Ingrid Hofmann ist Geschäftsführerin von Hofmann Personal Leasing in Nürnberg, einem renommierten Zeitarbeitsunternehmen. Im Interview mit dem IAB-Forum spricht sie über die Herausforderung, Geflüchtete in Beschäftigung zu bringen.  Hofmann sieht Zeitarbeit als eine ideale Möglichkeit, um Flüchtlinge an die Arbeitswelt heranzuführen.

Frau Hofmann, Ihre Zeitarbeitsfirma hat im Jahr 2016 über 230 Flüchtlinge eingestellt. Hingegen waren bei den 30 DAX-Unternehmen insgesamt bis Anfang Juni 2016 laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gerade einmal 54 Flüchtlinge beschäftigt, wovon allein 50 auf die Deutsche Post entfielen.  Warum schaffen deutsche Großkonzerne nicht, was Sie schaffen?

Wir sind als Firmen nicht vergleichbar. Unsere Kernkompetenz als Personaldienstleister ist es, Menschen in Arbeit zu bringen. Und das tun wir tagtäglich, indem unsere Personaldisponenten Bewerbungsgespräche führen und Kompetenzen der Bewerber ermitteln. Sie schätzen ab, welche Chancen die Bewerber am Arbeitsmarkt beziehungsweise bei unseren Kunden haben. Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren ist sehr aufwändig, bindet Kapazitäten und ist mit viel Engagement unserer Niederlassungsteams verbunden.

Nach welchen Kriterien wählen Sie die Flüchtlinge aus, die Sie bei Ihnen einstellen?

Zunächst müssen wir sicherstellen, dass die Person in Deutschland arbeiten darf und kann. Darum prüfen wir den Aufenthaltsstatus, einschließlich aller Dokumente, darunter auch Sprachnachweise und den Lebenslauf.  In einem sehr umfangreichen Bewerbungsgespräch hinterfragen wir die Kompetenzen, berufliche Erfahrung und Vorstellungen der Bewerber.

Wie erfassen Sie die Kompetenzen von Flüchtlingen, die keine entsprechenden Zeugnisse haben?

Auf Zeugnisse können wir uns in der Regel nicht stützen, da diese nicht vorhanden sind oder nicht übersetzt vorliegen. Darum müssen wir mit einfacher Arbeit beginnen und in enger Zusammenarbeit mit den Kunden herausfinden, welche Fähigkeiten wirklich vorhanden sind und wohin sich jemand entwickeln könnte.

Ingrid Hofmann ist Geschäftsführerin von Hofmann Personal Leasing in Nürnberg, einem renommierten Zeitarbeitsunternehmen.

Wie überzeugen Sie Ihre Entleihfirmen davon, Flüchtlinge als Leiharbeitnehmer einzustellen, die nicht ausreichend Deutsch sprechen?

Wir stellen in der Regel keine Mitarbeiter ein, die nicht ausreichend deutsch sprechen und verstehen – wobei „ausreichend“ relativ ist. Grundsätzlich müssen unsere Mitarbeiter so gut deutsch können, dass sie Arbeitsanweisungen und Arbeitsschutzmaßnahmen verstehen. Die Deutschkenntnisse ermitteln wir unter anderem durch unsere umfangreichen Gespräche, teilweise auch durch Einstufungstests. Die Anforderungen an das Sprachniveau hängen stark vom Arbeitsplatz ab. Es ist Aufgabe unserer Disponenten, die Anforderungen des Arbeitsplatzes und die damit verbundenen Abläufe zu erfassen und dann einzuschätzen, ob der Mitarbeiter für diese Aufgabe geeignet ist. Gerade zu Beginn müssen die Mitarbeiter, auch in Absprache mit dem Kunden, sehr eng betreut werden.

Wie hoch schätzen Sie den Anteil der Geflüchteten, die von den Entleihfirmen übernommen werden?

Von den Mitarbeitern, die uns 2016 verlassen haben, wurden rund 15 Prozent von unseren Kunden übernommen. Etwa die Hälfte der Mitarbeiter befindet sich in längerfristigen Einsätzen. Die restlichen Mitarbeiter haben wir leider wieder verloren, weil sie den Anforderungen unserer Arbeitswelt noch nicht gerecht wurden, unter anderem wegen fehlender Arbeitsdisziplin und mangelhafter Arbeitsleistung.

Welche begleitenden Maßnahmen ergreifen Sie, um die bei Ihnen beschäftigten Flüchtlinge fit für den Arbeitsmarkt zu machen?

Je nach Niederlassung bieten wir Sprachunterricht oder die üblichen Weiterbildungsmaßnahmen – wie auch unseren anderen Mitarbeitern oder Bewerbern, wenn sie die notwendigen Voraussetzungen mitbringen.

Von den Mitarbeitern, die uns 2016 verlassen haben, wurden rund 15 Prozent von unseren Kunden übernommen.

Wie hoch ist der Aufwand, den Ihre Firma für Beschäftigte mit Fluchthintergrund betreibt im Vergleich zu den Kosten für lange hier lebende Bewerber? Und rechnet sich das eigentlich betriebswirtschaftlich?

Momentan rechnet sich unser Engagement betriebswirtschaftlich nicht. Das steht derzeit auch nicht im Fokus, denn wir wollten zunächst Erfahrungen sammeln, um die Situation realistisch einschätzen zu können. Inzwischen schätzen wir unseren Mehraufwand gegenüber Bewerbern mit geringen Vermittlungshemmnissen, bis zu einem Jahr arbeitslos, auf knapp 80 Prozent. Letztendlich muss aber jeder einzelne Fall betrachtet werden. Darum sind Pauschalaussagen immer schwierig.

Wie groß ist die Gefahr, dass Flüchtlinge, die in der Zeitarbeitsbranche arbeiten, sich nicht ausreichend weiterbilden und in Helfertätigkeiten steckenbleiben?

Grundsätzlich besteht natürlich die Gefahr, dass Flüchtlinge und somit Minderqualifizierte in Helfertätigkeiten verbleiben, auch außerhalb der Zeitarbeit. Bei den besser ausgebildeten Flüchtlingen habe ich diese Sorge nicht. Sie werden den Ehrgeiz mitbringen, sich aus einer Helfertätigkeit hinaus zu entwickeln und sich zu qualifizieren, sobald es Sprachkenntnisse und Berufserfahrungen zulassen. Dazu braucht es aber die Unterstützung der Job-Center, auch in finanzieller Hinsicht. Es wird immer eine gewisse Zeit vergehen, bis die betroffenen Menschen die deutsche Sprache so beherrschen, dass sie ausbildungsfähig sind. Unsere Branche ist jedenfalls gerne bereit, an Lösungen mitzuarbeiten.

Was muss aus Ihrer Sicht die Politik tun, um die Bereitschaft der deutschen Wirtschaft, Flüchtlinge einzustellen, zu erhöhen?

Vielleicht sollte man zunächst einmal hinterfragen, warum diese Zurückhaltung herrscht. Aus meiner Erfahrung scheuen Unternehmen den großen Betreuungsaufwand, der damit verbunden ist. Aber es gibt auch andere Hemmnisse, zum Beispiel Betriebsvereinbarungen, nach denen Mitarbeiterkinder bei der Besetzung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen Vorrang haben oder zunächst Zeitarbeitnehmer, die schon länger im Einsatz sind,  übernommen werden müssen.
Wir sollten uns dessen bewusst sein, dass verschiedene Erwartungen, Arbeitsauffassungen, Lebenseinstellungen etc. aufeinandertreffen, die zusammenfinden müssen. Darum ist die Zeitarbeit für Flüchtlinge eine ideale Einstiegsmöglichkeit in die Arbeitswelt. Aber auch wir müssen zunächst die Menschen herausfiltern, die in der Lage sind, unseren Arbeitsalltag zu bewältigen.

Ingrid Hofmann ist als Stadtteilpatin auch in das Bürger-Engagement für Flüchtlinge in Nürnberg eingebunden.

Sie sind Mitglied des Verwaltungsrats der Bundesagentur für Arbeit (BA): Wie kann die BA Ihre Arbeit unterstützen?

Ich könnte mir auch vorstellen, dass wir gemeinsam mit den Jobcentern versuchen, eine Kombination aus Arbeit und Qualifizierung umzusetzen. Dieses Modell muss allerdings dem Wesen der Zeitarbeit entsprechen und berücksichtigen, dass unsere Kundenunternehmen dann Zeitarbeitskräfte anfordern, wenn sie Engpässe haben. Wir können nicht erwarten, dass Mitarbeiter stundenweise für Weiterqualifizierungen ihre Arbeit unterbrechen. Dies könnte nur in den überlassungsfreien Zeiten geschehen. Wie das in der Praxis genau funktionieren soll, kann ich noch nicht sagen. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass die Flüchtlinge ihre eigenen Vorstellungen von ihrem Leben hier in Deutschland haben und zum Beispiel nicht unbedingt die Mangelberufe erlernen wollen. Von den sprachlichen und schulischen Voraussetzungen einmal ganz abgesehen. Außerdem müssen mögliche Förderungen selbstverständlich auch anderen Arbeitsuchenden in Deutschland zugutekommen.

Die teilweise sehr hohen Einstiegseingruppierungen in manchen Tarifverträgen sind ein Einstellungshindernis.

Sehen Sie den gesetzlichen Mindestlohn als ein Einstellungshindernis für Flüchtlinge?

Nicht der Mindestlohn ist in meinen Augen das Einstellungshindernis, sondern die teilweise sehr hohen Einstiegseingruppierungen in manchen Tarifverträgen. Ist die Einstiegseingruppierung zum Beispiel schon doppelt so hoch wie der Mindestlohn, dann könnte dies Unternehmen davon abhalten, einen Mitarbeiter zu beschäftigen, der zusätzlich noch einen hohen Betreuungsaufwand verursacht.

Wie könnte die Integration von Geflüchteten in Ausbildung und Beschäftigung gesellschaftlich noch besser unterstützt werden?

Als Stadtteilpatin von Nürnberg-Langwasser bin ich eng in das wirklich vorbildhafte Bürger-Engagement für Flüchtlinge in unserem Stadtteil eingebunden. Erst kürzlich hatten wir in der Hofmann-Hauptverwaltung ein Helferkreistreffen, an dem 40 Personen teilgenommen haben. Sie übernehmen Hausaufgabenbetreuung, organisieren Sprachcafés, unterstützen bei der Wohnungssuche et cetera. Ich glaube, eine intensive Kommunikation und die Bereitschaft, einander kennenzulernen, sind ungeheuer wichtig.

Wie viele Flüchtlinge wollen Sie 2017 einstellen?

Für 2016 wollten wir 100 Flüchtlinge einstellen, konnten aber 230 Personen einstellen. Deshalb sind wir nun mutig geworden und haben uns das Ziel gesetzt,  deutschlandweit 500 Geflüchtete im Laufe des Jahres einzustellen.

 

Die Fragen stellten Prof. Lutz Bellmann und Dr. Martin Schludi.

Bilder: I. K. Hofmann GmbH