimmte Mindestzahl an solchen Personen beschäftigen, eine Ausgleichsabgabe entrichten. Eine neue Analyse mit Daten der Bundesagentur für Arbeit zeigt, dass diese Regelung die Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung tatsächlich fördert. Sie hat aber auch Nebenwirkungen. Dazu zählen ein verminderter Beschäftigungsaufbau und ein höherer Anteil an geringfügiger Beschäftigung für Unternehmen, die knapp unterhalb der einschlägigen Schwellenwerte liegen.

Den Unternehmen kommt bei der Integration von Menschen mit Schwerbehinderung in den Arbeitsmarkt eine wesentliche Rolle zu. Den rechtlichen Rahmen dafür bildet das Schwerbehindertenrecht im Neunten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB). Ein wesentliches Element des Schwerbehindertenrechts im SGB IX ist die Pflicht für öffentliche und private Arbeitgeber, mindestens 5 Prozent ihrer Arbeitsplätze mit Menschen mit Schwerbehinderung zu besetzen.

Allerdings gibt es für kleine und mittlere Unternehmen gesonderte Regeln: Kleine Unternehmen mit weniger als 20 Beschäftigten sind von dieser Pflicht ausgenommen. Unternehmen mit 20 bis 39 Mitarbeitenden müssen jahresdurchschnittlich mindestens eine Person mit Schwerbehinderung beschäftigen, Unternehmen mit 40 bis 59 Angestellten mindestens zwei. Unternehmen ab 60 Beschäftigten müssen dann im Jahresdurchschnitt 5 Prozent ihrer Arbeitsplätze mit Menschen mit Schwerbehinderung besetzen.

Für die Berechnung der Unternehmensgröße werden Beschäftigte gezählt, die mindestens 18 Stunden in der Woche im Unternehmen tätig sind. Weitere Beschäftigtengruppen, wie beispielsweise Auszubildende, werden bei der Berechnung ebenfalls nicht mitgezählt. Für die Anrechnung auf einen Arbeitsplatz muss eine Person mit Schwerbehinderung in der Regel mindestens 18 Stunden in der Woche bei dem Unternehmen beschäftigt sein.

Wenn Unternehmen sich nicht daran halten, müssen sie eine abgestufte Ausgleichsabgabe zahlen, die aktuell je nicht besetzter Stelle 140 bis 360 Euro pro Monat beträgt. Die Höhe der Abgabe richtet sich danach, wie stark die Quote unterschritten wird. Die Abgabe setzt also einen finanziellen Anreiz für die Unternehmen, Menschen mit Schwerbehinderung zu beschäftigen. Laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit mussten 2021 etwa 61 Prozent der von der Beschäftigungspflicht betroffenen Unternehmen die Ausgleichsabgabe entrichten. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen beziffert das Gesamtaufkommen der Abgabe 2020 auf circa 697 Millionen Euro.

Eine aktuelle Studie des IAB, veröffentlicht als IAB-Discussion Paper 25/2022, liefert Erkenntnisse darüber, ob und wie sich die Beschäftigungspflicht in Verbindung mit der Ausgleichsabgabe auf die Zahl der Menschen mit Schwerbehinderung in Unternehmen auswirkt und welche unbeabsichtigten Effekte diese Maßnahme mit sich bringt. Dafür wurden Daten der Bundesagentur für Arbeit – die Beschäftigungsstatistik schwerbehinderter Menschen (BsbM) – im Beobachtungszeitraum 2004 bis 2011 aufbereitet und erstmalig für eine wissenschaftliche Analyse genutzt.

In der Studie wird zunächst der beabsichtigte „Schwellenwerteffekt“ geschätzt. Damit ist der Effekt gemeint, den die Regelung auf die Zahl der Beschäftigten mit Schwerbehinderung in Unternehmen hat, die sich am Schwellenwert von 40 Beschäftigten befinden. Denn ab dieser Schwelle müssen Unternehmen mindestens zwei Personen mit Schwerbehinderung beschäftigen.

Dahinter steht die grundsätzliche Annahme, dass sich Unternehmen knapp unterhalb und knapp oberhalb des Schwellenwerts (also zum Beispiel Unternehmen mit 39 und 40 Beschäftigten) sehr ähnlich sind und sich lediglich darin unterscheiden, ob sie von der Regelung schwächer oder stärker betroffen sind, also eine oder zwei Personen mit Schwerbehinderung beschäftigen müssten. Unterschiede in der Zahl der Beschäftigten mit Schwerbehinderung könnten dann, so die Annahme, auf die Regelung selbst zurückgeführt werden.

Hierfür müssen jedoch zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Zum einen muss sichergestellt sein, dass es keine weitere arbeitsrechtliche Regelung am Schwellenwert von 40 gibt, die die Anzahl der Beschäftigten mit Schwerbehinderung im Unternehmen beeinflussen könnte. Wie eine 2010 erschienenen Studie von Lena Koller zeigt, ist die erhöhte Beschäftigungspflicht die einzige Regelung im Beobachtungszeitraum, die ab dem Schwellenwert von 40 Beschäftigten greift.

Zum zweiten muss sichergestellt werden, dass die Unternehmen kein sogenanntes Bunching (zu Deutsch: Bündelung) betreiben. Dies geschieht, wenn Unternehmen absichtlich unterhalb des Schwellenwerts von 40 Beschäftigten bleiben, um der Zahlung der Ausgleichsabgabe zu entgehen, wenn sie die Quote nicht erfüllen. In der Studie wird potenzielles Bunching als nicht beabsichtigter Effekt der Regelung ebenfalls näher betrachtet. Gäbe es Hinweise auf Bunching, wäre eine der Voraussetzungen nicht erfüllt und der geschätzte Schwellenwerteffekt verzerrt.

Die Beschäftigungspflicht in Verbindung mit der Ausgleichsabgabe wirkt

Abbildung 1 zeigt die durchschnittliche Anzahl der Beschäftigten mit Schwerbehinderung in Unternehmen nach Größe. Steigt die Unternehmensgröße, so steigt auch die Anzahl an schwerbehinderten Mitarbeitenden. Markant ist der Schwellenwert von 40 Beschäftigten: Ab diesem Zeitpunkt sind Unternehmen verpflichtet, mindestens zwei Personen mit Schwerbehinderung zu beschäftigen. Hier steigt der Wert kurzzeitig stark an, bevor er sich auf vorherigem Niveau einpendelt. Das deutet darauf hin, dass die Ausgleichsabgabe wirkt. Quellen: Beschäftigungsstatistik der schwerbehinderten Menschen (BsbM), Betriebs-Historik-Panel © IAB

Wie ist es nun um den erwähnten Schwellenwerteffekt bestellt? Abbildung 1 zeigt die durchschnittliche Anzahl der Beschäftigten mit Schwerbehinderung in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße. Demnach steigt die durchschnittliche Zahl der Beschäftigten mit Schwerbehinderung nahezu linear mit der Unternehmensgröße. Unternehmen mit 20 Angestellten beschäftigen im Durchschnitt 0,47 Mitarbeiter mit Schwerbehinderung, Unternehmen mit 59 Beschäftigten im Durchschnitt 1,42.

Es ist zudem ein deutlicher Sprung in der Zahl der Beschäftigten mit Schwerbehinderung am Schwellenwert von 40 zu erkennen, der auf die Beschäftigungspflicht beziehungsweise die Ausgleichsabgabe zurückzuführen ist. Unternehmen knapp oberhalb des Schwellenwerts beschäftigen dieser Schätzung zufolge im Durchschnitt 0,39 mehr Menschen mit Schwerbehinderung als Unternehmen, die knapp unterhalb des Schwellenwerts liegen. Das deutet darauf hin, dass die Regelung wirkt.

Manche Firmen bleiben gezielt unterhalb des Schwellenwerts

Abbildung 2 zeigt die Anzahl der Unternehmen nach Unternehmensgröße in Tausend. Die Anzahl der Unternehmen nimmt tendenziell mit der Unternehmensgröße ab. Die Zahl der Unternehmen am Schwellenwert von 40 Beschäftigten fällt sprunghaft ab. Es gibt über 17.000 Unternehmen mit 39 Beschäftigten, aber nur gut 10.000 Unternehmen mit 40 Beschäftigten. Dies kann als Hinweis darauf interpretiert werden, dass manche Unternehmen bewusst unterhalb dieses Schwellenwerts bleiben, um der Zahlung der Ausgleichsabgabe zu entgehen. Quellen: Beschäftigungsstatistik der schwerbehinderten Menschen (BsbM), Betriebs-Historik-Panel © IAB

Aufschluss über die Größe des Bunching-Effekts gibt Abbildung 2. Sie zeigt, dass die Anzahl der Unternehmen tendenziell mit der Unternehmensgröße abnimmt. Vor allem aber wird deutlich, dass die Zahl der Unternehmen am Schwellenwert von 40 Beschäftigten sprunghaft abfällt. So gibt es über 17.000 Unternehmen mit 39 Beschäftigten, aber nur gut 10.000 Unternehmen mit 40 Beschäftigten. Dies kann als Hinweis darauf interpretiert werden, dass manche Unternehmen bewusst unterhalb dieses Schwellenwerts bleiben, um der Zahlung der Ausgleichsabgabe zu entgehen.

Für die Analyse des Bunching-Effekts wurden 210.306 Unternehmen um den Schwellenwert herum betrachtet (Unternehmen mit mindestens 33 und höchstens 48 Beschäftigten). Die Schätzung des Bunching-Effekts ergibt einen Wert von minus 2,02. Dies bedeutet, dass etwa zwei Prozent der betrachteten Unternehmen bewusst unterhalb des Schwellenwerts bleiben. Damit ist der Effekt zwar signifikant, aber relativ klein. Der bereits genannte Schwellenwerteffekt von 0,39 ist insoweit nach oben verzerrt, als der Vergleich von Unternehmen knapp unter- und oberhalb des Schwellenwerts nicht nur den Effekt der Ausgleichsabgabe, sondern auch den Effekt des Bunchings abbildet.

Rechnet man diese Verzerrung heraus, errechnet sich eine Untergrenze des Schwellenwerteffekts von 0,2 (zur Berechnung der Untergrenze siehe IAB-Discussion Paper 25/2022, S. 23). Das bedeutet, dass Unternehmen knapp oberhalb des Grenzwerts im Durchschnitt mindestens 0,2 mehr Personen mit Schwerbehinderung beschäftigen als Unternehmen knapp unterhalb des Schwellenwerts. Selbst unter Berücksichtigung des Bunchings fördert die Regelung also die Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung.

Niedriglohnunternehmen haben stärkere Schwellenwert- und Bunching-Effekte

Die Ausgleichsabgabe ist nicht für jede Firma gleichermaßen relevant. Die relative Bedeutung der Abgabe für die Lohnkosten ist umso höher, je niedriger die mittleren Löhne sind, die eine Firma ihren Beschäftigten zahlt. Zum Vergleich: Für Niedriglohnfirmen, also Firmen, deren Löhne im unteren Bereich der Lohnverteilung liegen, beträgt der relative Anteil der Ausgleichsabgabe am mittleren Brutto-Tagesentgelt 7,1 Prozent. Für Hochlohnfirmen, also Firmen, deren Löhne im oberen Bereich der Lohnverteilung liegen, beträgt dieser Anteil lediglich 3,0 Prozent.

Aufgrund des höheren Anteils ist der Anreiz für Niedriglohnfirmen, eine weitere Person mit Schwerbehinderung einzustellen, größer. Dies führt zu einer signifikanten Diskrepanz der Schwellenwerteffekte. Der Schwellenwerteffekt für Niedriglohnfirmen liegt bei 0,59 und ist damit deutlich höher als bei Hochlohnfirmen mit einem Effekt von 0,24. Die Untergrenze der Effekte liegt jeweils bei 0,3 und 0,07.

Ein Bunching-Verhalten ist bei allen mittleren Lohnniveaus zu beobachten, am deutlichsten jedoch in Niedriglohnfirmen. Das liegt vermutlich daran, dass durch den höheren Anteil der Abgabe an den Lohnkosten auch der Anreiz, unterhalb des Schwellenwerts zu bleiben, um einem Anstieg in den Lohnkosten zu entgehen, für diese Firmen größer ist. Somit zeigen die Ergebnisse größere Schwellenwert- und Bunching-Effekte bei Unternehmen mit geringeren Löhnen.

Die Schwellenwertregelung hat noch weitere nicht beabsichtigte Folgen

Um das Bunching-Verhalten genauer zu untersuchen, wurde in der Studie auch analysiert, ob es einen Zusammenhang zwischen der Schwellenwertregelung und den Beschäftigungs- und Lohnstrukturen sowie dem Beschäftigungswachstum von Unternehmen gibt

Abbildung 4 zeigt den Anteil geringfügig Beschäftigter in Unternehmen in Abhängigkeit der Unternehmensgröße in Prozent. Firmen unterhalb des Schwellenwerts haben im Durchschnitt einen höheren Anteil an geringfügig Beschäftigten. Der Anteil an regulärer Beschäftigung bei Unternehmen mit weniger als 40 Beschäftigten liegt deutlich unter dem von Unternehmen oberhalb des Schwellenwerts. Dies dürfte daran liegen, dass geringfügig Beschäftigte bei der Berechnung der Unternehmensgröße nicht mitzählen. Quellen: Beschäftigungsstatistik der schwerbehinderten Menschen (BsbM), Betriebs-Historik-Panel © IAB

Zunächst wird betrachtet, ob es einen Zusammenhang zwischen der Regelung und dem Beschäftigungswachstum von Unternehmen gibt. Abbildung 3 stellt den Anteil der Unternehmen mit wachsender Beschäftigung nach Unternehmensgröße dar. Auffällig ist, dass der Anteil wachsender Unternehmen, also derjenigen Unternehmen, die im Folgejahr mehr Beschäftigte haben als im aktuellen, kurz vor dem Schwellenwert abnimmt. Ihr Anteil ist knapp unterhalb des Schwellenwerts, also bei 39 Beschäftigten, signifikant geringer. Ein Teil von ihnen scheint zumindest kurzfristig keinen Anreiz zu haben, weiter zu wachsen, weil sie sonst die Schwelle überschreiten würden.

Zudem dürfte es einen Zusammenhang zwischen dem Schwellenwert und dem Einsatz von geringfügig Beschäftigten geben. Der Zusammenhang ist aus Abbildung 4 ersichtlich. Sie zeigt den Anteil der geringfügig Beschäftigten nach Unternehmensgröße. Demnach haben Firmen unterhalb des Schwellenwerts im Durchschnitt einen höheren Anteil an geringfügiger Beschäftigung. Daher liegt auch der Anteil an regulärer Beschäftigung bei Unternehmen mit weniger als 40 Beschäftigten signifikant unter dem von Unternehmen oberhalb des Schwellenwerts. Dies dürfte daran liegen, dass geringfügig Beschäftigte in der Regel bei der Berechnung der Unternehmensgröße nicht mitzählen. Manche Unternehmen haben so einen Anreiz, reguläre durch geringfügig Beschäftigte zu ersetzen.

Die Abgabe belastet Unternehmen mit geringerer Produktivität vergleichsweise stärker

Im Hinblick auf die Entlohnung lassen sich ebenfalls deutliche Unterschiede zwischen Firmen unterhalb und oberhalb des Schwellenwerts erkennen. Die Löhne von Firmen mit weniger als 40 Beschäftigten steigen zwar tendenziell mit der Unternehmensgröße, knapp unterhalb des Schwellenwerts fallen sie allerdings ab.

Eine Analyse der Produktivität von Beschäftigten und Firmen zeigt ein ähnliches Muster, wobei die Produktivität sowohl von Mitarbeitenden als auch von Firmen für Unternehmen oberhalb des Schwellenwerts höher ausfällt. Die geringeren Löhne und die geringere Produktivität unterhalb der Schwelle deuten darauf hin, dass eine schwellenwertinduzierte Anpassung der Belegschaft zu einer geringeren Produktivität von Firmen mit Bunching-Verhalten führt.

Umgekehrt könnten geringere Löhne und geringere Produktivität ihrerseits Bunching-Verhalten begünstigen. Denn die Abgabe belastet Unternehmen mit niedrigerer Produktivität relativ betrachtet stärker als Unternehmen mit höherer Produktivität. Sie haben deshalb einen größeren Anreiz, unterhalb dieses Wertes zu bleiben.

Beim Schwellenwert von 60 Beschäftigten zeigen sich ähnliche Effekte

Dass arbeitsrechtliche Schwellenwerte etwa im Zusammenhang mit der Schwerbehindertenabgabe das Verhalten der Unternehmen signifikant beeinflussen, zeigt sich im Übrigen auch bei einem anderen Schwellenwert. Unternehmen mit einer Beschäftigtenanzahl von 60 und mehr müssen sich an die Fünf-Prozent-Regel halten und überdies einige weitere Regelungen beachten.

Auch hier steigt die Zahl der Beschäftigten mit Schwerbehinderung direkt oberhalb des Schwellenwerts sprunghaft an. Dies legt eine positive Wirkung der Regelung auf die Beschäftigungsquote nahe. Es kommt zudem ebenfalls zum bereits beschriebenen Bunching-Verhalten. Die Analysen und Schätzungen alternativer Ergebnisvariablen im Bereich der Beschäftigungs- und Lohnstrukturen zeigen ebenfalls ähnliche Muster wie am Schwellenwert von 40 Beschäftigten.

Fazit

Die Beschäftigungspflicht in Verbindung mit der Ausgleichsabgabe begünstigt die Einstellung von Beschäftigten mit Schwerbehinderung in Firmen mit 40 oder mehr Beschäftigten. Zugleich bleiben manche Firmen unterhalb des Schwellenwerts, um die Ausgleichsabgabe zu vermeiden. Berücksichtigt man sowohl den Schwellenwert- als auch den Bunching-Effekt, so ergibt sich eine Untergrenze für den Schwellenwerteffekt von insgesamt 0,2. Demnach führt die Regelung unter dem Strich dazu, dass Firmen knapp oberhalb der Schwelle im Schnitt 0,2 Menschen mehr beschäftigen, als es ohne die Regelung der Fall wäre.

Dieses Ergebnis ist auch insofern relevant, als die Bundesregierung kürzlich mit dem Gesetzentwurf zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts eine Reform der Ausgleichsabgabe auf den Weg gebracht hat. Damit soll zum 1. Januar 2024 eine neue Stufe der Ausgleichsabgabe eingeführt werden, die bislang keine schwerbehinderte Person beschäftigen. Demnach müssen Unternehmen, die jahresdurchschnittlich keine schwerbehinderten Menschen beschäftigen, eine deutlich höhere Abgabe entrichten: Unternehmen von 20 bis unter 40 Beschäftigten müssen dann 210 statt bisher 140 Euro pro nicht besetztem Arbeitsplatz entrichten, Unternehmen von 40 bis unter 60 Beschäftigten 410 statt bisher 245 Euro.

Die hier diskutierten Analysen  können als Hinweise darauf gedeutet werden, dass die neue Stufe der Ausgleichsabgabe die Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen weiter fördern dürfte. Allerdings dürften sich auch die Bunching-Effekte verstärken.

Auch wenn die Regelung die Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung grundsätzlich fördert, zeigt sich an der großen Zahl von Unternehmen, die die Abgabe zahlen, dass für eine bessere Integration weitere Maßnahmen erwogen werden sollten. Nach einer Studie, die als IAB-Kurzbericht 11/2022 publiziert wurde, begründet ein Großteil der Betriebe die Zahlung der Ausgleichsabgabe etwa damit, dass sich zu wenig geeignete Personen mit Schwerbehinderung bewerben. Eine mögliche Maßnahme könnte daher eine verstärkte (Weiter-)Qualifizierung der Betroffenen sein. Darüber hinaus könnten stärkere positive Anreize für Unternehmen, die die Quote (über-)erfüllen, sinnvoll sein.

In aller Kürze

  • Unternehmen mit 20 Beschäftigten und mehr sind gesetzlich dazu verpflichtet, eine Mindestanzahl von Menschen mit Schwerbehinderung zu beschäftigten. Unternehmen mit 20 bis 39 Mitarbeitenden müssen mindestens eine schwerbehinderte Person beschäftigen, Unternehmen mit 40 bis 59 Beschäftigten mindestens zwei.
  • Halten die Unternehmen diese Regelung nicht ein, müssen sie eine abgestufte Ausgleichsabgabe zahlen.
  • In Unternehmen am Schwellenwert von 40 Beschäftigen sind im Durchschnitt mehr Menschen mit Schwerbehinderung tätig als in Unternehmen knapp unterhalb des Schwellenwerts. Dies deutet darauf hin, dass die Beschäftigungspflicht in Verbindung mit der Ausgleichsabgabe grundsätzlich wirkt.
  • Einige wenige Unternehmen scheinen gezielt unterhalb des Schwellenwerts von 40 Beschäftigten zu bleiben, um einer Erhöhung der Ausgleichsabgabe zu entgehen.
  • Unternehmen knapp unterhalb des Schwellenwerts verzeichnen durchschnittlich ein geringeres Wachstum sowie einen höheren Anteil an geringfügiger Beschäftigung und zahlen geringere Löhne als Unternehmen knapp oberhalb des Schwellenwerts.
  • Auch wenn die Regelung die Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung prinzipiell begünstigt, bedarf es weiterer Maßnahmen, um die Inklusion von Menschen mit Schwerbehinderung zu verbessern.


Daten und Methoden

Die empirische Analyse nutzt die Beschäftigungsstatistik der schwerbehinderten Menschen (BsbM) und das Betriebs-Historik-Panel. Die Effekte der Beschäftigungspflicht werden mithilfe des „Threshold-Designs“ ermittelt. Verschiedene Ergebnisvariablen, insbesondere die Zahl der Beschäftigten mit Schwerbehinderung, werden knapp unterhalb und knapp oberhalb der Schwelle von 40 Beschäftigten verglichen, um den Effekt der Quote zu schätzen.

Die empirische Analyse besteht aus zwei Teilen. Zuerst wird der beabsichtigte Schwellenwert-Effekt auf die Anzahl der Beschäftigten mit Schwerbehinderung geschätzt. Als Zweites wird der von der Regelung nicht beabsichtigte Bunching-Effekt ermittelt. Der entsprechende Schätzwert gibt an, wie viel Prozent der betrachteten Unternehmen am Schwellenwert bewusst unterhalb des Schwellenwerts bleiben, um der Zahlung der Ausgleichsabgabe zu entgehen. Wenn Bunching stattfindet, wird der Schwellenwert nach oben verzerrt, weil vermehrt Unternehmen mit wenig Beschäftigten mit Schwerbehinderung unterhalb des Schwellenwerts bleiben und so die Anzahl der Beschäftigten mit Schwerbehinderung im Durchschnitt unterhalb des Schwellenwerts niedriger ist.

Unter Berücksichtigung des Bunching-Effekts kann anschließend ein um die Verzerrung bereinigter Wert für den Schwellenwerteffekt berechnet werden (siehe IAB-DiscussionPaper 25/2022, S. 23).

Literatur

Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (2021): BIH-Jahresbericht 2020|2021. Behinderung & Beruf und soziale Entschädigung.

Bundesregierung (2023): Gesetzentwurf der Bundesregierung. Entwurf eines Gesetzes zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts. Drucksache 20/5664.

Deutscher Bundestag (2023): Entwurf zu Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts gebilligt.

Hiesinger, Karolin (2022): To Include or Not to Include? Firms’ Employment Decisions with Respect to the German Disability Quota. IAB-Discussion Paper Nr. 25.

Hiesinger, Karolin; Kubis, Alexander (2022): Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderungen: Betrieben liegen oftmals zu wenige passende Bewerbungen vor. IAB-Kurzbericht Nr. 11.

Koller, Lena (2010): Ökonomische Auswirkungen arbeits- und sozialrechtlicher Schwellenwerte. Peter-Lang-Verlag: Frankfurt a. Main.

Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2021): Beschäftigtenstatistik schwerbehinderter Menschen.

 

Beitragsbild: ABCreative/stock.adobe.com

doi: 10.48720/IAB.FOO.20230626.01

Hiesinger , Karolin ; Vetter, Franka (2023): Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung: Die Ausgleichsabgabe wirkt, In: IAB-Forum 26. Juni 2023, https://www.iab-forum.de/beschaeftigung-von-menschen-mit-schwerbehinderung-die-ausgleichsabgabe-wirkt/, Abrufdatum: 27. April 2024