Hat die Einführung des Mindestlohns dazu geführt, dass die betroffenen Unternehmen statt regulär Beschäftigter verstärkt freie Mitarbeiter einstellen, weil sie diesen keinen Mindestlohn zahlen müssen? In einer Studie für die Mindestlohnkommission ist das IAB dieser Frage auf den Grund gegangen.

Zum 1. Januar 2015 wurde in Deutschland ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro eingeführt. Damit waren Befürchtungen verbunden, dass Unternehmen nunmehr verstärkt Mitarbeiter beschäftigen würden, denen kein Mindestlohn gezahlt werden muss.

Arbeitgeber könnten demnach auch vermehrt Aufträge an freie Mitarbeiter vergeben haben. Diese besitzen einen Werk- oder Dienstvertrag und sind im rechtlichen Sinne selbstständig. Sie fallen daher nicht unter den Mindestlohn. Freie Mitarbeiter werden zudem nicht dauerhaft eingestellt, sondern erbringen einzelne, zeitlich begrenzte Leistungen. Das ermöglicht Unternehmen, personelle Kapazitäten flexibel auf- und abzubauen. Unternehmen, die aufgrund des Mindestlohns steigende Kosten und als Folge Auftragseinbrüche befürchteten, könnten also Neueinstellungen zurückgestellt und stattdessen freie Mitarbeiter beauftragt haben – so lautete jedenfalls das pessimistische Szenario.

Die Mindestlohnkommission hat daher das IAB beauftragt zu untersuchen, ob sich solche Effekte nachweisen lassen. In der Studie, die den Zeitraum von 2011 bis 2016 abdeckt, wurden mithilfe des IAB-Betriebspanels Betriebe, die vom Mindestlohn betroffen sind, mit Betrieben verglichen, die ihren Beschäftigten bereits vor der Mindestlohneinführung mehr als 8,50 Euro zahlten. Da außer dem Mindestlohn weitere Faktoren einen Einfluss auf die Nachfrage nach freien Mitarbeitern gehabt haben könnten, wurden diese Effekte so weit wie möglich herausgerechnet.

Nachfrage nach freien Mitarbeitern steigt zeitverzögert leicht an

Für das Jahr 2015 ließen sich der IAB-Studie zufolge keine Effekte des Mindestlohns auf die Nachfrage nach freien Mitarbeitern nachweisen: Sie stieg in den vom Mindestlohn betroffenen Betrieben nicht stärker als in den nicht betroffenen Unternehmen. Dies bestätigt die Ergebnisse einer anderen Studie der IAB-Forscher Mario Bossler und Christian Hohendanner, die ebenfalls keine Hinweise dafür finden konnten, dass der Mindestlohn die Nachfrage nach freien Mitarbeitern im Jahr der Mindestlohneinführung erhöht hat.

Für das Jahr 2016 hingegen ist das Bild weniger eindeutig: Im Vergleich zu den nicht betroffenen Betrieben stieg die Wahrscheinlichkeit, freie Mitarbeiter einzustellen, in den vom Mindestlohn betroffenen Unternehmen leicht um 0,2 Prozentpunkte, so dass sich der Anteil der freien Mitarbeiter in diesen Betrieben von 1,5 auf 1,7 Prozent erhöhte. Diese Unternehmen beschäftigten nach Hochrechnungen des IAB im Jahr 2016 etwa 9.300 zusätzliche freie Mitarbeiter mehr als vergleichbare Betriebe, die von der Einführung des Mindestlohns nicht betroffen waren.

Dieser Effekt kann angesichts der nur leicht gestiegenen Wahrscheinlichkeit als moderat bewertet werden. Er betrifft zudem hauptsächlich Branchen, in denen auch im Vorfeld überdurchschnittlich viele freie Mitarbeiter beschäftigt waren. Dies waren Finanz- und Versicherungsdienstleistungen, wirtschaftliche, wissenschaftliche und freiberufliche Dienstleistungen, Interessenvertretungen, die Branchen Information und Kommunikation sowie Erziehung und Unterricht.

Fazit

Freie Mitarbeiter wurden nach Einführung des Mindestlohns zunächst nicht stärker nachgefragt. Erst im Jahr 2016 zeigte sich ein leichter Effekt des Mindestlohns auf die Einstellung von freien Mitarbeitern. Dieser ist hauptsächlich durch Branchen getrieben, die bereits vor Einführung des Mindestlohns verstärkt freie Mitarbeiter beschäftigt hatten.

Die Zeitverzögerung spricht allerdings eher nicht dafür, dass diese Unternehmen freie Mitarbeiter vor allem deswegen einsetzen, um den Mindestlohn zu umgehen. Stattdessen könnten hierbei Schwankungen in der Auftragslage eine Rolle gespielt haben. Aussagen zu den Langzeiteffekten können jedoch erst auf Basis weiterer Analysen getroffen werden.

Literatur

Bossler, Mario; Gürtzgen, Nicole; Lochner, Benjamin; Betzl, Ute; Feist, Lisa; Wegmann, Jakob (2018): Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns auf Betriebe und Unternehmen. IAB-Forschungsbericht Nr. 4.

Bossler, Mario; Hohendanner, Christian (2016): Freie Mitarbeit statt Mindestlohn? Werk- und Dienstverträge in deutschen Betrieben vor und nach der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns. In: Sozialer Fortschritt, Jg. 65, Nr. 8, S. 195-201.

Betzl, Ute (2018): Auswirkungen des Mindestlohns auf die Nachfrage nach freien Mitarbeitern sind gering, In: IAB-Forum 18. Oktober 2018, https://www.iab-forum.de/auswirkungen-des-mindestlohns-auf-die-nachfrage-nach-freien-mitarbeitern-sind-gering/, Abrufdatum: 26. April 2024