Hinweis der Redaktion: Aus Gründen der inhaltlichen Präzisierung wurde diesem Beitrag nachträglich zwei weitere (farblich gekennzeichneten) Textpassagen hinzugefügt.


Aufgrund von Kontaktbeschränkungen, unsicheren Geschäftserwartungen und finanziellen Engpässen hat die betriebliche Weiterbildungsbeteiligung – nicht gleichzusetzen mit der sehr viel weiter gefassten beruflichen Weiterbildung – im Pandemiejahr 2020 das niedrigste Niveau seit Beginn dieses Jahrtausends erreicht. Gerade Branchen und Beschäftigtengruppen, deren Weiterbildungsengagement bereits vor der Pandemie unterdurchschnittlich war, betraf dies besonders stark.

Weiterbildung gewinnt angesichts des technologischen und organisatorischen Wandels, aber auch der Internationalisierung der Wirtschaft, zunehmend an Bedeutung. Daher haben die Betriebe ihr Weiterbildungsangebot im Zeitverlauf deutlich gesteigert. Während zu Beginn dieses Jahrtausends 36 Prozent aller Betriebe in Deutschland innerhalb eines Halbjahres Weiterbildungsmaßnahmen anboten, waren es im Jahr 2019, also vor der Covid-19-Krise, 55 Prozent (siehe Abbildung 1, alle in diesem Beitrag genannten Zahlen beziehen sich jeweils auf die erste Jahreshälfte). Noch deutlicher stieg der Anteil der Beschäftigten, die an betrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen teilnahmen: Er verdoppelte sich im gleichen Zeitraum von 18 auf 36 Prozent.

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten sinkt die Beteiligung an betrieblicher Weiterbildung

Die Entwicklung verlief allerdings nicht gleichförmig. Das zeigen Daten des IAB-Betriebspanels (siehe Infokasten), einer jährlich durchgeführten Befragung von gut 15.000 Betrieben aller Branchen und Größenklassen. Danach hängt das betriebliche Weiterbildungsangebot auch von der konjunkturellen Lage ab. So sank der Anteil der weiterbildenden Betriebe infolge der Wirtschafts- und Finanzkrise in den Jahren 2009 und 2010 um rund 5 Prozentpunkte gegenüber dem Jahr 2008. Die Teilnahmequote der Beschäftigten ging damals jedoch nur geringfügig zurück.

Abbildung 1 zeigt, wie sich der Anteil der Betriebe, die Weiterbildung anbieten, beziehungsweise der Beschäftigten, die Weiterbildung nutzen, zwischen 2001 und 2020 entwickelt hat (jeweils bezogen auf das erste Halbjahr). Der Anteil der Betriebe, die Weiterbildung anbieten, stieg zwischen 2001 und 2019 von deutlich unter 40 auf rund 55 Prozent und sackte 2020 auf rund 33 Prozent ab. Parallel dazu stieg auch der Anteil der Beschäftigten, die Weiterbildung nutzen, zwischen 2001 und 2019 von knapp 20 auf rund 35 Prozent und sackte 2020 auf rund 15 Prozent ab. Quelle: IAB-Betriebspanel

Nach der Wirtschafts- und Finanzkrise nahm das Weiterbildungsengagement der Betriebe wieder erheblich an Fahrt auf und stabilisierte sich dann auf einem deutlich höheren Niveau als vor der Krise. Im Pandemiejahr 2020 sank die betriebliche Weiterbildung jedoch erneut – und zwar deutlich stärker als während der Wirtschafts- und Finanzkrise: Im Jahr 2020 bildeten nur 34 Prozent der Betriebe in Deutschland ihre Beschäftigten weiter und lediglich 15 Prozent der Beschäftigten nahmen an betrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen teil. Die Zahl der Betriebe, die Weiterbildung anboten, sank damit gegenüber dem Vorjahr um fast 40 Prozent, die Weiterbildungsbeteiligung der Beschäftigten nahm sogar um nahezu 60 Prozent ab. Für 2020 waren somit die geringsten Werte im gesamten Beobachtungszeitraum zu verzeichnen.

Je nach Branche und Betriebsgröße ist die Weiterbildungsbeteiligung in der Corona-Krise unterschiedlich stark gesunken

Die betriebliche Weiterbildungsbeteiligung ist im Jahr 2020 in allen Branchen gesunken. Einzelne Wirtschaftszweige traf es jedoch deutlich stärker als andere. Dies gilt insbesondere für die Bereiche Beherbergung und Gastronomie, Nahrung und Genuss sowie den Einzelhandel − und damit solche Bereiche, die ihre Beschäftigten bereits vor der Krise deutlich seltener weitergebildet haben als die Wirtschaft insgesamt. Im Bereich Beherbergung und Gastronomie boten 2020 nur 10 Prozent (2019: 20 %) der Betriebe Weiterbildungsmaßnahmen an, lediglich 5 Prozent (2019: 16 %) der Beschäftigten machten davon Gebrauch. Denn dieser Wirtschaftszweig hatte unter den Eindämmungsmaßnahmen infolge der Pandemie besonders stark zu leiden.

Insbesondere in Kleinst- und Kleinbetrieben mit weniger als 50 Beschäftigten ging der Anteil der weiterbildenden Betriebe stark zurück. So bildeten beispielsweise 45 Prozent der Kleinstbetriebe mit weniger als 10 Beschäftigten im Jahr 2019 ihre Beschäftigten weiter, 2020 waren es nur noch 26 Prozent. Auch die mittleren und größeren Betriebe haben ihr Weiterbildungsangebot in der Krise zurückgefahren, allerdings weniger stark. Der Anteil der weiterbildenden Großbetriebe mit mehr als 500 Beschäftigten ging von 99 Prozent im Jahr 2019 auf 80 Prozent in 2020 zurück. In den mittleren Betrieben mit 50 bis 499 Beschäftigten sank er von 91 auf 68 Prozent. Die Teilnahmequote der Beschäftigten wiederum hat sich in allen Größenklassen mehr als halbiert, am stärksten im mittelbetrieblichen Segment.

Der Weiterbildungsrückstand von Beschäftigten mit geringer Qualifikation hat sich nochmals vergrößert

Wie aus der Weiterbildungsforschung bekannt ist, unterscheidet sich die Weiterbildungsbeteiligung zwischen einzelnen Beschäftigtengruppen deutlich. Sie ist für Hochqualifizierte sehr viel höher als für Geringqualifizierte. Dies wird auch durch die Ergebnisse des IAB-Betriebspanels bestätigt. Im Jahr 2019 haben 45 Prozent der Beschäftigten mit abgeschlossener Berufsausbildung oder Hochschulabschluss an Weiterbildungsmaßnahmen teilgenommen. Von den Beschäftigten mit einfachen Tätigkeiten waren es dagegen nur 22 Prozent.

Infolge der Pandemie ist die Weiterbildungsbeteiligung in beiden Beschäftigtengruppen gesunken. Von denjenigen, die qualifizierte Tätigkeiten ausüben, nahmen im Jahr 2020 20 Prozent an betrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen teil (2019: 45 %). Bei Beschäftigten mit einfachen Tätigkeiten waren es nur 6 Prozent (2019: 22 %). Die Weiterbildungsschere zwischen Beschäftigten mit unterschiedlicher Qualifikation ging folglich in der Krise noch weiter auseinander als in den Jahren zuvor.

Viele Betriebe mussten geplante Weiterbildungen pandemiebedingt absagen

56 Prozent der Betriebe hatten für das Jahr 2020 (weitere) Weiterbildungsangebote geplant, mussten diese aber pandemiebedingt wieder absagen.

Aus der hochfrequenten, also in kurzen Abständen durchgeführten IAB-Befragung „Betriebe in der Covid-19-Krise“ geht hervor, dass die Kontaktbeschränkungen der mit Abstand wichtigste Grund für die Absage von Weiterbildungsmaßnahmen waren. Es wurden jedoch auch weitere Gründe genannt, wie ein Ende 2020 erschienener Beitrag im IAB-Forum von Lutz Bellmann und anderen zeigt: Mitunter standen keine Lehrkräfte zur Verfügung, die Fortführung der Geschäftstätigkeit war nicht immer klar oder die Kosten der Weiterbildung wurden als zu hoch eingeschätzt.

Die Hälfte der weiterbildenden Betriebe setzte in der Krise auf E-Learning

Da viele geplante Weiterbildungsmaßnahmen aufgrund der Kontaktbeschränkungen nicht in Präsenz durchführbar waren, setzten viele Betriebe auf E-Learning. Laut IAB-Betriebspanel hatte die Hälfte der weiterbildenden Betriebe im Jahr 2020 hiervon Gebrauch gemacht. Knapp drei Viertel dieser Betriebe taten dies aufgrund der Kontaktbeschränkungen, das übrige Viertel bot E-Learning unabhängig von den Kontaktbeschränkungen an.

Die IAB-Betriebsbefragung zeigt zudem, dass mehr als ein Drittel der Betriebe, die E-Learning in der Krise genutzt haben, diese Lernform neu eingeführt haben. 44 Prozent haben E-Learning in der Krise noch stärker genutzt als vorher.

Das Angebot an E-Learning hängt nicht nur mit der Betriebsgröße zusammen. Es lassen sich auch deutliche Unterschiede zwischen einzelnen Branchen erkennen. Besonders häufig wird E-Learning im Dienstleistungssektor eingesetzt. Dies gilt insbesondere für die Bereiche Finanz- und Versicherungswesen sowie Information und Kommunikation. Weitaus seltener setzen dagegen Betriebe aus dem Bau- oder Gastgewerbe, aber auch dem Produzierenden Gewerbe auf digitales Lernen (siehe Abbildung 2).

Die Abbildung zeigt den Anteil der weiterbildenden Betriebe, die ihren Beschäftigten E-Learning anbieten, für das Jahr 2020 nach Betriebsgröße und Branche. IN Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten beträgt der Anteil 78 Prozent, in solchen mit weniger als 10 Beschäftigten 47 Prozent. Noch stärker ist die Spreizung nach Branchen. Während er bei den Finanz- und Versicherungsdienstleistungen 92 Prozent beträgt, sind es in der Land- und Forstwirtschaft nur 15 Prozent. Quelle: IAB-Betriebspanel

 

Fazit

Bereits in der Wirtschafts- und Finanzkrise zeigte sich, dass die betriebliche Weiterbildungsbeteiligung in konjunkturell schwierigen Zeiten rückläufig ist. Obwohl es gute Gründe gibt, Beschäftigte auch und gerade in Krisenphasen weiterzubilden, scheinen die negativen Aspekte aus Sicht der Betriebe in solchen Zeiten zu überwiegen. Während der Covid-19-Krise ist die Weiterbildungsbeteiligung der Betriebe ebenfalls gesunken, doch deutlich stärker als während der Finanz- und Wirtschaftskrise.

Neben wirtschaftlicher Unsicherheit und finanziellen Engpässen haben vor allem Kontaktbeschränkungen die Weiterbildungsmaßnahmen erschwert. Rund die Hälfte der weiterbildenden Betriebe setzte im Jahr 2020 zwar E-Learning ein. Den massiven Rückgang der Weiterbildungsbeteiligung konnte dies jedoch nicht kompensieren, denn digitales Lernen eignet sich nicht für jede Tätigkeit gleichermaßen. Zudem mussten viele Betriebe hierfür zunächst die technischen und organisatorischen Voraussetzungen schaffen.

Die betriebliche Weiterbildungsbeteiligung hat im Pandemiejahr 2020 das niedrigste Niveau seit Beginn dieses Jahrtausends erreicht. Bestimmte Beschäftigtengruppen wie Geringqualifizierte und Branchen wie das Gastgewerbe und den Einzelhandel betraf dies besonders stark. Auch der am 1. Dezember 2021 erschienene Beitrag von Regina Flake und anderen im IAB-Forum zeigt, dass sich die Weiterbildungsbeteiligung in der Krise deutlich zwischen verschiedenen Gruppen unterscheidet. Im Gegensatz zu den hier präsentierten Ergebnissen hat diese Studie jedoch keinen dramatischen Einbruch der Weiterbildung festgestellt. Bei einem Vergleich ist zu beachten, dass sich die hier dargestellten Befunde ausschließlich auf die betriebliche Weiterbildung beziehen, wohingegen der Beitrag von Flake et al. die berufliche Weiterbildung insgesamt betrachtet. Die dort präsentierten Ergebnisse beruhen zudem auf der Befragung von Personen (sowohl von Beschäftigten als auch von Arbeitssuchenden und Leistungsempfängern), die hier dargestellten hingegen auf der Befragung von Betrieben. Unterschiede bestehen überdies in der Art der betrachteten Weiterbildungsmaßnahmen. Während die spezifische Fragestellung im IAB-Betriebspanel den Fokus auf die klassische, kursförmig organisierte Weiterbildung legt, verwendet die Befragung “Leben und Erwerbstätigkeit in Zeiten von Corona” (HOPP), welche die Datenbasis des Beitrags von Flake et al. darstellt, einen deutlich weiter gefassten Weiterbildungsbegriff.

Der massive Einbruch der betrieblichen Weiterbildung in der Pandemie hat für Betriebe und Beschäftigte gleichermaßen negative Konsequenzen. Für Betriebe verschärft er die wieder anwachsenden Fachkräfteengpässe. Die Beschäftigten wiederum wurden durch die Folgen der Pandemie zumindest teilweise ihrer Möglichkeit beraubt, ihr Qualifikationsniveau auf dem aktuellen Stand zu halten.

Dies ist umso bedauerlicher, als mit den Fördermöglichkeiten im Rahmen der Kurzarbeit und dem Qualifizierungschancengesetz Instrumente zur Verfügung standen und stehen, um die Weiterbildung von Beschäftigten finanziell zu unterstützen. Diese werden bislang jedoch aus verschiedenen Gründen vergleichsweise wenig in Anspruch genommen, wie ein aktueller Beitrag von Thomas Kruppe und Koautorinnen im IAB-Forum zeigt.

Hoffnung macht allerdings ein Blick in die Vergangenheit: Denn auch nach der Wirtschafts- und Finanzkrise stieg die betriebliche Weiterbildungsbeteiligung wieder sprunghaft an und erreichte sogar ein höheres Niveau als vor der Krise. Der Bedarf hierfür dürfte wegen der umfassender Transformationsprozesse der Wirtschaft jedenfalls gegeben sein. Die Daten des IAB-Betriebspanels werden darüber Aufschluss geben, ob die Entwicklung nach dem Abklingen der Covid-19-Krise die Weiterbildung erneut beflügeln wird.

Literatur

Bellmann, Lutz; Gleiser, Patrick; Kagerl, Christian; Kleifgen, Eva; Koch, Theresa; Kruppe, Thomas; König, Corinna; Lang, Julia; Leber, Ute; Pohlan, Laura; Roth, Duncan; Schierholz, Malte; Stegmaier, Jens; Aminian, Armin (2020): Weiterbildung in der Covid-19-Pandemie stellt viele Betriebe vor Schwierigkeiten. In: IAB-Forum, 09.12.2020.

Flake, Regina; Janssen, Simon; Leschnig, Lisa; Malin, Lydia; Seyda, Susanne (2021): Berufliche Weiterbildung in Zeiten von Corona: insgesamt kein dramatischer Einbruch, aber deutliche gruppenspezifische Unterschiede. In: IAB-Forum 1. Dezember 2021.

Kruppe, Thomas; Lang, Julia; Leber, Ute (2021): Nur jeder zehnte Betrieb nutzt die Weiterbildungsförderung der Bundesagentur für Arbeit. In: IAB-Forum, 17.05.2021.


IAB-Betriebspanel

Datengrundlage des vorliegenden Beitrags ist das IAB-Betriebspanel. Hierbei handelt es sich um eine jährlich durchgeführte Befragung von rund 15.000 Betrieben aller Branchen und Größenklassen, die seit 1993 in West- und seit 1996 auch in Ostdeutschland durchgeführt wird. Im Rahmen persönlich-mündlicher Interviews durch Mitarbeitende des Erhebungsinstituts Kantar werden die Betriebe dabei jeweils zu verschiedenen Themen der betrieblichen Geschäfts- und Personalpolitik befragt.

Neben sich jährlich wiederholenden Panelfragen umfasst der Fragebogen auch wechselnde Schwerpunktthemen. Das Thema Weiterbildung wird jährlich abgefragt. Dabei werden die Betriebe unter anderem danach gefragt, ob sie Weiterbildung anbieten und wie viele Beschäftigte an Weiterbildung teilnehmen. Die Fragen zur Weiterbildung beziehen sich dabei jeweils auf das erste Halbjahr.

Die vorliegenden Ergebnisse beruhen auf einer Zulieferung des IAB zu dem Projekt „Aufbau einer systematischen Berichterstattung zur beruflichen Weiterbildung“, das das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Kooperation mit dem Deutschen Institut für Erwachsenenbildung (DIE) durchführt.

Jost, Ramona; Leber, Ute (2021): Die betriebliche Weiterbildung ist in der Corona-Krise massiv eingebrochen (geänderte Fassung vom 20.12.2021), In: IAB-Forum 10. Dezember 2021, https://www.iab-forum.de/die-betriebliche-weiterbildung-ist-in-der-corona-krise-massiv-eingebrochen/, Abrufdatum: 19. March 2024