Junge Geflüchtete dürfen auf ihrem Weg in Ausbildung nicht auf sich alleine gestellt sein. Dies gilt in der aktuellen Wirtschaftskrise umso mehr. Doch in Corona-Zeiten können die oft älteren Ehrenamtlichen aufgrund des Infektionsrisikos nicht in gewohntem Umfang helfen. Professionelle Unterstützungsangebote sind nun wichtiger denn je, um die berufliche Integration zu stärken.

Von 2015 bis 2019 wurde laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für knapp 638.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren Asyl beantragt. Viele kamen im Familienverband. Andere leben in Deutschland ohne Eltern oder andere Erziehungsberechtigte – sind also sogenannte unbegleitete minderjährige Geflüchtete. Bei unbegleiteten Minderjährigen wurde Eurostat zufolge zwischen 2015 und 2019 in gut 74.000 Fällen ein Erstantrag auf Asyl in Deutschland gestellt (weitere Informationen zu begleiteten und unbegleiteten jungen Geflüchteten finden Sie im Infokasten am Ende dieses Beitrags).

Diese jungen Menschen treffen hierzulande auf eine Einwanderungskultur, die sich im Wandel befindet. So hat der Gesetzgeber das Ausbildungssystem seit dem Jahr 2008 für bislang ausgeschlossene Gruppen von Geflüchteten nach und nach geöffnet. Dies gilt etwa für junge Geflüchtete mit Duldungsstatus (nähere Informationen hierzu finden Sie im IAB-Kurzbericht 1/2015). Damit steigen deren Arbeitsmarkt- und Einkommenschancen.

Darüber hinaus können sie ihre aufenthaltsrechtliche Situation durch eine Ausbildung und eine anschließende qualifizierte Beschäftigung unter bestimmten Voraussetzungen verbessern –  längerfristig bis hin zum Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft (lesen Sie dazu einen Beitrag im IAB-Forum von Franziska Schreyer und Koautoren aus dem Jahr 2018). Damit eröffnen sich den Geflüchteten nachhaltige Zukunftsperspektiven. Zugleich stehen den Unternehmen dadurch mittel- und längerfristig zusätzliche Fachkräfte zur Verfügung.

IAB-Forschungsprojekt: Wie wirkt sich die Öffnung des Ausbildungsmarktes auf die Ausbildungschancen junger Geflüchteter aus?

Ihre jeweilige Lebenssituation kann aber sowohl die unbegleiteten als auch die begleiteten jungen Geflüchteten bei ihrem Weg in Ausbildung vor große Herausforderungen stellen. Beide Gruppen in dieser Situation zu unterstützen, ist deshalb essenziell. Darauf weisen Befunde aus einem einschlägigen IAB-Forschungsprojekt hin.

In diesem Projekt wurde untersucht, wie sich die rechtliche Öffnung des Ausbildungsmarktes auf die Ausbildungschancen und Lebensperspektiven junger Geduldeter auswirkt. Hierfür wurden 34 Expertinnen und Experten aus Ausländerbehörden, aus dem Schulsystem und aus Beratungsstellen interviewt – einzeln oder im Rahmen von Gruppendiskussionen. Ferner wurden regelmäßig Fachveranstaltungen, etwa des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales oder von Verbänden, die im Bereich der Jugendhilfe aktiv sind, besucht und protokolliert (mehr zu den Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe finden Sie im Infokasten).

Unbegleitete im Zwiespalt: Schnell Geld verdienen oder besser eine Ausbildung machen?

Gerade bei unbegleiteten Minderjährigen beobachten interviewte Expertinnen und Experten oft eine hohe Motivation, zügig die deutsche Sprache zu erlernen und in der Schule gute Noten zu erzielen sowie einen Abschluss zu erwerben. Eine Führungskraft in einer Ausländerbehörde berichtete:

„Viele kommen erst im Alter von 16 Jahren hierher [und] schaffen es dann – muss man ja wirklich sagen: Hut ab – relativ schnell, einen Hauptschulabschluss zu machen.“

Ob sie anschließend eine betriebliche Ausbildung machen oder arbeiten dürfen, hängt von ihrer jeweiligen aufenthaltsrechtlichen Situation ab: Als anerkannte Flüchtlinge haben sie Zugang zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Sind sie noch im Asylverfahren oder aufenthaltsrechtlich geduldet, brauchen sie eine Beschäftigungserlaubnis durch die örtliche Ausländerbehörde (lesen Sie dazu einen 2018 erschienenen Beitrag aus dem IAB-Forum sowie eine im IAB-Kurzbericht 13/2016 publizierte Analyse). Dürfen sie eine Ausbildung aufnehmen oder arbeiten, stehen viele vor dem Dilemma, entweder möglichst rasch Geld in unqualifizierten Helfertätigkeiten zu verdienen oder eine Ausbildung mit zunächst wesentlich geringerer Vergütung aufzunehmen.

Fachkräfte aus Beratungsstellen berichteten im Interview, dass sie junge Geflüchtete oftmals intensiv über die Arbeitsmarkt- und Aufenthaltschancen informieren, die ihnen eine Ausbildung in Deutschland bietet. Dennoch entscheiden sich nicht wenige dagegen. Dahinter steht oft der Druck, im Herkunftsland verbliebene Angehörige finanziell zu unterstützen und/oder Schulden bei Schleusern abbezahlen zu müssen.

Belastet, aber auch stark – Unbegleitete als „Überlebenswunder“

Unbegleitete Minderjährige waren als Kinder oder Jugendliche im Herkunftsland oft mit extremen Lebenssituationen konfrontiert – teils ohne den Schutz von Angehörigen. Ihre sich häufig über Jahre hinziehende Flucht brachte sie nicht selten in Lebensgefahr.

Einerseits können solche Erfahrungen physische und psychische Wunden hinterlassen, welche die berufliche Integration erschweren. Den Weg nach Europa in diesem Alter, mitunter sogar ohne Angehörige, geschafft zu haben, zeugt andererseits von außerordentlich hoher psychischer und physischer Stärke und Durchhaltevermögen. Die Mitarbeiterin einer Beratungsstelle fasst dies in einer Gruppendiskussion so zusammen:

„Wie diese Jungen aus Bagdad und Afghanistan: Die hatten noch nie jemand im Leben, der sich um sie gekümmert hat. […] Die sind für mich immer so ein Überlebenswunder.“

Diese Eigenschaften können Jugendlichen auch bei einer Ausbildung zugutekommen. Trotzdem müssten viele, gerade auch über die Volljährigkeit hinaus, sozialpädagogisch betreut und bei Rechtsfragen unterstützt werden. Tatsächlich sind diese Geflüchteten mit Erreichen der Volljährigkeit jedoch oft auf sich alleine gestellt, wie die folgenden Ausführungen zeigen.

Die Betreuungsstruktur droht mit der Volljährigkeit wegzubrechen

Unbegleitete Minderjährige werden durch die Jugendhilfe unterstützt, die verschiedene Fördermöglichkeiten hat (siehe Infokasten). Dabei sind die Jugendlichen häufig in ein Netzwerk aus rechtlicher, sozialpädagogischer und teils ehrenamtlicher Betreuung eingebunden. Dank dieses Netzwerks werden die Jugendlichen auch auf ihrem Weg in die Ausbildung professionell begleitet.

Abhängig vom Aufenthaltsstatus kann dieser Weg auch hohe rechtliche Hürden bereithalten – etwa wenn es darum geht, bei der Ausländerbehörde eine Beschäftigungserlaubnis für die Ausbildung zu erhalten (lesen Sie dazu auch den IAB-Kurzbericht 1/2015 sowie eine Studie von Angela Bauer und Franziska Schreyer aus dem Jahr 2019).

Unterstützung durch (aufenthalts-)rechtliches Expertenwissen ist deshalb für junge Geflüchtete wichtig, um diese Hürden zu meistern. Vielen unbegleiteten Minderjährigen steht dieses Wissen dank professioneller Betreuungskräfte etwa in den Jugendhilfeeinrichtungen zur Verfügung. Eine Fachkraft einer Ausländerbehörde erklärt im Interview:

„Dadurch, dass die ja meistens in einer Wohngruppe betreut werden und einen Amtsvormund haben, wird schon von da immer gesteuert und rechtzeitig Anträge gestellt. […] Die haben natürlich Betreuer an der Seite, die wissen, wie man mit Behörden umgeht.“

Allerdings besteht mit der Volljährigkeit die Gefahr, dass diese professionelle Betreuungsstruktur wegbricht und die jungen Menschen etwa bei komplexen aufenthaltsrechtlichen Fragen plötzlich auf sich selbst gestellt sind. Bei unsicherem Aufenthaltsstatus droht ihnen zudem der Wechsel aus einer Jugendhilfereinrichtung in eine Gemeinschaftsunterkunft, wo Lernen aufgrund der räumlichen Bedingungen oftmals schwierig ist.

Zudem kann das Risiko der Abschiebung zurück in das Herkunftsland steigen, aus dem sie einst geflohen sind. In dieser schwierigen Lebensphase nach der Volljährigkeit mit vielen Veränderungen brauchen die jungen Menschen verlässliche professionelle Unterstützung. Bricht diese abrupt ab, so kann dies die Ausbildung gefährden. Ein Vormund schildert dies an folgendem Beispiel:

„Von meinen vielen Mündeln […] hat einer eine Ausbildungsstelle bekommen als Bäcker, hat die dann aber nach einem Vierteljahr wieder hingeschmissen, weil er völlig alleingelassen war. Der war mittlerweile volljährig, die Jugendhilfe war eingestellt worden. Die Probleme fingen dann halt an der Arbeitsstelle an und das hat er alleine einfach nicht geschafft. […] Wichtig wäre, dass man da weiterhin Hilfe und Unterstützung anbietet.“

Jugendliche mit Familien sind tendenziell psychisch stabiler

Junge Geflüchtete leben in den meisten Fällen mit Familienangehörigen in Deutschland. Laut einer Beraterin, die sowohl junge Geflüchtete ohne als auch solche mit Familie betreut, bietet eine Familie vor Ort den Jugendlichen in der Regel starken emotionalen und psychischen Rückhalt:

„Ich glaube, dass Familie durch nichts zu ersetzen ist. […] Die sind einfach psychisch stabiler.“

Auf der einen Seite stärkt eine Familie also junge Geflüchtete im Regelfall. Auf der anderen Seite müssen begleitete junge Geflüchtete aber oft früh Verantwortung für die Familie übernehmen. Dies kann sie stark belasten und zudem innerfamiliäre Konflikte schüren, wie die folgenden Ausführungen verdeutlichen.

Als Familienmanager müssen junge Geflüchtete oft „sehr früh sehr erwachsen“ werden

In Deutschland besteht eine allgemeine Schulpflicht, die in aller Regel auch für geflüchtete Kinder und Jugendliche gilt. Durch ihre relativ zügige Einbindung in Schulen lernen diese die deutsche Sprache schneller und wachsen, auch durch die Kontakte zu Mitschülern, oft rasch in die deutsche Gesellschaft hinein.

Dadurch kommt jugendlichen Geflüchteten aber häufig auch eine verantwortliche Mittlerfunktion zwischen ihrer Familie und den Institutionen der Aufnahmegesellschaft zu. Sind ihre Eltern noch nicht so weit in die neue Gesellschaft integriert, müssen Jugendliche oft „sehr früh sehr erwachsen“ werden, wie ein Berater im Interview schildert:

„Was man häufig nicht sieht, ist, dass die Jugendlichen, die mit ihren Familien hier sind, dass die häufig in einer Vater- und Mutterrolle sind. Ja, sehr früh sehr erwachsen werden müssen. Die machen die Behördengänge, Übersetzungen, öffnen die Briefe, haben die Kommunikation mit den Anwälten und so weiter.“

Deshalb machen die jungen Menschen einerseits frühe Reifungsprozesse durch, die ihnen auch bei der Berufswahl oder bei der Suche nach einem passenden Ausbildungsbetrieb zugutekommen können. Andererseits erfordert ihre Rolle als Familienmanager einen hohen Kraft- und Zeitaufwand.

Anders als unbegleiteten Minderjährigen, die nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) durch die Jugendhilfe gefördert werden müssen (siehe Infokasten), steht ihnen professionelle Unterstützung oft nicht regelmäßig zur Verfügung. Diese wäre aber hilfreich, um einen stabilen beruflichen Werdegang aufzubauen. Außerdem stünde ihnen so jemand zur Seite, der sie dabei unterstützt, die, bei unsicherem Aufenthaltsstatus, hohen rechtlichen Hürden auf dem Weg zu einer Beschäftigungserlaubnis und in eine Ausbildung zu überwinden.

Die Aufenthaltschancen der gesamten Familie können von den jungen Familienmitgliedern abhängen

Darüber hinaus kann die Rolle als Familienmanager mit einer sehr hohen Verantwortung einhergehen, was die Jugendlichen nicht selten stark belastet. Dies gilt insbesondere, wenn der Aufenthalt der gesamten Familie von den Integrationsleistungen des jungen Menschen abhängt. Der im Jahr 2011 eingeführte Paragraf 25a Aufenthaltsgesetz kann zu einer solchen Situation führen.

Diesem zufolge kann jungen Menschen mit prekärem Duldungsstatus – und indirekt ihren engen Familienangehörigen – eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Voraussetzung ist jedoch, dass sie der örtlichen Ausländerbehörde gute schulische, berufliche und/oder soziale Integrationsleistungen nachweisen können. Dies kann dann die gesamte Familie vor Abschiebung schützen. „Lern um dein Leben. Und zwar nicht nur um dein eigenes, sondern um das von der ganzen Familie“ – so fasst ein Berater im Interview zusammen, was dieser Rechtsrahmen für junge Menschen mit prekärem Aufenthaltsstatus bedeuten kann.

Belastung durch innerfamiliäre Konflikte

Die Rolle als verantwortlicher Familienmanager, von dem gegebenenfalls sogar der Aufenthalt der ganzen Familie abhängt, kann zu Konflikten innerhalb der Familie führen. Dies belastet junge Menschen und ihre Familien, wie ein Mitarbeiter einer Beratungsstelle ausführt:

„Die haben einfach in ihren Familien aufgrund der aufenthaltsrechtlichen Situation eine extrem hohe Verantwortung, die auch sehr zeitraubend und anstrengend ist, konflikthaft ist in den Familien. Und das natürlich schwierig ist, wenn auf einmal die Tochter oder der Sohn [und] nicht mehr der Familienvater oder die Mutter diese Rolle hat. Das wird mir ganz häufig berichtet, dass es aus diesem Hintergrund zu Problemen kommt.“

Ähnlich wie unbegleitete können auch begleitete junge Geflüchtete unter Druck stehen, möglichst schnell Geld – meist in Helfertätigkeiten – verdienen zu müssen. Der Grund kann auch bei ihnen sein, dass im Herkunftsland zurückgebliebene Angehörige unterstützt oder Schulden beglichen werden müssen. Es kann aber auch sein, dass sie damit die Familie in Deutschland finanziell unterstützen sollen. Eine Fachkraft, die in einer Ausländerbehörde arbeitet, schildert im Interview einen konkreten Fall:

„In dem Fall betraf es einen jungen Mann, wo die Eltern gesagt haben: ‚Wir wollen ein Geschäft aufmachen, wir brauchen Kapital. Geh auf dem Bau arbeiten.‘“

Teils, so die Fachkraft, würden Eltern mit mehreren Kindern hier differenzieren: Die Älteren sollen möglichst schnell Geld verdienen, während es jüngeren Kindern ermöglicht wird, etwa eine Ausbildung zu absolvieren.

Die Eltern schätzen den Wert von Bildung unterschiedlich ein

Auf die Frage, wie stark die Eltern der Geflüchteten Bildung und Ausbildung wertschätzen, betonen die interviewten Expertinnen und Experten, dass sie unterschiedliche Erfahrungen gemacht haben:

„Es hängt, wie überall, von den Eltern ab. Von dem, was die Leute wollen“.

Viele Eltern schätzen den Wert von Bildung für ihre Kinder hoch ein und wollen diesen damit eine gute Zukunft in Deutschland ermöglichen. Allerdings halten manche Eltern die Bildung und Ausbildung von Mädchen für nicht so wichtig wie die von Jungen. Darauf weisen auch quantitative Daten der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten hin. Laut einem IAB-Kurzbericht von Herbert Brücker und Koautoren aus dem Jahr 2016 halten 18 Prozent der Geflüchteten die berufliche Ausbildung oder Hochschulausbildung ihrer Söhne für wichtiger als die ihrer Töchter. Damit unterscheiden sie sich aber nicht allzu sehr von der Vergleichsgruppe der Deutschen, von denen 14 Prozent dieser Aussage zustimmen.

Ausbildung in der Covid-19-Pandemie

Laut Bundesagentur für Arbeit ging im Berufsberatungsjahr 2019/2020 die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber auf einen Ausbildungsplatz zurück, ebenso die Zahl der Ausbildungsstellen (zur betrieblichen Ausbildung in der Covid-19-Krise lesen Sie den Beitrag von Lutz Bellmann und Koautoren im IAB-Forum). Als Folge der Covid-19-Pandemie könnten sich die Ausbildungschancen auch von Geflüchteten verschlechtern. Zudem besteht die Gefahr, dass gerade junge Menschen mit vergleichsweise schwierigen Startchancen in Schule und Ausbildung abgehängt werden (lesen Sie hierzu die aktuellen Beiträge von Mariella Falkenhain und Koautoren sowie von Bernd Fitzenberger im IAB-Forum sowie einen Beitrag von Michi Fujii und Koautorinnen aus dem Jahr 2020).

Fazit

Gerade wenn es um den Zugang zu einer beruflichen Ausbildung und um ihren erfolgreichen Verlauf geht, ist es wichtig, dass junge Geflüchtete unterstützt werden. Dies gilt trotz teils unterschiedlicher Herausforderungen für unbegleitete wie begleitete junge Geflüchtete in ähnlicher Weise. Diese Unterstützung ist in einem Ausbildungsmarkt, der aktuell aufgrund der Corona-Krise eher schrumpft als wächst, umso dringlicher. Sie kommt auch dem Arbeitsmarkt zugute, auf dem nach wie vor Fachkräfteengpässe zu erwarten sind – durch die Alterung der inländischen Erwerbspersonen, aber auch durch die rückläufige Einwanderung (hören Sie dazu diese Videointerviews mit Bernd Fitzenberger).

In den vergangenen Jahren waren es oftmals gerade Ehrenamtliche, die jungen Geflüchteten bei ihrer beruflichen Orientierung, ihrer Suche nach einem Ausbildungsbetrieb sowie beim Lernen geholfen haben. Zumindest mittelfristig steht zu befürchten, dass sich die oftmals älteren Ehrenamtlichen aus der Begleitung und Unterstützung von Geflüchteten zurückziehen, um die Zahl ihrer Kontaktpersonen während der Pandemie zu reduzieren. Dies skizzieren beispielsweise Renate Breithecker und Maik Stöckinger in einem Blog-Beitrag aus dem Jahr 2020.

Umso wichtiger sind professionelle Unterstützungsstrukturen, auch wenn diese in der Covid-19-Pandemie ebenfalls Einschränkungen unterliegen. So konnten viele Maßnahmen der Berufsorientierung im Jahr 2020 nicht oder nur unter speziellen Auflagen stattfinden. Dies gilt etwa für persönliche Beratungsangebote oder Berufsorientierungsmessen der Bundesagentur für Arbeit – Angebote, die gerade für junge Menschen mit Migrationshintergrund wichtig sind, wie Lisa Schwarz und Koautorinnen in einem Beitrag für das IAB-Forum aus dem Jahr 2020 zeigen.

Zu hoffen ist, dass die jungen Menschen bald wieder stärker auch mit persönlicher Beratung und Förderung unterstützt werden können. Das gilt sowohl für die Suche nach geeigneten Ausbildungsberufen und Ausbildungsbetrieben als auch für das erfolgreiche Absolvieren einer Ausbildung (Informationen zu Förderinstrumenten wie zum Beispiel ausbildungsbegleitende Hilfen oder assistierte Ausbildung finden Sie auf den Seiten der Bundesagentur für Arbeit).

Wichtig auf dem Weg in Ausbildung ist auch die professionelle Beratungsinfrastruktur, wie sie etwa im Programm „Integration von Asylbewerberinnen, Asylbewerbern und Flüchtlingen (IvAF)“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales mit EU-Förderung aufgebaut wurde. In der Pandemie umso bedeutsamer wird schließlich auch die Jugendhilfe, die unbegleitete Geflüchtete aktuell nach Möglichkeit noch stärker unterstützen sollte.

Unbegleitete und begleitete junge Geflüchtete – ein Überblick über rechtliche Rahmenbedingungen

Unbegleitete minderjährige Geflüchtete sind Kinder oder Jugendliche, die ohne Eltern oder andere Erziehungsberechtigte in Deutschland einreisen oder hier zurückgelassen werden und Schutz suchen. Manche werden durch die Umstände des Fluchtwegs von ihren Familien getrennt. Unter den Fluchtgründen sind auch kinder- und jugendspezifische wie die Rekrutierung von Kindersoldatinnen und Kindersoldaten, frühe Zwangsprostitution und –verheiratung oder Genitalverstümmelung.

Unbegleitete Minderjährige fallen unter die Zuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe. Diese verfolgt allgemein das Ziel, „junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung“ zu fördern (§ 1 SGB VIII). Sie hat den Auftrag, unbegleitete Minderjährige in Obhut zu nehmen und sie pädagogisch zu unterstützen (§ 42a und § 42 SGB VIII). So kann sie ihnen zum Beispiel intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung sowie betreute Wohnformen anbieten (§ 34 und § 35 SGB VIII). Dieser Auftrag der Jugendhilfe gilt bis zur Volljährigkeit, er kann in begründeten Ausnahmefällen bis mindestens zum Erreichen des 21. Lebensjahres verlängert werden (§ 41 SGB VIII). Weitere Informationen zu unbegleiteten Minderjährigen finden Sie beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und in den Studien von Angela Bauer und Franziska Schreyer aus dem Jahr 2016 sowie von Julian Tangermann und Paula Hoffmeyer-Zlotnik aus dem Jahr 2018.

Während die Betreuung, Versorgung und Unterbringung von unbegleiteten Minderjährigen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) erfolgt, werden begleitete Minderjährige zusammen mit ihren Eltern grundsätzlich nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) versorgt und untergebracht. Als rechtlich begleitet gelten Kinder oder Jugendliche dann, wenn mitreisende Angehörige – in der Regel die Eltern – erziehungsberechtigt sind. Die Europäische Union definiert alle Minderjährigen, ob unbegleitet oder begleitet, als schutzbedürftige Personen (Artikel 21 Richtlinie 2013/33/EU).

Unbegleitete wie begleitete Minderjährige können einen unterschiedlichen aufenthaltsrechtlichen Status haben (in der Regel Aufenthaltsgestattung, Duldung oder Schutzstatus zum Beispiel als nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannte Flüchtlinge oder als subsidiär Schutzberechtigte). Der jeweilige aufenthaltsrechtliche Status bestimmt ihren Zugang zu oder Ausschluss vom Ausbildungsmarkt (aktuelle Informationen zu Aufenthaltsstatus und Zugang zu Ausbildung und Förderinstrumenten finden Sie auf den Seiten der Bundesagentur für Arbeit).

Literatur

Bauer, Angela; Schreyer, Franziska (2019): Ausländerbehörden und Ungleichheit: Unklare Identität junger Geflüchteter und der Zugang zu Ausbildung. In: Zeitschrift für Rechtssoziologie, Band 39, Heft 1, S. 112-142.

Bauer, Angela; Schreyer, Franziska (2016): Ausbildung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen: Sinnvoll ist Unterstützung über Volljährigkeit hinaus, IAB-Kurzbericht Nr. 13.

Breithecker, Renate; Stöckinger, Maik (2020): Zwischen Solidarität und Social Distancing: Zivilgesellschaftliches Engagement für Geflüchtete unter Corona-Bedingungen. In: NetzwerkFluchtforschung, FluchtforschungsBlog vom 27. 8.2020.

Brücker et. al. (2016): IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten: Flucht, Ankunft in Deutschland und erste Schritte der Integration, IAB-Kurzbericht Nr. 24.

Schreyer, Franziska; Bauer, Angela; Kohn, Karl-Heinz P. (2018): Ausbildung kann Bleibeperspektiven für Geflüchtete verbessern. In: IAB-Forum vom 1.3.2018.

Schreyer, Franziska; Bauer, Angela; Kohn, Karl-Heinz P. (2015): Betriebliche Ausbildung von Geduldeten: Für den Arbeitsmarkt ein Gewinn, für die jungen Fluchtmigranten eine Chance, IAB-Kurzbericht Nr. 1.

Schwarz, Lisa; Anger, Silke; Leber, Ute (2020): Berufsorientierung durch Schulen und Arbeitsagenturen ist für Jugendliche mit Migrationshintergrund besonders wichtig. In: IAB-Forum vom 30.9.2020.

Tangermann, Julian; Hoffmeyer-Zlotnik, Paula (2018): Unbegleitete Minderjährige in Deutschland. Herausforderungen und Maßnahmen nach der Klärung des aufenthaltsrechtlichen Status. In: Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flücht­linge, Working Paper 80.

 

Schreyer, Franziska; Bauer, Angela (2021): Ausbildung während der Pandemie: Junge Geflüchtete brauchen mehr denn je professionelle Unterstützung, In: IAB-Forum 28. Januar 2021, https://www.iab-forum.de/ausbildung-waehrend-der-pandemie-junge-gefluechtete-brauchen-mehr-denn-je-professionelle-unterstuetzung/, Abrufdatum: 19. April 2024